YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk antwortet


Lieber Thomas Reese, 

eines vorweg: Es ist immer gefährlich, sich in ein Schiff zu verlieben. Da lässt leicht der Verstand aus. Und den sollte man schon einsetzen, wenn man eine fast dreißigjährige Kunststoffyacht kauft.

Grundsätzlich ist gegen eine solche Yacht, auch "gebaut in Taiwan", nichts einzuwenden. Die Yachten von damals hatten sogar manchmal den Vorteil, dass sie übermäßig stark gebaut waren. Man wusste damals noch nicht viel über diesen Baustoff und hat dann vorsichtshalber eben zu schwer gebaut. Gerade die Schiffe aus Taiwan waren nicht dafür bekannt, besondere Leichtgewichte zu sein.

Ich kenne das von Ihnen in Aussicht genommene Schiff nicht, kann mir es aber ungefähr vorstellen - siehe Bild. Kann also zu Typ und Werft nichts aussagen. Nur allgemein: Bei allen Kunststoffschiffen, nicht nur bei den älteren, gilt: Ein Problem könnte daraus entstehen, dass das Schiff Osmose hat oder bekommen wird. Bei der Entstehung dieser Yacht kannte man das Problem der Osmose noch nicht. Es war die Zeit, wo man noch von Blisterdesease, also von der Bläschenkrankheit gesprochen hat. Erst in neuerer Zeit beginnt man, dieses Problem in den Griff zu bekommen. Was nicht heißt, dass es keine Schiffe ohne Osmose gibt. Wenn ausgerechnet "Ihr" Schiff davon verschont geblieben ist, dann greifen Sie zu!

In jedem Fall sollten Sie das Schiff daraufhin untersuchen (lassen). Wenn schon einmal eine Osmosebehandlung durchgeführt worden ist, dann sollten Sie sich den Reparaturbericht zeigen lassen und gleichzeitig eruieren, ob der Reparaturbetrieb eine Garantie auf seine Arbeit gegeben hat. Bedenken Sie bitte vor allem eines: Kommt eine Osmosesanierung auf Sie später zu, dann können die Kosten hierfür einen großen Anteil am jetzigen Zeitwert der Yacht ausmachen.

Um festzustellen, ob das Schiff von Osmose "befallen" ist, muss das Schiff für mehrere Tage aufs Trockene und von einem Fachmann untersucht werden. Der wird auch den Feuchtigkeitsgehalt des Kunststoffs messen. Stellt er dann anschließend fest: "Weder in der Vergangenheit, noch in der Zukunft Probleme mit Osmose" - ja, dann greifen Sie zu! Also verzichten Sie ja nicht darauf, das Schiff vor dem Kauf aus dem Wasser zu holen!

Dass sich der Fachmann auch das Rigg anschaut, ist selbstverständlich. Und wenn er auch dazu sein o.k. gibt, umso besser. Jedenfalls kann man allein auf Grund des Alters weder beim Kunststoff noch beim Rigg Abstriche machen. Von der Stärke und vom Baustoff - Nirosta und GfK - her ist gegen Bauten aus den späten 70ern Jahren nichts einzuwenden.

Ich bin ein großer Freund des Kutterriggs. Wenn alles andere in Ordnung ist, können Sie sich dazu besonders beglückwünschen. Die Variierungsmöglichkeiten in der Segelführung bei dieser Art von Takelage bieten bei langen Ozeanpassagen große Vorteile gegenüber dem reinen Sloop-Rigg!

Wahrscheinlich sind sie auch deshalb von diesem Schiff begeistert, weil Sie die Holzarbeiten (für die Taiwan bekannt ist) "anmachen". Doch Vorsicht, lassen Sie sich dadurch nicht blenden! Wenn Sie später auf weltweite Törns gehen, werden Sie noch feststellen, dass Holz nicht nur Vorteile hat (Pflege, Hitzeempfimdlichkeit, Gewicht). Aber das wären für mich zweitrangige Nachteile. Und welche Geliebte ist schon perfekt?

Für die Zukunft auf dem Wasser wünsch ich jedenfalls Mast- und Schotbruch!

Bobby Schenk

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