YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk antwortet


Lieber Herr Baier,

Du hast schon gemerkt, ich hab lange gezögert, Deine Frage zu beantworten. Denn mit "Psychologie" und so, da hab ichs nicht so. Was ist denn Psychologie anders als Anwendung von gesundem Menschenverstand?

Du siehst die Belastungen, die bei einer Weltumsegelung auf den Großstadtmenschen zukommen, nicht richtig. Die paar Wochen unterwegs sind sicher nicht die größte Geduldsprobe. Denn, wenn ein Schiff (und die Mannschaft) in Ordnung sind, dann laufen so Ozeanüberquerungen (sollten sie zumindest) planmäßig ab. In den Büchern finden sich oft Formulierungen wie "die Bordroutine hat uns wieder", was nichts anderes bedeutet, dass sich nun, nach dem Abfahrtstrubel alles wieder eingespielt hat und die Reise nunmehr ungetrübt verlaufen kann.

Was den hektischen Stadtmenschen (Dein Ausdruck) wahrscheinlich und erfahrungsgemäß viel mehr nervt, ist der Stress, so ein Schiff am Laufen zu halten, damit ist nicht die hohe See gemeint, sondern der Umstand, sich selbst, seine Mannschaft und sein Gefährt weit weg von Reparatur- und Versorgungsmöglichkeiten in Schuss zu halten. Denn das bedeutet echten Stress, nicht zum Handy greifen zu können, um mit der Werkstatt einen Termin zu vereinbaren, sondern zum Beispiel eine Ersatzteillieferung aus den USA durch den Zoll von Trinidad auf ein deutsches Schiff zu bekommen und wenn das nach drei Wochen geschafft ist (mit entsprechenden "Gebühren"), festzustellen, dass das Teil nicht passt.

Vor allem aber: Du musst den Kopf frei haben. Wenn man die Sorgen von zu Hause mit auf eine Weltumsegelung nimmt, dann geht es schief, denn dann wird es letztlich zu einer Flucht aufs Meer. Und, um irgendein Beispiel zu nennen, bei drückenden Schulden kann Dir kein Psychologe helfen, der schon gar nicht. 

Also, wenn man von bürgerlichen Sorgen unbelastet ist, steckt man die Tage auf See dagegen easy weg. Wenn das Wetter schlecht ist, dann kommt man schon gar nicht auf den Gedanken, man würde seelisch gestresst und wenn das Wetter gut ist, fast immer auf den klassischen Weltumsegelungsrouten der Fall, dann genießt man solche Ozeanfahrten mit Lesen und Nichtstun (vom Wachegehen und Kochen einmal abgesehen). Wie gesagt, das gilt für ein Schiff, das keine Probleme bereitet, also technisch o.k. ist.

Du siehst, es ist eigentlich ganz leicht: Wer "zu Hause" (in der Großstadt oder so) versagt, ein Looser ist, wird auch unterwegs verlieren. Und umgekehrt!

Der große See-Poet Bernard Moitessier, den ich mal in Tahiti getroffen hatte, meinte zu diesem Thema mal: "All yachtspeople are well balanced!" Präziser hätte er wohl sagen sollen: Alle Yachtsleute, die bis hierher nach Tahiti gekommen sind, haben es gelernt, ausgeglichen zu sein. Oder andersrum, in Deinem Sinne: Die See ist die beste Psychologin.

Also, wenn Du das Gefühl hast, dass Du "psychologische Vorsorgeüberlegungen" durchführen müsstest, gar noch die Hilfe dazu von Nichtseglern (seinen es auch "gelernte" Psychologen) brauchst, dann kann die Erkenntnis hieraus nur sein: Das ist nichts für Dich, lass es sein! 

lg

Bobby Schenk

 

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