YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk antwortet


Lieber Herr Raatz,

genau genommen ist dies eine Frage, die nur Sie selbst beantworten können. Aber nachdem Sie sie mir schon gestellt haben, will ich mal versuchen, Ihnen da mit Rat weiter zu helfen. Aber selbstverständlich kann ich Ihnen nur sagen, wie ich(!) mich hier entscheiden würde:

Halten wir mal fest: Ihr jetziges Schiff ist gerade 10 Jahre alt, die Maschine hat 1200 Stunden (von mindestens 5000 zu erwartenden) und Sie nähern sich dem siebten Lebensjahrzehnt. Offensichtlich kommen Sie mit Ihrem jetzigen Schiff gut zurecht, zumal Sie meist ein bis zwei Mitsegler haben. Sie fühlen sich langsam auf dem Schiff unsicher, weil es immerhin schon 10 Jahre alt ist. Und Sie  möchten kein Schiff, das schwerer zu bedienen ist. Nachdem Sie nichts von technischen Problemen auf Ihrem Schiff berichtet haben, gehe ich davon aus, dass es in Ordnung ist.

Also, in diesem Fall würde mir die Entscheidung sehr leicht fallen: Ich würde das jetzige Schiff behalten, ja, ich würde vorerst nicht mal Geld investieren, wenn es nicht Anzeichen gibt, dass technische Probleme (Rigg) heranwachsen.

Es gibt nur wenige Gründe, die gegen diese Lösung sprechen, aber viele, die es angezeigt lassen, eben nicht auf Ihr "Wunschschiff" umzusteigen.

Zunächst einmal ist der Sprung von 28 auf 30 Fuß ja gerade einmal 60 Zentimeter. Klar, es würde sich optisch dennoch um ein deutlich größeres Schiff handeln, aber letztlich bewegen Sie sich in der gleichen Klasse wie bisher. Mit ihrer jetzigen Yacht scheinen Sie keine technischen Probleme zu haben, was Ihnen bei einem anderen Schiff jedenfalls nicht automatisch garantiert werden kann. Im Bootsbau ist es nämlich keineswegs so, dass man automatisch ein Qualitätsprodukt erwirbt, wie man es vielleicht bei einem Auto erwarten würde. Ist das Schiff technisch einwandfrei, hat man schon als Eigentümer ein gewisses Glück, wie Sie mit ihrem "alten" Schiff offensichtlich haben. Dies hängt übrigens nicht im wesentlichen mit der Marke oder mit der Werft zusammen. Es gibt für nahezu alle Werften - das gilt auch für die sogenannten Qualitätswerften -  negative Beispiele für deren Handwerkskunst. Sie scheinen da mit Ihrer alten Yacht etwas verwöhnt worden zu sein, nachdem sie nichts Gegenteiliges berichtet haben.

Apropos "alt": Da liegen Sie nun bestimmt daneben, wenn Sie Bedenken bezüglich des Alters Ihres jetzigen Schiffes bekommen. Es ist ja nur(!) 10 Jahre alt, damit hat es gerade mal 20% seines von mir erwarteten Lebensalters erreicht, befindet sich also in der Jugendzeit. Als es noch Holzschiffe gegeben hat, ging man von einer Lebenserwartung von vielleicht 50 Jahren aus, bei den heutigen Kunststoffschiffen sollte man ein ähnliches Alter erwarten, wenn das Schiff nicht modischen Trends geopfert wird.

In einem Punkt ist ihr "Traumschiff" allerdings deutlich "größer". Es wird mehr Technik oder Spielzeuge draufhaben und damit mehr Schwachpunkte. Gerade Sie, der Sie betonen, nicht praktisch veranlagt zu sein, sollten den Vorzug genießen, dass Sie keinerlei Probleme mit Ihrem jetzigen Schiff haben. Das kann mit sich mit dem nächsten Schiff schnell ändern, wobei technische Schwierigkeiten so quälend werden können, dass Ihnen auf längere Zeit die Segelei tüchtig vermiest werden würde.

Zu guter letzt sollten Sie auch ihre finanzielle Situation berücksichtigen: Es ist heute nicht leicht, ein Schiff zu verkaufen - Ausnahmen bestätigen die Regel. Schauen Sie mal in die YACHT-Seiten unter "Verkäufe" und dann suchen Sie zum Vergleich die paar Zeilen, wo jemand ein Schiff sucht. Ihr Schiff wird da noch nicht mal dabei sein. Also: Die 45 Tausend Euro, wie Sie Ihr Schiff einschätzen, müssen Sie erst mal realisieren. Da können Sie Glück haben und es in ein paar Wochen losschlagen  (natürlich nur gegen Cash), viel wahrscheinlicher ist es aber, dass dies dauert und dauert. Und da läuft Ihnen dann, denken Sie an Ihr Alter, die Zeit davon.

Ich denken, dass ich Ihnen mit dieser Antwort zigtausend Euro erspart haben, mit denen Sie sich noch einige Jahre schönen Segelns locker leisten können.

Mast- und Schotbruch!

Bobby Schenk

 

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