YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Hallo,
ja, Sie haben recht! Verkäufer neigen
gelegentlich dazu, einem unkritischen Interessenten mit Scheinargumenten zum
Kauf zu überreden. Das ist deren Beruf und nicht jemanden was Gutes zu tun.
Heute ist es leicht, einem Laien irgendein Ding aufzuschwätzen, wenn man auf
der Ausstellung oder im Verkaufsraum sich so einen Kasten vorführen lässt, und
nicht auf einem Schiff auf hoher See. Denn da würde man viel eher erkennen, was
man unbedingt beim Radar benötigt. Auf dem Trockenen hingegen lässt sich
vorzüglich mit den Knöpfen spielen und dem zukünftigen Navigator einreden,
was er alles braucht und wie wichtig die einzelnen Spielereien an einem solchem
Gerät sind. Denn die dazugehörige Software ist allzu häufig eine Spielwiese
für Programmierer, die nicht unbedingt mit der Navigation was zu tun haben. Das
gilt allerdings nicht für jede Herstellerfirma.
Als erstes würde ich Ihnen raten, sich bei den
Profis kundig zu machen. Profis sind meistens die Fischer, die nämlich so ein
Gerät nicht zum Spielen, sondern in erster Linie dazu haben, um sicher Ihren
Lebensunterhalt verdienen zu können. Sie werden auf den kleinen Fischerbooten
vor allem Radargeräte einer japanischen Firma vorfinden. Ganz grob kann gesagt
werden: "Damit sind auch Sie bestens bedient!" was Service,
Zuverlässigkeit und Ausstattung anbetrifft.
Zunächst einmal ist die Reichweite und die
Auflösung das Wichtigste Kriterium bei der Anschaffung eines Radars. Für eine
Yacht kommt kein Radargerät in Frage, wie es die Großschifffahrt auch benutzt,
selbst wenn Sie es sich leisten könnten. Der Grund liegt in der Größe der
Antenne. Das Hauptproblem beim Radar generell ist ja die Frage: "Wohin mit
der Antenne?" Und je größer diese ist, oder ob sie gar
offen ist (wie in der
Berufsschifffahrt üblich), umso schwieriger ist die Anbringung auf einer
Segelyacht. Man wird hier immer einen Kompromiss schließen müssen zwischen
Leistung und Größe. Aber generell kann gesagt werden, dass eine Reichweite von 24
Seemeilen für eine Yacht ausreichend ist, und wenn man sich das nicht leisten
kann, dann tuen es auch 16 Seemeilen.
Die Wirkungsweise eines Radargerätes, und zwar
bei allen unabhängig von Größe und Preis, ist leicht erklärt: Ein Sender
sendet elektronische Impulse, die von Objekten in der Umgebung reflektiert, also
zurückgeschickt werden. Der in das Radargerät integrierte Empfänger fängt
die reflektierten Impulse auf, berechnet (intern) die Entfernung zum Objekt und
bildet dann die Echos auf einem Bildschirm ab. Es gibt also zum Beispiel
genau genommen kein "Farbradar", sondern lediglich die Darstellung auf
dem Bildschirm erfolgt je nach Intensität des Echos in gewissen vorgegebenen
Farben. Dass man heute mit den Hochleistungs-Prozessoren hier eine Menge
Spielereien anstellen kann, liegt auf der Hand. Die Frage, die Sie ja stellen,
ist nur, ob sich hierfür der Mehrpreis lohnt, ob wir Yachtsleute in der
normalen Bordpraxis einen Vorteil für die Navigation haben. Dass die Spielereien
am Bildschirm Spaß machen, will ich ja gar nicht bestreiten, aber dafür eignen
sich dann Computerspiele für 50 oder 70 Euro schon besser,
Jedes Radar verfügt über eine Anzahl von
verschiedenen Bereichen, also zum Beispiel angefangen von einer viertel Seemeile
bis 24 Seemeilen. Und damit eine Möglichkeit, den Abstand zum Schiff bestimmen
zu können - übrigens auf rund 50 Meter genau! Weiter wird jedes Radargerät
ausgestattet sein mit einer Seegangs-Enttrübung, einer Abstimmung (eventuell
automatisch) und einer regelbaren Verstärkung. Und damit hab ich eigentlich
schon alles beisammen, was ich zur Kollisionsvermeidung und
Navigation benötige.
Darüber hinaus haben fast alle Yachtradars einen
einstellbaren Gefahren-Sektor oder -Zone, also eine Möglichkeit, einen Alarm zu erzeugen,
wenn das Radargerät in einem frei wählbaren Bereich Bereich (zum Beispiel Alles zwischen 2 und 3 Seemeilen) ein Echo ortet. Vor allem bei kleiner
Mannschaft ist dies eine Hilfe (aber mehr nicht!), wenn der Schirm nicht
fortlaufend beobachtet werden kann. Aber Achtung: Eine Garantie, dass jedes
Objekt im eingestellten Bereich einen Alarm auslöst, ist dies nicht. Befindet
sich beispielsweise ein Objekt im Radarschatten des Mastes, dann kann das
Radargerät dieses Objekt nicht "sehen" und also auch keinen Alarm
schlagen,
Ein sehr nützliches Zubehör bei einem Radar
ist, ist die Möglichkeit, das Radar im Standby-Modus
mir sehr geringem Stromverbrauch zu fahren, wobei es sich
automatisch in regelmäßigen Zeitabständen in den Sende-Modus schaltet, den
Alarmsektor nach einem Hindernis absucht, um dann wieder in den Standby-Modus zu
entschlummern. Der Stromverbrauch eines Radargerätes heute ist zwar gegenüber
den alten Röhrengeräten vor 20 Jahren entscheidend reduziert worden, trotzdem
frisst die kreisende Antenne mit dem Sender genügend Energie, um die Batterien
ähnlich wie ein elektrischer Ruderautomat zu belasten, während im Standby-Modus der
Stromverbrauch nur einen Bruchteil davon beträgt. Außerdem spart man sich im
Standby-Modus die meist eine Minute dauernde Aufwärmzeit
des Radars, ie die meisten Geräte nach dem Einschalten benötigen, um
einsatzbereit zu sein - was eine große Beruhigung darstellt, wenn man sich
mitten im Schiffsverkehr befindet.
Durch die erwähnte Schaltung lässt sich der
Gesamtstromverbrauch auf ein erträgliches Maß reduzieren. Es ist wie ein
zusätzliche Mann, der in regelmäßigen Zeitabschnitten nach draußen geht und
einen Rundumblick durchführt. Aber, wie oben gesagt, ein hundertprozentiger
Verlass auf diesen Rundblick ist fehl am Platze. Vor allem schwache Objekte
geben nicht bei jedem Antennenumlauf eine Echo auf dem Radarschirm, sodass der
Rechner das Objekt in der Einschaltperiode möglicherweise nicht wahrnimmt, und
somit auch keinen Alarm geben kann.
Ja, und was ist nun mit all den schönen
Spielsachen wie unterlegte Seekarten, Fotos und weiteren
Informationseinblendungen zur "Landschaft" um das Radar herum? Ich sag
es ganz offen: Wenn man nicht ständig im selben Revier herumfährt, also die
Yacht nur als tolles Spielzeug betrachtet, stehe ich Plottern recht kritisch
gegenüber. Sie können nicht mehr als ein normal ausgebildeter Navigator auch
kann, ja verführen gerade dazu, mit den Knöpfen herumzuspielen, statt sich der
eigentlichen Navigation zu widmen. Sie verdecken allzu leicht den Blick aufs
Wesentliche. Und das gilt dann erst recht für aufs Radarbild eingeblendete
Kartendarstellungen. Diese zusätzlichen Kosten kann man sich getrost sparen.
Gleiches gilt für farbige Darstellungen. Das einzige "feature", was
ich noch gerne hätte, wäre ein Bildschirm, auf dem sich das Bild
"einfrieren" lässt. Gelegentlich geben schwache Objekte nämlich nur
bei jedem x-ten Antennenumlauf ein brauchbares Echo ab. Wenn man dann
reaktionsschnell dieses Echo samt Bild "einfrieren" kann, lassen sich
die Gegebenheiten - Abstand und Richtung zum Objekt in Ruhe auswerten.
Statt also Geld für irgendwelche Spielereien
auszugeben, sollte man sich überlegen, zusätzlich(!) für ein paar hundert
Euro einen AIS-Empfänger anzuschaffen. Denn dessen Aussagen tragen mehr zur
Sicherheit der Navigation bei als bunte Bildchen auf dem Radarschirm. Ein Ersatz
fürs Radar, der leistungsfähigsten Navigationselektronik, ist er allerdings
bei weitem nicht - siehe hier.
Grüße
Bobby Schenk
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