YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Sehr geehrter Herr Köhler,
spontan gesagt: Lassen Sie die
Finger von Ihrer Idee, da werden Sie nicht glücklich damit! Normalerweise
vertrete ich ja die Meinung, dass Langfahrtsegeln eine ganz individuelle
Lebensart ist, bei der jeder nach seiner eigenen Facon glücklich werden soll.
Doch ist Ihre Idee schon ziemlich weit von praktischen Erfordernissen bei der
Segelei entfernt. Denken Sie doch nur an eine Einfahrt in einen engen Hafen bei
schlechtem Wetter. Ihre Fensterscheiben sind bei strömenden Regen fast blind
und Sie damit auch. Außerdem können Sie von innen heraus die Abstände zur
Kaimauer viel schlechter abschätzen, als wenn Sie, achtern am Rad stehend,
einen unmittelbaren Blick drauf haben.
Ein
einziger Ruderstand innen mag auf hoher See ja noch einigermaßen vertretbar
sein. Da fahren Sie ohnehin unter Selbststeueranlage oder Ruderautomat. Und
großräumige Ausweismanöver könnten Sie ja auch mit einer Fernbedienung
fahren. Aber ansonsten hätte ich ein schlechtes Gefühl, wenn ich draußen bei
der Beobachtung der Beobachtung und damit weit weg von Eingreifmöglichkeiten
bin. Ganz erst recht gilt das bei Segelmanöver. Nein, man muss schon, vor allem
mit kleiner Mannschaft, beim Rudergehen die Segel im Auge behalten
können.
Erst recht in wärmeren Gegenden, in die sie ja
auch irgendwann wollen, würden Sie den einzigen Steuerstand innen als Handicap
empfinden. Schon im Passat, und das ist noch nicht mal ein richtig heiße
Gegend, spielt sich das Leben ja ausschließlich im Cockpit ab. Und Sie wollen
dann gerade da, wo es am schönsten ist, im Mief der stickigen Kajüte sitzen -
immerhin kann der Automat ja auch mal den Dienst versagen?
Dass die frische Luft und ein ungestörter
Rundumblick eine gute Vorsorge gegen die Seekrankheit ist, sei nur am Rande
bemerkt.
Vor
einigen Jahrzehnten hat vor allem Moitessiers JOSHUA den innenliegenden
Steuerstand populär gemacht. Die damalige "Weltumseglerblase" hat
sich - vor allem auf französischen Metallyachten - verbreitet. Viele
Segeleleven sind damals und heute von der irrigen Vorstellung ausgegangen, dass
bei stürmischen Wetter und entsprechenden Seegang die See-Einschläge
sekündlich erfolgen und dementsprechend ein Draußensitzen am Ruder gar nicht
mehr möglich ist, sondern dass die Yacht bei schweren Wetterverhältnissen so
ähnlich wie ein Panzer gesteuert werden müsse - gut geschützt gegen
Einschläge. Das ist ein Irrtum. Ich kann mir kaum solche Wetterverhältnisse
vorstellen, wo es nicht mehr möglich wäre, von draußen im Cockpit - gut
angeleint natürlich - das Schiff durch die Seen zu steuern. Dementsprechend
haben sich diese Panzerhauben auch nicht annähernd durchgesetzt und
verschwinden wieder von der Bildfläche - weil überflüssig.
Und denken Sie ein wenig an die Zukunft. Denn ein
13-Meter-Schiff mit ausschließlich innen liegendem Steuerstand, halte ich
praktisch für unverkäuflich.
Nein, ich rate Ihnen dringend, sich den Wind um
die Nase wehen zu lassen!
Bobby Schenk
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