YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Hallo Herr Hardt,
Sie machen schon alles richtig und
ich wäre froh, wenn auf den Ankerplätzen nur Yachtsleute unterwegs wären, die
es so genau nähmen wie Sie.
So
unlogisch es klingt, aber es gibt zahlreiche - meist unerfahrene - Skipper, die
ihren Anker auf Grund "legen" - anders kann man es gar nicht ausdrücken - und
merkwürdigerweise fest daran glauben, ihre Yacht sei damit sicher verankert.
Oft benutzen sie dabei noch die viel bequemere Ankertrosse und sind befriedigt,
wenn soviel Platz zum Schwojen vorhanden ist, dass sie dreimal soviel Leine
geben können, wie die Wassertiefe beträgt. So, wie sie es eben gelernt haben,
als sie sich auf irgendeine Scheinprüfung vorbereitet haben. Und natürlich
kennen sie auch den Unterschied zwischen Vermuren und Verkatten, wobei es ihnen
kaum in den Sinn kommt, den Sinn dieser Manöver zu erfragen, obwohl sie sie in
natura noch nie erlebt haben.
Es trifft sich gut, dass unter diesen Skippern nur
wenige Yachteigner sind, dafür umso mehr Charterskipper. Wobei ich
selbstverständlich nicht alle über einen Kamm schere. Irgendwie logisch: Wenn
eine Yacht plus Anker über den Grund schliert, dann besteht in unseren Breiten
kaum je Gefahr für die Mannschaft, höchstens fürs Schiff, doch die paar
Schrammen gehen meist in der Kaution unter, und schließlich gibt es
dagegen auch eine Versicherung!
Ankern ist keine Kunst, sondern
ein Handwerk, bei dem man - wie fast alles, was sich in der Natur abspielt -
keine hundertprozentige Garantie hat, dass es unter allen Umständen auch
funktioniert. Zu viele Unwägbarkeiten spielen beim Ankern eine Rolle, sei es der
Ankergrund, das Wetter, das Material oder auch menschliche Unvollkommenheit im
Abschätzen der Gegebenheiten. Man kann nur versuchen, und das ist dann die so
schwer zu definierende "Seemannschaft", das Ankern so sicher zu
gestalten, wie nur irgendwie möglich. Regeln wie "dreifache
Kettenlänge" (in der Praxis meist ohnehin zu wenig!) können hierbei
nur Anregungen, Hilfen sein.
Nehmen wir als Beispiel
"Ihren" CQR-Anker. Über viele Jahrzehnte hinweg, galt diese Erfindung
aus England (dort ist der Ankergrund häufig weicher Schlick), als synonym für
einen zuverlässigen Anker. Und so ist er auch auf den meisten Fahrtenyachten
"zu Hause" - siehe Foto oben.
Was aber speziell bei diesem
Ankertyp übersehen wird: Der gute CQR kann seine Halteleistungen nur dann
bringen, wenn er sich auch eingräbt. Und wie Sie ja sehr genau beobachtet
haben, tut er das nicht immer. Wenn er sich aber eingegraben hat, sind seine
Halteleistungen beeindruckend, was ihm auch den Ruf des "zuverlässigen
Universalankers" eingetragen hat.
Aber:
Ob er sich eingräbt, hängt neben der Flunkenform - logisch - von der
Grundbeschaffenheit und, das wird vielfach übersehen, vom Verhältnis des
Ankergewichts zur Härte des Grundes ab. Gerade beim CQR wird deutlich, dass
eine lineare Zuordnung des Ankergewichts zur Schiffsgröße nicht richtig ist.
Entsprechend den Empfehlungen der damaligen Literatur habe ich auf meiner
Weltumsegelung auf einer 10-Meter-Yacht einen CQR mit 35 (englischen) Pfund
mitgeschleppt. Zu meiner großen Verwunderung habe ich, wie Sie ja auch,
besonders im Mittelmeer häufig erlebt, dass sich der Anker trotz endloser
Rückwärtsfahrten nicht eingegraben hat - und damit nutzlos war. Dies hat dem
CQR auch den Ruf eingebracht, dass er auf Grund mit Sandgrasoberfläche ein
Versager ist. Konsequenz hieraus kann nur sein: Schwererer CQR oder anderer
Ankertyp! Da man aber einen vorhandenen CQR nicht einfach mal so schwerer machen
kann, bleibt nur ein anderer Anker, und wenn so einer nicht vorhanden ist, dann
kann die Yacht auf dem gegebenen Ankergrund nicht vor Anker gelegt werden.
Dies ist auch der Grund, warum
zahlreiche Langfahrtyachten, sich nicht mit einem Ankertyp begnügen, sondern
häufig eine ganze Reihe von Ankern - trotz ihres Gewichts - vorsichtshalber
mitschleppen.
Doch,
es gibt eine Methode, einen CQR (oder auch Pflugscharanker) schwerer zu machen:
Jahrelang ist dies so als eine Art Geheimtipp gehandelt worden: Man lässt die
Spitze der Flunke mit Blei ausgießen und erhöht so das Gewicht des Ankers und
damit den Druck auf den Ankergrund. Dass aber auch andere Ankertypen, ja selbst
der hochgelobte Spade-Anker mit derartigen Problemen zu kämpfen haben, zeigt
nebenstehendes Foto, auf dem zu sehen ist, dass auch dieser Anker mittels Blei
schwerer gemacht wurde.
Eine Grundregel beim Ankern lässt
sich aufstellen: Ein Anker kann nur dann entsprechend seiner Konstruktion die
gewünschte Haltekraft entwickeln, wen er sich auch eingräbt. Und um dies
sicherzustellen, muss er in den Grund gefahren werden. Was Sie ja ohnehin tun.
Wer dies unterlässt, spielt russisches Roulette. Denn häufig scheint es
zunächst nur, dass sich der Anker in den Grund gegraben hat. Bei wenig Zug auf
der Kette ergeben Seitenpeilungen, dass die Yacht sich nicht vom Fleck bewegt.
Wer aber sagt uns denn, ob der Anker nicht am Seegras hängt, oder sich hinter
einem Stein verhakt hat? das kann nur dadurch nachgeprüft werden, wenn auf die
Kette der Zug kommt, der auch bei viel Wind, oder gar bei Sturm zu erwarten ist.
Und das lässt sich nun mal nur per Rückwärtsfahrt mit der Maschine (Vollgas,
zumindest Marschfahrtdrehzahl für eine Minute oder so) feststellen.
Warum aber kann man auf
Ankerplätzen so häufig beobachten, dass die Besatzung sich davor scheut, den
Anker mit Kraft in den Grund zu fahren? Es gibt eigentlich nur die Erklärung,
dass man davon ausgeht, der Anker würde schon halten und man würde ihn per
Maschine wieder rausreißen. Dazu sollte man wissen: Wenn es auf dem Ankerplatz
anfängt, wirklich zu blasen, dann kommen - in Verbindung mit dem entstehenden
Schwell - auf den Anker Zugkräfte, die mindestens(!) der Kraft entspricht,
die mit "Maschine voll zurück" erzeugt wird. Andersrum: Wenn mit der
Maschine der Anker "rausgerissen" wird, dann passiert das mit großer
Sicherheit auch, wenn schlechtes Wetter aufkommt - nach dem Gesetz von Murphy
ist es dann aber nachts und stockfinster.
Was aber tun, wenn sich ein Anker
trotz geduldigem vielfachen Rückwärtsfahren nicht eingräbt? Es gibt da wenige
Möglichkeiten. Man kann den Ankerplatz verlassen oder eben einen anderen Anker
einsetzen. In "Ihrem" Fall würde ich es - soweit vorhanden - mit dem
Bügel oder dem Danforth versuchen. Letzterer ist dafür bekannt, dass er sich -
vor allem in Sand - schnell eingräbt und dann bei der Haltekraft seine
großflächigen Flunken ausspielt. Zweifellos hat der Danforth Pate gestanden
bei den sogenannten Leichtgewichtsanker aus Aluminium. Ihr geringes Gewicht ist
beeindruckend, aber nur auf Grund ihrer scharfen Flunken können sie auf mehr
Gewicht verzichten.
In
der Großschifffahrt werden übrigens Ankertypen gefahren, die sich auf Yachten
in "unserer" Größe kaum finden. Warum?
Weil diese Anker in yachtüblicher
Größe einfach viel zu leicht wären, um sich in den Meeresgrund zu graben.
Wobei auch die Selbstverständlichkeit in Rechnung zu ziehen ist, dass der
Ankergrund immer gleich bleibt, unabhängig davon, ob eine Drei-Tonnen-Yacht
oder ein mächtiger Dampfer auf ihm ankert. Beim Hauptanker des
Luxus-Passagier-Schiffes MS Europa (siehe Bild) kann man sich zum Beispiel
nicht vorstellen, dass der sich nicht sofort eingräbt, wenn Zug auf die Kette
kommt. Hier übrigens auf einem Ankergrund, auf dem sich der Pflugschar schwer
tun würde.
Es kommt also beim Ankern auch
entscheidend auf die Beschaffenheit des Ankergrundes an. Trotz unserer modernen
Technik haben wir kein Instrument an Bord, das uns das anzeigt (die Angaben in
der Seekarte sind häufig nicht präzise genug). Da sieht man, wie arm wir
moderne Menschen zum Teil geworden sind. Die Altvorderen kannten die
Grundbeschaffenheit des Ankergrundes. Denn am Ende ihres Wurflotes klebten sie in der Vertiefung
am Ende des Lotkörpers beispielsweise Teer (heut würden wir Kaugummi nehmen) und kannten so
an dem hängengebliebenen Material den Grund. Das war die Lotspeise. Aber wer
hat heute noch so ein leistungsfähiges Instrument an Bord?
Mast- und Schotbruch!
Bobby Schenk
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