YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Sehr geehrter Herr Flückger,
man könnte sich die Planung einer
Weltumsegelung (ich geh mal von der auf der Passatroute aus) recht leicht machen: Einfach im
Herbst auf
den Kanaren einfinden und sich bei den anderen - hunderten - Yachten erkundigen,
wie es weitergeht!
Ich
bin überzeugt, dass Sie mit dieser "Planung" gar nicht so schlecht fahren
würden. Die Zeiten, wo man sich mit einer halben Bibliothek an Unterlagen -
Seekarten, Hafenhandbücher, sonstige Literatur (Ocean Passages for the World,
Pilot Charts) für einige Tage in Klausur begeben hat, sind vorbei. Damals hatte
man so gut wie keine mündlichen Hilfestellungen, die spezielle Literatur, auch
in Englisch, war noch recht dünn und Internet gab es nicht, sodass man sich die Planung richtig erarbeiten
musste.
Heute
ist es ganz anders, Sie brauchen das Rad nicht mehr erfinden! Auf den üblichen Ankerplätzen treiben sich jede Menge
Segler rum, die bereits entsprechende Erfahrungen gesammelt haben und die mit
aktuellen Tipps weiterhelfen können. Man trifft gar Yachties, die genau aus der
Zielrichtung kommen, und deren Informationen sind meist besser als das
aktuellste Material. Würde man sich statt deren Wissensvorsprung zu nutzen, mit
dem eigenen Papierwissen weiter westwärts (meist!) bewegen, verlöre man einen
enormen Wissensvorsprung.
Trotzdem seien da ein paar
Einschränkungen angebracht. Nicht alle Tracks, auf der sich die Karawane der
Weltumsegler bewegt, sind optimal. Beispiel Rotes Meer! Wie selbstverständlich
ziehen hunderte von Blauwasseryachten durch diese ja nicht gerade harmlosen
Gewässer, ohne lang zu fragen, ob es hierzu nicht bessere Alternativen gibt. Es
ist halt der kürzeste Weg, seine Weltumrundung zu vollenden. Ich darf daran
erinnern, dass der große Eric Hiscock bereits zwei Weltumsegelungen hinter sich
gehabt hat - beide um das Kap der Guten Hoffnung - bis er sich zögerlich an das
gefürchtete Rote Meer - sozusagen als Höhepunkt seiner Fahrtenseglerkarriere -
gewagt hat. "Eric, das musst Du einmal im Leben hinter Dich bringen!",
schrieb er in sein Buch über die Circumnavigation mit der WANDERER III.
Einen
ganz guten General-Überblick über die "verschiedenen" Routen um die Welt
bekommen Sie, wenn Sie auf dieser Homepage unter der Rubrik
Who-is-Who
die Routen der rund dreißig Weltumsegler nachlesen. Sie werden wohl dabei
feststellen, dass sich die Routen scheinbar(!) ähneln. Das heißt aber noch
lange nicht, dass sich die Yachten alle auf den gleichen Stellen aufgehalten
haben. Manche Kritiker (Neider) tun ja so, als ob es rund um die Erde nur eine
schmale Straße für Yachten gäbe. Bedenken Sie bitte, dass zum Beispiel allein
schon das Meer von Französisch Polynesien die Größe von annähernd Europa
abdeckt! Es ist also durchaus möglich, dass alle Yachten die durch die Tuamotus
segeln, jede einen anderen Platz besucht. Sie werden auch feststellen, dass
angeblich "selten angelaufenen" Plätze vielfach schon mal vor 20 oder
30 oder 100 Jahren (Jack London segelte schon Anfang des 20.Jahrhunderts mit
einer Yacht in Französisch Polynesien herum) unter Blauwassersegler IN waren.
Also, Sie sind ziemlich frei in
Ihrer Planung und brauchen auf keinen Fall eine Weltreise vor Beginn in allen
Einzelheiten durchzuplanen. Eines aber soll und darf man nicht außer Acht
lassen, und das sind die Hurricane-Zeiten. Klar, heut gibt es natürlich tolle
Segler, die sich nicht darum scheren und meistens passiert ihnen auch nichts.
Aber das ist vergleichbar mit einem Autofahrer, der bei ROT über die Kreuzung
fährt. Wenn der ohne Zusammenstoß die andere Seite der Kreuzung erreicht,
beweist das sicher nicht die Richtigkeit seines Verkehrsstils.
Seemännisch gesprochen geben die
Hurricanes jede Planung um die Welt (auf der Passatroute) vor. Glücklicherweise
halten sich die tropischen Orkane an ihre Jahreszeiten. Meistens
jedenfalls. Doch hat man schon auf der "harmlosen" Strecke nach
Westindien zur "Unzeit" Hurricanes erlebt - siehe die Amerikanischen
"Pilot Charts", wo zalreicher Hurricanetracks mit Datum eingetragen
sind.
Zudem
- ich hab mich lange dagegen gewehrt, dies als Realität anzuerkennen - sind auf
Grund der Klimaverschiebung die tropischen Orkane häufiger und unregelmäßiger
geworden, was man bei seiner Planung auch berücksichtigen sollte. Früher hat
man sich gesagt: Wenn man sich schon während der Hurricane-Zeit in dem
betreffenden Gebiet aufhält, darf man es nur,
wenn man im Notfall eine Zufluchtsmöglichkeit in einem sogenannten
Hurricane-Hole hat. Man bedenke aber, dass derartige Fluchtorte heute
meist hoffnungslos, vor allem bei einem angekündigten Orkan, überfüllt sind. Und außerdem: Sie gewähren garantiert
dann keinen Schutz mehr, wenn einer der Superorkane der letzten Jahre direkt
über sie hinwegzieht. Die Natur kann unbarmherzig zuschlagen.
Auch
heute noch unerlässlich zur Planung sind wenige Bücher. Eines ist ein Muß, und wenn es nur zum Träumen ist: Ocean Passages for the
World. Gute Begleiter für unterwegs
sind die Pilot Charts, die für jede Gegend während der Überfahrt die
wahrscheinlichen Wind-Geschwindigkeiten und Richtungen angeben, sowie die
Sturm- und Flauten-Häufigkeit. Es ist ein schönes Gefühl, in ein Quadrat
hineinzusegeln, wo weder Stürme noch Flauten vorhergesagt werden.
Vor allem aber empfehle ich Ihnen,
"passives" Mitglied bei der SEVEN SEA CRUISING ASSOCIATION (SSCA -
www.ssca.org) zu werden. Sie können sich für viele Jahre zurück gesammelte
Berichte von sehr erfahrenen Langfahrtseglern (Bulletins) kommen lassen, in
denen praktisch jeder schöne Blauwasserspot ausführlich beschrieben ist. Dies
war für uns - und ist es heute noch - die beste und zuverlässigste
Informationsquelle.
Ein letzter (ganz persönlicher)
Rat, wenn Sie um die Welt segeln wollen. Sehen Sie zu, dass Sie so schnell wie
möglich in den Pazifik kommen. Da gehts erst so richtig an!
Dazu wünsch ich Ihnen
Mast- und Schotbruch
Bobby Schenk
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