YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Hallo Herr Dr. Steiner,
ja, ich halte einen solchen Standard für normal!
Und viele zigtausend andere Segler auch. Gehen Sie doch mal über eine große
Bootsausstellung und checken Sie das Angebot! Die dortigen Aussteller bringen
Ihre Exponate, vielfach Hochseeyachten weit über "8 oder 9 Meter Länge",
ja nicht aus Spaß mit enormen Kosten auf die Ausstellung, sondern weil sie auf
Grund der Marktsituation davon ausgehen, dass sie sie auch an den Mann bringen.
Es gibt also zigtausende Interessenten für Fahrtenyachten über "8 oder 9 Meter
Länge".
Was mich generell an der Fahrtensegelei immer
schon begeistert hat, ist die Toleranz untereinander. So freu ich mich für jemand, der sich
eine 20-Meter-Yacht - im Gegensatz zu mir - leisten kann, obwohl ich, für mich
persönlich, eine solche Anschaffung nicht in Betracht ziehen würde, selbst
wenn ich die Millionen hierfür hätte. Ich freu mich auch für Leute, die sich
hundert Meter Yacht mit zehnköpfiger Crew leisten können und ihren Spaß dabei
haben. Warum nicht, wenn es nicht auf Kosten anderer geht?
Ich
beneide aber auch den über 70-jährigen (geschätzt!) schwedischen Sportsfreund
auf den Fotos, der mit einer Yacht um die Welt unterwegs ist, weil er
offensichtlich sportlich genug ist, sich mit einem solchen Winzling über
die Ozeane traut. Das müsste doch auch für Sie was sein - die
"Yacht" steht für weniger als 15000 Dollar - nicht Euro - zum
Verkauf.
Was ich damit sagen will: Man sollte jedem
Einzelnen die Freiheit zubilligen, eigene Maßstäbe festzusetzen. Und das
persönliche Maß wird sich auch nach der Zeit richten. Ein Beispiel: Wir
schreiben das Jahr 2008 und so hat praktisch jede Fahrtenyacht einen
Einbaumotor. Aber ist der unbedingt nötig? Ja, heute schon, da werden Sie mir
vielleicht zustimmen! Noch vor ein paar
Jahrzehnten, Mitte des letzten Jahrhunderts galt: Eine Segelyacht braucht keinen
Motor und wennschon ausnahmsweise, dann einen Flautenschieber. Aus dem
"Flautenschieber" ist heute ein vollwertiger Antrieb geworden, der der
Segelyacht die gleiche Geschwindigkeit unter Maschine verleiht.
Ein
wenig drängt sich bei Ihrem Schreiben mir der Verdacht auf, dass Sie die
Problematik durch die Eurobrille zu betrachten. Und das halte ich für
unpassend. Achten Sie doch mal auf den Autoverkehr: Dort
finden Sie Autos in der Neuwagen-Preisklasse von 15 Tausend Euro, aber auch von
100 Tausend Euro. Letztlich leisten beide Autos dasselbe und auch hier könnte
man die (sinnlose) Frage nach der Notwendigkeit stellen. Einen Schritt weiter:
Offensichtlich ziehen Sie die Grenze (der Notwendigkeit) bei den Acht- oder
Neun-Meter-Yachten. Als ich mit dem Segeln begonnen hab, waren solche Schiffe
weit außer meiner finanziellen Reichweite und wenn mir Jolleneigner gegenüber jemand solche
Yachten als "notwendige Größe" bezeichnet hätte - ja, den hätte
ich mit meinem damaligen jugendlichen Selbstverständnis als größenwahnsinnig
eingeschätzt.
Es kommt halt immer auf den Standpunkt an. Man
hüte sich auch generell davor, beim Fahrtensegeln Attribute wie
"notwendig" oder "übermäßiger Luxus" zu verteilen. Ich
betrachte zum Beispiel auf Langfahrt durch die Tropen einen (funktionierenden)
Kühlschrank als "absolut notwendig", schließlich gibt es selbst in
unserer kalten Gegend keinen Haushalt ohne Kühlschrank. Andere lassen einen
Langtörn am Fehlen eines solchen Ausrüstungsgegenstandes nicht scheitern. Die
bewundere ich wegen ihrer Fähigkeit zur Askese, aber tauschen möcht ich mit
ihnen nicht. Wenn andere eine Waschmaschine (die ich als überflüssig
einschätze) als unabdingbar einordnen, haben sie recht. Für sich!
Selbst bei der Navigation und bei den Fragen der
Sicherheit lässt sich vortrefflich diskutieren, was nun "notwendig"
ist. Der eine wird die Rettungsinsel hierbei als Argument bringen, der andere
wird auf sein Beiboot verweisen. Beide haben recht - für sich! Ist ein GPS
notwendig? Ich sage ja, obwohl ich Jahrzehnte über die Weltmeere ohne GPS
geschippert bin. Aber, es gibt sie noch, wenn Weltumsegler lieber ihrem
Sextanten vertrauen, ist das auch für sie in Ordnung! Ein Radargerät halte ich
für notwendig, andere verzichten darauf, weil dessen Antenne die schöne
Silhouette ihrer Yacht verschandelt. Die großartigen Weltumsegler Ernst-Jürgen
und Elga Koch hielten ein Speedometer für überflüssig, weil sie die Fahrt an
den Geräuschen abschätzen konnten. Also ist ein Geschwindigkeitsmesser nicht
notwendig? Und so weiter!
Oder würden Sie mit dem umgebauten Rettungsboot
(obiges Foto) gerne auf Langfahrt gehen? Sicher nicht jedermanns Geschmack. Aber
die Sportsleute haben sich sicher gesagt: "Bevor wir
gar nicht losfahren, nehmen wir lieber ein Schiff, das wir uns leisten
können". Auch in Ordnung!
Gerade weil Sie auf das Segeln als Lebensinhalt
verweisen, möchte ich Ihnen in Abwandlung des Wortes vom "Leben und leben
lassen" erwidern:
Segeln und segeln lassen!
Bobby Schenk
zur
Home-Page
Impressum und Datenschutzerklärung
|