YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Sehr geehrter Herr Ernst,
Ihre Frage zu beantworten, macht
mir Spaß. Denn durch Ihre glaubhafte Vorgabe, jede der beiden Alternativen
würde Ihnen entgegenkommen, stellen Sie mich nicht vor das Dilemma,
unerwünschte Antworten geben zu müssen. Es kommt ja leider nicht so selten
vor, dass Segler solche Fragen nur noch stellen, um sich selbst abzusichern und
nicht, um eine Entscheidungshilfe zu bekommen ("...frage ich Sie, ob meine
XYZ-Yacht 45 sicher genug für das Mittelmeer ist?").
Zur Sache: Leider bin ich ganz gut
in der Lage, dieses Thema aus eigener Sachkenntnis beurteilen zu können.
Ich geh mal davon aus, dass Sie
organisch altersgemäß gesund sind. Und dass Sie nicht gerade mit einem
"Sportboot" um die Welt brettern wollen, sondern mit einem
vernünftigen Fahrtenschiff, dass Sie, wie Sie schreiben, eigens für eine
Weltumsegelung anschaffen, sodass Sie es auch "altersgemäß"
ausrüsten und vorbereiten können.
Es gibt eine Vielzahl von
Weltumsegelungen, die von Frauen und Männern in diesem Alter durchgeführt
worden sind, ohne dass man ursprünglich diesen Leuten eine besonders
herausragende Sportlichkeit zu Beginn ihrer Weltumsegelung nachsagen hätte
können. Erst nach Abschluss der Circumnavigation lag dann jeweils die
Versuchung nahe, bei diesen Leuten eine besonders sportliche Konstellation zu
vermuten.
Dies gilt auch für recht extreme
Langfahrten, wie diejenige von Sir Francis Chichester, der vor ein paar
Jahrzehnten die Welt mit nur einem Stopp umrundete und dafür von der Englischen
Königin zum Ritter geschlagen wurde. Chichester war an die 70 Jahre alt. Der
deutsche Dr. Jörg Meyer, der ebenfalls die Welt mit nur einem Halt (auf der
Passatroute) umsegelte, war ebenfalls 70. Bei beiden war es nicht so, dass denen
man
vor ihren Unternehmungen eine ganz außergewöhnliche Sportlichkeit
nachgesagt hatte, sondern die war erst aus den erwähnten Aktionen geschlossen
hatte.
Aber
man braucht ja gar nicht so weit zurückschauen. Werfen Sie einen Blick auf
meine Rubrik Who-isWho-im-Weltumsegeln, dort werden Sie feststellen, dass nahezu die
Hälfte der dort vorgestellten Weltumsegler/innen die 60er Grenze überschritten
haben. Lotti und Ludwig von der ELDORADO (Bild unten) waren nach ihrer
Weltumsegelung genau in dem Alter (64) wegen dem Sie Bedenken haben. Aline von
der NIN (im Bild rechts) nähert sich schon - sorry, der Hinweis ist nicht
besonders charmant - den Siebzigern und Sebastian (Bild oben) gar den
Achtzigern. Wolfgang und Inge (Bild ganz unten) hatten ebenfalls schon
eine "6" vor dem Lebensalter stehen, als sie sich aufmachten, mit der Stella
Maris, einem 10-Meter-Stahlschiff (bei einer nicht gerade üppigen Breite
von zweieinhalb Metern) aufmachten, die Welt zu umsegeln. Strahlt aus
ihren Gesichtern nicht große Zufriedenheit?
Einhandweltumsegler Marcel Bardiaux hat an Bord
seiner INOX die Neunziger um Haaresbreite verfehlt.
So werden auf einer Weltumsegelung
weniger körperliche Glanztaten gefordert. Da sind mehr charakterliche
Fähigkeiten angesagt wie Geduld, Vorsicht, Zähigkeit, Ausgeglichenheit,
Zielstrebigkeit und gelegentlich auch Genügsamkeit. Unter anderem. Und diese
Eigenschaften hängen ja nicht in erster Linie vom Alter ab, sondern mehr von
der allgemeinen Lebenserfahrung. Umgekehrt bringt man im Alter förderliche
Eigenschaften mit, die manchem Jungen noch fehlen, zum Beispiel Abgeklärtheit.
Was wiederum dahingehend relativiert wird, weil man im Alter ja doch mehr zur
Bequemlichkeit neigt, was dem jahrelange Segeln nicht sehr zuträglich ist.
Also schonungslos: Wenn Sie
meinen, über oben angesagte Fähigkeiten zu verfügen, dann nichts wie los!
Ob es aber unbedingt im Rahmen
einer Rally geschehen muss, macht mich schon nachdenklich. Auch hierzu ein paar
"schonungslose" Gedanken: Es ist noch nicht allzu lange her, als das
schwedische Ehepaar Holmdahl mit der höchsten Auszeichnung für Weltumsegler
bedacht worden ist, weil es "besonders sportlich" auf der Passatroute
in "nur" 2 Jahren um die Welt gesegelt ist. Kurz gesagt: In meine
Philosophie vom Blauwassersegeln passt es nicht, in einer Herde von Yachten in
21 Monaten um die Welt zu hetzen. Und der von Ihnen genannte Sicherheitsaspekt
überzeugt mich nicht. Glauben Sie denn, dass der Veranstalter ein Schiff zu
Ihrer Rettung schickt, wenn Sie mitten auf dem Südpazifik Probleme hätten?
In einer Rally bringen Sie sich um
ein paar typische Blauwasser-Erfolgs-Erlebnisse, die darin bestehen, dass Sie(!)
sich die Ziele wählen, dass Sie(!) bestimmen, wie schön ein Hafen ist und wie
lange Sie sich dort in der Gemeinschaft der Blauwassersegler aufhalten, dass
Sie(!) sich genügend Zeit nehmen können, um Land und Leute kennenzulernen. Sie
sind dabei, einen ganzen Lebensabschnitt dem Ziel einer Weltumsegelung
unterzuordnen. Aber, wenn Sie sich derart einengen lassen wollen...!
Sie haben mir geschrieben wegen
Ihrer Bedenken bezüglich des Alters. Warum wählen Sie dann nicht die
stressfreiere Alternative einer lockeren Weltumsegelung?
Hinzu kommt, dass in letzter Zeit Rally-Veranstaltungen
immer unbeliebter werden. Nicht bei den Teilnehmern,
sondern bei denjenigen Seglern, die darunter zu leiden haben. Atlantik,
Mittelmeer und jetzt auch exotische Gebiete in der Südsee oder in Asien sind
von ganzen Rally-Serien abgedeckt. Da fallen Horden
von Rally-Teilnehmern wie Heuschrecken in eine ansonsten ruhige Marina ein,
feiern lautstark ihre grandiosen (organisierten) Überfahrten, nehmen anderen
Fahrtenseglern schlagartig für zwei oder drei Tage dringend benötigte
Liegeplätze weg, belegen die wenigen lokalen Handwerker. Bis nach wenigen Tagen
der Spuk vorbei ist.
Können Sie sich vorstellen, wie
sehr sich die geruhsamen Langfahrtsegler auf Ihre Ankunft freuen?
Also, so oder so - Mast- und Schotbruch zur
bevorstehenden Weltumsegelung!
Bobby Schenk
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