YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Hallo Herr Dumke,
es gibt wohl keine
"beliebtere" Frage unter den deutschen Wassersportlern als die nach der
Berechtigung von "Scheinen". Meine Meinung dazu ist etwas gespalten.
Einerseits hasse ich
Scheinsysteme. Weil sie allzuoft dazu dienen, andere Menschen zu unterdrücken,
ja zu majorisieren. Es ist kein Zufall, dass man unter den Schein-Lehrern und
vor allem unter den Schein-Prüfern gelegentlich, bei weitem nicht immer,
Mitmenschen trifft, die in anderen Berufssparten versagt haben, und hier
Erfolgserlebnisse nachholen oder Machtgelüste ausspielen wollen, zum Leidwesen
und Demütigung derer, denen sie ausgeliefert sind. Denn, was tut man nicht
alles, um endlich an einen "echten Schein" - welch ein Widerspruch in
sich selbst! - heranzukommen.
Andererseits will ich doch den
Segelscheinen Einiges zu Gute halten. Sie, vor allem die Ausbildung zu den
Prüfungen, zwingen einen dazu, sich mit der Materie viel intensiver auseinander
zu setzen, als man es täte, wenn es nur darum ginge, "mal so"
loszusegeln. Denn, darüber sind sich Praktiker wohl einig: Segeln bei
Windstärke zwei bis drei im Hochsommer auf dem Starnberger See ist ein
Kinderspiel (wenn man mal vom Ablegen absieht). Es kann einfach nichts
passieren, so dumm man sich auch anstellt. Man kommt, je nach Segelstellung,
irgendwie vorwärts, mehr oder weniger schnell. Die größte Gefahr dabei ist
wohl, dass man sich eine Beule am Kopf oder einen Sonnenbrand holt.
Ganz anders sieht es aus, wenn man
sich echt mit der Natur messen möchte. Dann gilt es, sein Schiff zu beherrschen
und unter Abwägung zahlreicher Faktoren Entscheidungen zu treffen, um sich
nicht in Lebensgefahr zu bringen. Es sind dies dann aber auch Momente, wo es gut
ist, auf Wissensgrundlagen aufbauen zu können, die einem zu Beginn als
nebensächlich oder gar absurd erscheinen. Nehmen wir Ihr Beispiel: "Eigenschaften
von Verdränger, Gleiter, Halbgleiter?" Was schadet es denn, wenn Sie in
der Lage sind, die Geschwindigkeit von Motorbooten als Kollisionsgegner
abzuschätzen? Oder wenn Sie auf Grund der Rumpfform bei einem Schiffskauf (oder
Beibootkauf) sich die richtige Motorisierung überlegen können? Also, so ganz
daneben sind diese Fragen nicht.
Hinzu kommt: Segeln ist eine Art
zu leben. Das ist kein Hobby, das man am Samstagnachmittag zwischen drei und
fünf Uhr betreibt und dann wie die Golfschläger in die Ecke stellt. Nahezu
alle Fahrtensegler, die ich kenne, sind Intensivsegler, das heißt, für sie ist
Segeln ein Teil ihres Lebens. Um in diese Szene einzudringen, reicht es nicht,
so mal eben einen Schein zu machen, um Segler zu werden, so wie der
Führerschein Klasse drei (nach alter Rechnung) aus einem Menschen einen
Autofahrer macht.
Ein "richtiger" Segler
muß in die Materie eindringen. Und hierzu ist wieder Voraussetzung, dass man
sich damit intensiv beschäftigt. Was schon mit der Führerscheinvorbereitung
beginnt. Darin sehe ich den wesentlichen Vorzug eines Segelscheins.
Weil Sie mich schon nach meiner
eigenen (Segel-) Vergangenheit befragen: Neben dem ersten Schiff (einem
Jollenkreuzer auf dem kleinen Waginger See) haben meine Frau und ich den
A-Schein erworben, wobei ich mir die ersten Grundkenntnisse angelesen habe. Zu
meinem Glück bin ich dann auf ziemlich einzigartige Segelkurse aufmerksam
gemacht worden, nämlich die sogenannten "Sailer-Kurse" in München,
die ein großer Mann (von Statur eher klein) namens Karl Sailer
uneigennützig(!) betrieben hat. Für 30 Mark (!!!) konnte man den Winter über
sich dort auf den B-Schein, den K-Schein oder gar den C-Schein (so schwierig,
dass er damals in der YACHT schon mal als "Ritterschlag" bezeichnet
worden war) vorbereiten - so
hießen damals die Scheine des DSV, staatliche Scheine, also Pflicht-Scheine,
gab es in dieser herrlichen Zeit nicht. In diesen Kursen habe ich speziell von
diesem Karl Sailer, von Beruf ein erfolgreicher Statiker, Wissen vermittelt
bekommen, von dem ich heute noch, auch in meinen Büchern, zehre. Vor allem
aber: Ich bin in die Szene reingekommen, und die C-Scheinprüfung war nur
äußerlicher Abschluss eines Lernganges.
Eben durch diese Kurse angeregt,
wurde aus dem Hobby mein Segel-Leben, wobei ich große praktische Erfahrung erst
durch ausgedehntes Segeln, auch auf Charterschiffen erworben habe. (Das würde
ich auch jedem Anfänger ans Herz legen: Mitsegeln auf Hochseeyachten, nur dort
lernt man das Segeln wirklich.) Aber, um diese praktischen Erfahrungen richtig
verarbeiten zu können, das spürte ich immer, war das in den Sailerkursen
erworbenen theoretischen Wissen Voraussetzung. Mit diesen so gewonnenen
Erfahrungen (plus C-Schein) ging es dann auf Weltumsegelung.
Ein Resumee nach vierzig Jahren
erlaube ich mir: Ich hab nachträglich das Gefühl, dass ich alle - damals
scheinbar theoretischen - Vorkenntnisse irgendwann in der Praxis gebraucht habe.
Nur eine einzige Frage aus dem
Sailer-Kurs hab ich noch nie benötigt und wurde noch nie danach befragt:
"Was ist ein Lochlaibungswiderstand?" Aber immerhin, ich könnte es
beantworten und es wäre doch peinlich, wenn man dann sagen müsste: "Das
weiß ich nicht!".
Also hatte die Frage dann doch
eine Daseinsberechtigung.
Mit freundlichen Grüßen
Bobby Schenk
zur
Home-Page
Page by Bobby Schenk
E-Mail: mail@bobbyschenk.de
URL of this Page is: https://www.bobbyschenk.de/quest/f200.html
Impressum und Datenschutzerklärung
|