Navigieren mit Sonne, Mond und Sternen
Ein echter Schatz für die Navi-Ecke
Das Navigieren mit Gestirnen gehört sicher zu den schönsten Seiten der Kunst der Navigation. Es ist eine einfache Art der Schiffsortfindung, braucht man dazu doch nur zwei Gestirne oder aber ein einzelnes Gestirn und dieses ein paar Stunden später nochmal. Der Regelfall, dessen sich 95 Prozent aller Navigatoren bedienen, ist, vor Mittag die Sonne und am Schiffsmittag wieder die Sonne zu "schießen", was eine perfekte Mittagsposition ergibt - und anschließend wird zu Mittag gegessen, das kann in der Südsee um 23 Uhr UTC sein.
Ganz so einfach ist die astronomische Navigation jedoch nicht, wenn der Navigator den Mond, gar Fixsterne oder Planeten in der Dämmerung misst. Wie leistungsfähig aber diese Art der Ortsfindung ist, ersehen wir auch daraus, dass bis kurz vor der Jahrtausendwende alle Schiffe, ob Öltanker, Luxusliner oder 9-Meter-Yacht, damit den Weg über die Ozeane oder durch enge Riffeinfahrten gefunden haben. Vergessen ist schon fast die Tatsache, dass mit den Sternen sogar die Ausbringung der Ozeankabel erfolgte.
Freilich, um mit Astro zu navigieren braucht es ein paar Hilfsmittel. Der Sextant, das Winkelmessinstrument und die genaue Uhrzeit gehören zu den Voraussetzungen.
Aber alle (Peil-)Methoden funktionieren nur, wenn die Position des Peilobjektes bekannt ist, was auch in Landsicht gilt. Dort haben wir die Peilobjekte, Leuchtfeuer, etc fix und fertig in den Seekarten, während die Gestirne sich rasend schnell anscheinend um den Globus drehen. In der Astronavigation können wir die Position der Gestirne nur aus einem Nautischen Jahrbuch erfahren, aus dem man alle Orte der Gestirne, die sogenannten Ephemeriden, herauslesen kann. Ohne die Kenntnis der Ephemeriden kann nicht die einfachste Astronavigation funktionieren. Deshalb ist das Nautische Jahrbuch unumgänglich, ein Muss!
Die deutsche Behörde BSH (Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie), vorher war es das DHI, brachte deshalb 126 Jahre lang jedes Jahr das Nautische Jahrbuch heraus. Und zum Erstaunen, ja zum Entsetzen von Yacht-Navigatoren wurde das NJ im letzten Jahr eingestellt. Der Grund waren nicht nur die Kosten für die Formeln von der Heidelberger Sternwarte, sondern der Umstand, dass die Berufsschiffe auf großer Fahrt nicht mehr mit einem Sextanten ausrüstungspflichtig waren. Dass damit ungezählte seegehende Yachten unter deutscher Flagge eines der wichtigsten Hilfsmittel beraubt wurden, scheint für eine deutsche Behörde nicht so interessant zu sein.
Bleibt die ständig gestellte Frage, ob Astronavigation heute überhaupt noch eine Daseinsberechtigung hat? Nein, hat sie nicht, wenn man die Gefahr von Signalfälschungen (ganz aktuell jetzt im Krieg), die Wahrscheinlichkeit von Sonnenstürmen, die jede Art von Elektronik ausser Kraft setzen können, auch Blitzeinschläge auf Yachten oder Feuer an Bord ausser acht lässt.
Weltumsegler bereiten sich auf alles mögliche vor (was wahrscheinlich nie passiert): Sinken des Schiffes (Rettungsinsel!), Piratenüberfall, Notoperationen auf See, Feuer an Bord und so fort. Aber der naheliegendste Fall, dass der Computer aussteigt und man dann ohne Astro dasteht, weil man sich nicht ein Wochenende zum Lernen hinsetzen wollte oder kein Nautisches Jahrbuch vorliegt, damit rechnet man nicht. Deshalb hat das Aussteigen des BSH viele Segler getroffen. Und diejenigen, die von dieser wunderbaren Beschäftigung mit den Gestirnen nicht lassen wollten, wurden halt auf die ausländischen Veröffentlichungen verwiesen. Denn für alle Fälle ist, wie gesagt, ein gedrucktes Jahrbuch unerlässlich; ein gedrucktes Buch ist nämlich unempfindlich gegen Sonnenstürme etc!
Und jetzt, Überraschung, kommt Professor Harald Merkel mit dem Jahrbuch für das Jahr 2023 daher, sogar mit der Zusage, selbst für die folgenden Jahre das Nautische Jahrbuch vorzulegen.
Das Nautische Jahrbuch braucht keine Batterien
Das Nautische Jahrbuch von Harald Merkel gefällt mir schon beim ersten Durchblättern noch besser als das herkömmliche NJ des BSH. Das Format ist deutlich größer - fast DIN A 4, und damit viel besser zu lesen, selbst unter Schlechtwetterbedingungen. Andererseits wurde das Layout des früheren Jahrbuchs erfreulicherweise beibehalten, das gegenüber den ausländischen Jahrbüchern sehr viel übersichtlicher war. Es unterscheidet sich also wohltuend von ausländischen Nautischen Jahrbüchern. Und für jeden Tag ist eine ganze Seite mit Gestirnsdaten vorhanden. Selbstverständlich? Nein, denn die englischsprachigen pressen auf eine Tagesseite gleich mal drei Tage zusammen, was die Lesbarkeit vor allem auf einem bewegten Schiff sehr beeinträchtigt.
Auch der Umfang der zusätzlichen Seiten zu Beginn des Wälzers wurde erheblich verbessert. Neben den notwendigen Korrekturtafeln für die Gesamtbeschickung der Gestirne findet sich dort so manches Zuckerl, wie die "Monddistanzen" zur Bestimmung der Uhrzeit, wenn alle Quarzuhren an Bord ausgestiegen sein sollten. Nicht ganz so einfach, wie der Autor behauptet, aber eine schöne Reminiszenz an die historische Suche des Längengrades im 18.Jahrhundert, womit der Hydrograph der Royal Navy, Alexander Dalrymple, im Kampf um die von der Krone ausgelobten zwanzigtausend Pfund für die Findung des Längengrades dem Zimmermann John "Longitude" Harrison unterlag , nachdem dieser mit einer hochgenauen Uhr (H4) den Längengrad fand.
Das (deutsche) Nautische Jahrbuch für das Jahr 2023 kostet 36,99.€. Nicht viel für diesen über 400 Seiten starken Schatz. Zu beziehen zum Beispiel
hier bei Amazon.
Dringend empfohlen allen ernsthaften deutschsprachigen Hochsee-Navigatoren!
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