YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Hallo Heiko & Kirstin,
wir haben das gemacht, aber das
ist ja schon einige Zeit her. Inzwischen hat sich im Mittelmeer vieles geändert
- zum Nachteil der echten Fahrtensegler.
Einst
war das Ankern in Buchten oder das Anlegen am Steg im Fischereihafen, die Regel.
Marinas gab es keine. Dann sind in den Siebzigern und Achtzigern die
"Sportboote" und Charterschiffe wie Heuschrecken über die
wunderschönen Fahrtenreviere, die das Med einst zu bieten hatte, hergefallen
und aus war es mit der Herrlichkeit des ungebundenen Lebens auf einer
Fahrtenyacht.
Heute ist es noch schlimmer. Von
der Unart des Zwingens und Abkassierens an Murings, oder gar beim Ankern
(Kroatien) mal abgesehen, haben sich die Bewohner der betreffenden Gegenden noch
was Neues einfallen lassen. Denn sie glauben (meist irrtümlich), dass das
Vorhandensein von Marinas jedermann Geld und Reichtum bringt. Natürlich nicht,
wenn die Yachten irgendwo in abseits liegenden Buchten ankern, sondern auch die
Geschäfte und Lokale am Ort besuchen. Also werden Ankerverbote ausgesprochen,
um alle Yachten, auch die noch verbliebenen Fahrtensegler, in die Marinas zu
zwingen.
Das mag nicht überall so sein,
aber die Tendenz dazu tritt schon deutlich zu Tage. Das Mittelmeer ist für
echte Fahrtensegler kleiner geworden.
Das ist die eine Seite, die andere
wird von der Geographie und vom Klima vorgegeben. Sichere Ankerbuchten sind im
westlichen Mittelmeer selten - ich denk da in erster Linie an Spanien. Gleiches
gilt aber auch für Italien und Frankreich. Ich darf hierzu aus einem
Weihnachtsgedicht vom Weltumsegler Günther Voigt (Pusteblume) zitieren, der
derzeit mit dem Boot das Mittelmeer durchwandert:
Jedes Jahr ein Land erkunden. Diesmal war`s die Cote d`Azur,
wo die Häfen überquellen trotz recht stattlicher Gebühr.
Leider mangelt es an Buchten, die am Anker uns gefielen.
Also blieben nur die Häfen, ohne auf das Geld zu schielen.
Der
ständige Aufenthalt vor Anker mag in anderen Gegenden - Balearen, Griechenland,
Türkei - im Sommer noch angehen, im Winter wird es kritisch. Zypern ist ohnehin
überbelegt, da gibt es gar keine Plätze für den Winter. Und in der Türkei?
Da hab ich mal eines der übelsten Wetter erlebt - saukalt (nasskalt, weil ohne
Schnee) und geblasen hat es so, dass man froh war, noch eine Kneipe gefunden zu
haben, wo man sich mindestens innerlich aufwärmen hat können. Und in Kroatien
sind wir mal in einen mehrtägigen Schneesturm geraten, der das gesamte
öffentliche Leben zum Erliegen gebracht hat. Unter solchen Umständen zu ankern
mag angehen, wenn man sicher sein kann, dass die drei Anker halten und eine
Heizung an Bord hat, aber ein gemütliches Leben ist das nicht. Zumal auch die
Versorgungsmöglichkeiten spätestens dann ziemlich schlecht werden, wenn die
Urlauber weg sind.
Kurzum: Ein
"Durchwandern" des Mittelmeers mit Besuchen von interessanten
Ausflugszielen vom Ankerplatz aus ist jedenfalls im Winter kaum noch möglich.
Man ist zu sehr ortsgebunden an die wenigen, bei jedem Wetter sicheren
Ankerplätze. Längere stationäre Aufenthalte dagegen sind an den wenigen
geeigneten Ankerplätzen durchaus realisierbar, wenn das Schiff geheizt werden
kann.
Aber ganz problemlos wird das
Wohnen auf dem Schiff nicht sein. Man denke nur mal daran, dass man ja irgendwo
mit dem Beiboot anlanden können muss. Im Sommer zehren wir da meist von der
Infrastruktur, die für Touristen eingerichtet worden ist. Sind die
geldbringenden Gäste aber im Herbst nach Hause gefahren, schließen meist auch
die meisten Geschäfte und Kneipen am Ort. Und der Abfall, den wir im Sommer
irgendwie "mitgeben" konnten, bleibt dann als hässliche und
Plastiktüte am Beiboot-Landeplatz (ganz schlecht) oder stinkend auf dem Schiff
zurück. Nicht gerade ein gutes Gefühl werden wir da den vielleicht immer noch
freundlichen Einheimischen gegenüber haben. Ob das Alles dem Traum von einer mehrjährigen Auszeit im Mittelmeer
entspricht, wag ich in Eurem Fall bezweifeln.
Wenn
Ihr das trotzdem wollt, dann werdet Ihr in der Zeit von Oktober bis Mai um den
Besuch von Marinas kaum herumkommen. Die positive Nachricht: Viele Marinas sind
nur dann erschreckend teuer, wenn man einen Platz für kürzere Zeiten sucht.
Bei mehrmonatigen Buchungen lassen sie im allgemeinen gut mit sich handeln. Und
wenn im Herbst für den kommenden Winter der "Laden dicht" ist,
könnte es schon sein, dass dann ein Restliegeplatz für wenig Geld zu haben
ist.
Im Winter ist das Wetter in Afrika
(Marokko, Tunesien) erträglicher, dafür gibt dort so gut wie keine
Ankerplätze, die um diese Jahreszeit sicher genug sind.
Es hat schon seine Gründe, warum
im Mittelmeer Marinas so gut angenommen werden.
Wenn Ihr es allerdings trotzdem
versuchen wollt, lasst Euch zumindest im Sommer nicht abschrecken. Im Winter ist
das Mittelmeer jedenfalls kein romantisches Fahrtensegel-Revier. Nirgends im
Med.
Liebe Grüsse
Bobby Schenk
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