YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Hi Ingrid,
noch
vor ein paar Jahren hätte man über eine solche Frage gelächelt, aber heute
muss man tatsächlich mit solchen Situationen rechnen, wenn man sich in einer
der konkret betroffenen Gegenden aufhält. Im wesentlichen sind solche
Konstellationen überall dort denkbar, wo zwischen mehreren Ländern ein großes
Wirtschaftsgefälle besteht und die Entfernungen der betroffenen Ländern auf
hoher See auch seemännisch denkenden, aber verzweifelten Laien in einfach
zu organisierenden Booten nicht unüberbrückbar erscheinen. Ganz konkret
dürfte der Yachtsegler in den Gewässern zwischen Kuba und Florida, zwischen
Afrika und Italien, zwischen Afrika und Spanien, beziehungsweise Gibraltar und
Afrika und den Kanaren betroffen sein.
Das große Problem hierbei
ist, dass solche Schlepperfahrten häufig, fast regelmäßig, mit Booten
durchgeführt werden, die alles andere als seetüchtig einzuordnen sind - erst
recht dann, wenn es sich um Ausreißversuche einzelner
verzweifelter und immer armer Menschen handelt. Aus
der Sicht des Hochseeseglers handelt es sich bei den eingesetzten
Transportmitteln um vollkommen ungeeignete Schiffe/Boote, auf denen
die hohe See überquert werden soll mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft in
einem reichen Land. Das mag, jetzt allein vom seemännischen her gesehen, in den
allermeisten Fällen gutgehen, wird aber schnell zur menschlichen Tragödie,
wenn eines dieser Boote in schlechtes Wetter gerät, also auch im Mittelmeer zu
allen Jahreszeiten denkbar, den Hochsommer vielleicht mal ausgenommen.
Also, was tun, wenn man so ein
Boot antrifft? Wobei uns hier in erster Linie die gesetzliche Problematik
interessiert, die Fragen der Menschlichkeit wird ohnehin jeder für sich selbst
beantworten müssen - freilich empfehlenswert unter Berücksichtigung
nachfolgend aufgeführter Gesichtspunkte.
In irgendeiner Weise sind fast
alle Insassen solcher Boote nahezu immer auf die Hilfe der Mitmenschen
angewiesen. Aber auch der Gesetzgeber legt uns Fahrtenseglern gewisse
Verpflichtungen in solchen Situationen auf. Stichwort: "Unterlassene
Hilfeleistung". Jedes zivilisierte Land hat hierzu entsprechende
Vorschriften, die selbstverständlich auch auf hoher See je nach Flagge der
Yacht gelten. Für deutsche Segler ist der Paragraf 323 c
des Strafgesetzbuches maßgebend. Er lautet:
"Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe
bestraft."
Nun, wenn man im Sommer bei Flaute zwischen der
afrikanischen Küste und Italien ein Flüchtlingsboot sichtet, dann empfiehlt es
sich, um das Schiff einen weiten Bogen zu machen, denn das menschenrettende Ufer
ist nicht weit, und eine gemeine Gefahr oder eine unmittelbare Not liegt wohl
unmittelbar nicht vor. Die Voraussetzungen für den Paragrafen
323 c Stgb sind von vorneherein nicht gegeben.
Anders liegt der Fall schon dann, wenn die
bedauernswerten Insassen und ihr Schiff sozusagen kurz vor dem Absaufen sind,
wenn also beispielsweise die Grenzen der kaum vorhandenen Seetüchtigkeit des
Flüchtlingsbootes erreicht sind, was bei schwerem Wetter sehr schnell geschehen
kann. Und was bei den verwendeten Booten tatsächlich sehr häufig in letzter
Zeit geschehen ist - mit zahlreichen Menschenverlusten. Die Voraussetzung für
den Paragrafen 323 c
Stgb liegen vor und der Segler befindet sich unter dem Zwang, abzuwägen, ob ihm
eine Hilfeleistung zuzumuten ist. Die Kernfragen lauten dann, ob ihm diese
Hilfeleistung ohne eigene erhebliche Gefahr und(!) ohne
Pflichtverletzung möglich ist.
Im Kommentar zum Strafgesetzbuch von Tröndle/Fischer
ist hierzu ausgeführt, dass es bei der Zumutbarkeit nach allgemein sittlichen Maßstäben auf die Persönlichkeit des Täters, seine physischen und geistigen Kräfte im kritischen Augenblick ankommt.
Die Unfähigkeit zu überlegtem Handeln in einer psychischen Ausnahmesituation
könne der Pflicht zum Eingreifen entgegenstehen.
Die Hilfeleistung müsse ohne erhebliche eigene Gefahr möglich sein. Unvorsichtiges Draufgängertum
würde nicht verlangt.
Also verpflichtet uns das geschriebene Gesetz nur
dann zum Helfen, wenn wir uns dabei selbst nicht in Gefahr bringen. In den
allermeisten Fällen bei einem Treffen auf eines jener typischen, vollbesetzten
Flüchtlingsboot sind wir somit gesetzlich nicht verpflichtet, einzelne Personen an
Bord zu nehmen, denn fast immer wäre das mit einer erheblichen Gefahr für uns
verbunden. Denn wie sollen wir denn aus einer Gruppe von mehreren Dutzend
verzweifelten Menschen, die kaum noch was zu verlieren haben, einige wenige, je nach Tragfähigkeit unseres Schiffes
aufnehmen, ohne uns in die Gefahr zu begeben, dass sich alle Flüchtlinge
unseres Schiffes bemächtigen und uns somit alle in Gefahr bringen?
Hinzu
kommt, dass sich unter den Flüchtlingen ja auch meistens hochkriminelle
Menschen befinden, nämlich jene Schlepper, die mit solchen Überfahrten unter
Ausnutzung der Not der anderen Bootsinsassen eine Menge Geld herauspressen. Es
ist auch damit zu rechnen, dass jene Schlepper über Handfeuerwaffen oder andere
gefährliche Waffen (Messer) verfügen, die diese schon zum Selbstschutz mit
sich tragen.
Ganz anders sieht es mit der Verpflichtung des
Skippers aber zum Beispiel dann aus, wenn er zum Beispiel auf einen Kahn mit
einem oder zwei Überlebenden trifft, die ersichtlich gerade noch dem Tod durch
Verdursten entkommen sind. In einem solchen Fall muss geholfen werden, notfalls
auch dadurch, dass die Überlebenden an Bord genommen und zum nächsten Hafen
gebracht werden. Dass es dort zu erheblichen Schwierigkeiten kommen wird, weil
die Geretteten ja illegale Einwanderer sind oder in ihrem Heimatland mit Ahndung
zu rechnen haben, entbindet den Skipper nicht von seiner Pflicht zur Rettung von
Menschenleben.
Letzterer Fall dürfte allerdings in der Praxis nicht allzu oft
zu erwarten sein.
In jedem Fall ist der Segler aber verpflichtet,
über Funk die nächstgelegene Küstenwache zu verständigen und eventuell auch
vorbeikommende größere Schiffe anzupreien, wenn er einen
Notfall erkannt hat. In diesem Zusammenhang stellt allerdings die bloße
Tatsache, dass sich hier Menschen aus erheblicher wirtschaftlicher Not in ein
anderes Land retten wollen, keinen Notfall im Sinne des Paragrafen 323c Stgb
dar!
In den meisten Fällen werden also dem Segler
keine gesetzlichen Verpflichtungen auferlegt sein, sodass sich aus den Gründen
des Selbstschutzes empfiehlt, einer Konfrontation mit einem
Flüchtlingsschiff aus dem Wege zu gehen.
Dass Du niemals in eine solche Konfliktsituation
gerätst, wünsch ich Dir!
Bobby
zur
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