YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Hallo Herr Teller,
Ihre Frage berührt schon einen
sehr ärgerlichen Punkt. Da werden gewisse Fabrikate als schlecht, weil billig,
abgestempelt, ohne dass sich Leute mit solchen Meinungen Gedanken machen, was
für einen Unsinn sie reden. Ich habe zu keiner der in Frage kommenden Werften
irgendeine besondere Beziehung, vor allem nicht zu den Genannten, aber ich habe
eine Menge Schiffe dieser Typen kennengelernt, alte und neue.
Generell kann man sagen... Und
damit gehen die Vorurteile schon an. Also, ich probiere es nochmal: Generell
kann man sagen, dass heute nahezu jede Werft nach bestem Wissen und Gewissen
versucht, gute, zuverlässige Qualität zu liefern. Werften, die das nicht
versucht haben, sind längst, seit mindestens 10 Jahren schon vom Markt
verschwunden. Dass dieser Vorsatz der Werften nicht immer in die Tat umzusetzen
ist, liegt auf der Hand, schließlich menschelt es überall.
Beleuchten wir es von der anderen
Seite: Ich kenne eine Reihe von Vorfällen, bei denen unglaubliche Dinge
passiert sind: Ruderverlust, Kielverlust (nein, ich spreche jetzt nicht von
einer süddeutschen Werft), Schiff nach wenigen Jahren voller Osmose, und so
fort. Und sie würden sich wundern, wenn ich Ihnen die Namen der Werften dazu
sagen würde: Alles ausnahmslos hochpreisige (und damit nach Meinung vieler
besonders gute) Werften. Oder, um es andersrum zu sagen: Ich kenne nahezu keine
Werft, die nicht in Einzelfällen schon mal unglaublichen Mist gebaut hat. Das
Problem ist doch, dass ein Schiffsbau, schon wegen der geringen Umsatzzahlen,
ungleich komplexer und problematischer ist, als zum Beispiel die Herstellung von
Massenwaren, und dazu zählen heute Autos.
Also, wenn es darum geht,
Spitzenqualität ohne Ärger zu bekommen, haben Sie bei keinem Fabrikat eine
hundertprozentige Garantie. Also nicht wie der Autokäufer bei Mercedes - hätte
ich beinahe gesagt. Denn war da nicht mal die Geschichte mit dem Elchtest, die
nur deshalb so glimpflich ausgegangen ist, weil die Schwäche des Autos
frühzeitig entdeckt worden ist (eben beim Elchtest) und die Stuttgarter
anschließend das Problem pr- und garantiemäßig eben fantastisch gut verwaltet
haben. Im Gegensatz zu vielen Werften, die froh sind, wenn die Yacht vom Hofe
ist.
Umgekehrt ein Lob für eine
vielgescholtene Werft: Einer meiner Freunde betreibt eine große Charterfirma
und hat unter seinen Yachten an die hundert Bavarias. Da sollte schon für einen
guten Überblick reichen. Sein Urteil nach vielen Jahren: Die Bavarias machen am
wenigsten Ärger.
Keine Rede also vom
"Weichsegeln" oder ähnliches! Der Begriff kommt wohl aus dem
Holzbootbau, wo man altgedienten Rennyachten dies gelegentlich nachgesagt hat.
Das mag dort in Einzelfällen so gewesen sein, hat man es beim Holz ja mit einem
organischen, einem lebendigen Baustoff und besonders vielen Verbänden zu tun.
Beim leblosen Kunststoff gibt es dies normaler Weise nicht. Freilich ist es
möglich, dass bei geringer Bauqualität und übermäßiger (natürlicher)
Belastung, es zu Delaminierungen kommt, aber das ist kein Weichsegeln, sondern
ein handfester Herstellungsmangel. Auch wenn sich ein Schott losarbeitet, oder
in den Kunstsoff sägt, ist es schlicht Pfusch von der Werft und hat ebenfalls
nichts mit dem harten Leben der Yacht bisher zu tun. Wenn eine Schalenwand eines
Gfk-Schiffes sich eindrücken läßt, dann ist dies kein Weichsegeln, sondern
schlicht miese Arbeit der Werft.
Ein ganz anderes Problem ist
Osmose. Vor vielen Jahren hat man diese gar nicht gekannt. Da war von der
Blister-Desease, also von einer Krankheit die Rede. Und das ist bei
Kunststoff-Schiffen aus zweiter und weiterer Hand ein Problem, mit dem man sich
als Käufer immer auseinandersetzen muss. Ein bestimmter Markenname ist schon
gar keine Garantie, dass man plötzlich eine Menge Blasen (angehen tuts meisten
an der Wasserlinie) findet. Eine fachgerechte Reparatur kann häufig den
Kaufpreis für ein Schnäppchen übersteigen. Und da sehe ich schon ein Problem
bei alten Kunststoffschiffen. Davor bewahrt Sie nur ein gewiefter
Sachverständiger vor dem Kauf.
Weil Sie es selbst erwähnen
- Stichwort Charteryachten: Wenn ich mir eine gebrauchte Kunststoffyacht
anschaffen würde, sähe ich mich in erster Linie bei Charterfirmen um.
Besonders die Großen auf dem Markt sondern nach 5 oder 6 Jahren Charteryachten
aus, nicht weil sie "weichgesegelt" sind, sondern weil die Kunden
gerne das neuere Modell im Urlaub segeln wollen.
Was ich gesehen habe, werden da
durchaus stattliche Yachten angeboten, denen man nach der Überholung durch die
Charterfirma ihre Leidensgeschichte als Charteryachten häufig gar nicht
ansieht. Vor allem kann man davon ausgehen, dass sich Schwachstellen in den
letzten Jahren gezeigt hätten und ausgemerzt worden wären. Und "weichgesegelt"?
Können Sie sich ernsthaft vorstellen, dass Chartercrews überhaupt in der Lage
sind, eine Yacht so zu prügeln - die Urlaubs-Mitsegler würden sich sauber
bedanken - dass man daran denken könnte, die Yacht sei strukturell
überstrapaziert worden.
Jedenfalls würde ich so eine
bewährte auszusondernde Charteryacht einem mit dem Slogan "besser als
neu" (die meisten Yachten sind das ohnehin) teuer gemachten
Gfk-Schiff vorziehen. Da lässt sich viel Geld sparen.
Mit freundlichen Grüßen
Bobby Schenk
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