YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Frage von
Frank und Elke van Diest
Guten Morgen, Frau und Herr van Diest,
Sie haben sich die Frage praktisch schon
selber beantwortet, indem Sie in erster Linie auf die "bootsspeziefischen
Tabellen/Listen/Angaben" abgestellt haben. Denn das ist bei dieser Frage
das Maß aller Dinge. Üblicherweise wird die Werft beim Neukauf eines
Fahrtenkatamarans ziemlich genaue Anweisungen geben, mit welchen Segeln je nach
Windstärke gefahren werden darf. Es empfiehlt sich, sich peinlich daran zu
halten, denn wenn etwas passiert - im schlimmsten Fall eine Kenterung - wird
sich die Versicherung auf grobe Fahrlässigkeit rausreden (und damit von der
Zahlungspflicht befreit sein), wenn der Skipper gedankenlos die Segel bei
zunehmenden Wind stehenläßt.
Grundsätzlich aber muss schon festgehalten
werden, dass die Gefahr einer Kenterung bei einem Fahrtenkatamaran gering ist.
Als ich einmal einen Skipper, der mit einem Privilege-Katamaran die Welt
umsegelt hat, gefragt habe, bei welchen Wetterverhältnissen er angefangen hat
zu reffen, überraschte er mich mit der Antwort: "Wir haben während der
gesamten Weltumsegelung nie gerefft"!
Mir persönlich sind weltweit in den letzten
Jahren nur ganz wenige Fälle bekannt, in denen es den Mannschaften von
Fahrtenkatamaranen gelungen ist, den Kat umzuschmeissen. Wesentlich weniger
jedenfalls als gesunkene Einrumpfboote. Auffällig dabei ist, dass es, wenn
schon, jene Boote getroffen hat, für die mit besonders rasanten
Geschwindigkeiten geworben wird.
In jedem Fall sollte man sich bewusst sein,
dass die Kentergefahr nicht nur aus der Windstärke resultiert, sondern mehr
noch aus der Steilheit der See und in der Praxis aus dem Zusammenspiel von
starkem Wind/Sturm und Seegang. Zwar ist man immer auf der richtigen Seite, wenn
man sich stur und ausschließlich nach der Stärke des scheinbaren(!) Windes
richtet, aber man verschenkt doch einiges an Geschwindigkeitskapazität. Auch
der Kurs spielt bei der Kentergefahr eine große Rolle. Bei achterlichem Wind
ist sie sicher am geringsten, wenn nicht zusätzlich die Gefahr besteht, dass
einer der Buge in eine See einsticht und den Kat dazu veranlaßt, sozusagen nach
vorne zu stolpern, also kopfüber zu gehen, wie es einem deutschen Kat in der
Biskaya passiert ist. Auf dem Bild unten beispielsweise herrschen immerhin
zwischen 25 und 30 Knoten Wind bei einer Schiffsgeschwindigkeit von über 10
Knoten, aber mangels See ist die Unfallgefahr zu diesem Zeitpunkt, trotz
riesigem Parasailor, gleich Null.
Zurück zum Kern der Frage: Mangels
entsprechender Tabellen etc gibt es keine objektiven Anhaltspunkte für eine
bevorstehende Kentergefahr. Hebt der Kat ein Bein, beginnt also der luvseitige
Rumpf hochzusteigen, so ist eine Kenterung nicht mehr fern. Ausnahme: Die
Bauwerft lässt eine solche Attitüde ausdrücklich zu!
Schlussendlich bleibt es bei einem
subjektiven Gefühl, das einem sagt: "Jetzt ist es genug!". So eine
Empfindung, ich weiß es aus zahlreichen Unterhaltungen mit Fahrtenskippern auf
einem Katamaran, hat fast jeder. Wenn man diesem Gefühl folgt und die
Segelfläche wirksam verkleinert, kann nichts schiefgehen.

Mast- und Schotbruch!
Bobby Schenk
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