YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Hallo Frau Rozanczyc,
nein, Ihre Frage ist keineswegs
naiv! Denn darüber machen sich die meisten Weltumsegler intensive Gedanken.
Hinzu kommt, dass Kap Hoorn ein Mythos umwebt, der durchaus berechtigt ist.
Der
Felsen da unten am Ende der Welt spielt ja in der Seefahrtsgeschichte eine
herausragende Rolle. Denn in den Zeiten vor dem Panamakanal, also bis zum Ende
des 19 Jahrhunderts führte daran kein Weg vorbei. Die Rahsegler auf Getreide-
oder Salpeterfahrt aus Europa, die schnellen Clipper von der Westküste Amerikas
auf ihrem Weg nach der Ostküste - alle mussten daran vorbei. Und auch heute
noch ist dies der einzige Weg für eine dieser Rekordfahrten rund um die Welt.
Als Magellan die nach ihm benannte Seestraße im
Norden des Kaps entdeckt hatte, glaubte man, dass nunmehr der als äußerst
gefährlich eingeschätzte Weg ums Kap an Bedeutung verlieren würde. Aber das
war eine Täuschung, denn auch die Magellan-Straße ist so friedlich und damit
so ungefährlich nicht.
Nach wie vor hat Kap Hoorn einen gerade
sagenhaften Ruf als einer der für den Seemann gefährlichsten Orte auf der
Welt. Aber gerade das muss relativiert werden. Denn genau genommen stimmt das so
gar nicht. Das Kap selbst ist jedenfalls nautisch nicht viel riskanter als
irgendein anderer Felsen, der in eines der großen Weltmeere hineinragt. Kap
Hoorn ist nicht umgeben von weit vorgelagerten Riffen, es gibt nach Süden
in Drake-Straße jede Menge Raum, um sich von ihm bei Sichtbeschränkung
und/oder Sturm freihalten zu können und schließlich gibt es dort auch häufig
Schönwetterperioden, die übrigens es erst ermöglicht haben, für Laien ganz
überraschende Rekordleistungen aufzustellen.
 Ich
bin bis jetzt dreimal am Kap gewesen, davon einmal in einem kleinen Flugzeug und
zweimal mit einer Segelyacht, und hab dabei jedesmal friedliche Flaute bei
bester Sicht erlebt. Einmal sind wir sogar vom Ankerplatz mit dem Beiboot an
Land gefahren, um den chilenischen Soldaten auf der Wachstation von Kap Hoorn
einen Kuchen-und Kaffee-Besuch abzustatten. Ein andermal haben wir - keine 10
Meilen vom Kap entfernt - in einer rundum geschützten Bucht geankert und
übernachtet, wobei - siehe Fotos - die Bucht so windstill war, dass der Rauch
vom Grillfeuer fast senkrecht aufsteigen konnte.
So verlieren auch einige
"Rekordfahrten" ums Kap Hoorn an Faszination: Die früher so berühmte
20-Meter-Yacht STORMVOGEL umrundete Kap Hoorn von Ost nach West, um im
Pazifik ihrer Crew ein Bad im Pazifik zu ermöglichen, und um ein paar Stunden
das Kap nochmals den Felsen in der Gegenrichtung zurück in den Atlantik zu
queren. Dass Kap Hoorn von Kayakfahrern, Schlauchboatern, ja sogar von
Schwimmern "bezwungen" wurde,. lässt sich so gut nachvollziehen.
 Voraussetzung
für solche "Heldentaten" ist ein Wissen um die Wetterentwicklung und
um die Geographie am Kap Hoorn: Jedenfalls im Sommer ist es für diese Gegend
typisch, dass sich Sturmtiefs mit Schönwetterperioden fast regelmäßig
abwechseln. Wobei die Sturmtiefs meist nach einem halben Tag schon durchgezogen
sind. Das bedeutet, aber, dass bei genügend Zeit zum Abwarten sich häufig
Gelegenheiten ergeben, nachfolgende fünf oder zehn Stunden zu nutzen, um aus
einer am Kap nahegelegenen geschützten Bucht - siehe noch einmal die Fotos -
den Kopf rauszustrecken und dann ein paar Stunden später das Kap zu runden.
Eine solche Taktik lässt sich immer dann
durchführen, wenn man sich dem Kap in Küstennähe von Norden nach Süden
nähern kann. Wenn man also auf der Ostseite Südamerikas seinen Weg über
Brasilien, Argentinien und Feuerland nach Süden bahnt. Ähnliches ist auch auf
der Westseite an Chiles Küste entlang, möglich, auch wenn solche Törns gewiss
kein Zuckerschlecken darstellen. So könnte man also Kap Hoorn
"entschärfen".
Bleibt die Frage, warum der berühmte Käptn
Bligh Kap Hoorn nicht "entschärft" hat? Bekannterweise hat ja
die BOUNTY versucht, Kap Hoorn auf dem offenen Seeweg auf dem Weg nach
Tahiti, also von Ost nach West (sicher die schwierigste Route) zu runden. Wegen
Gegenströmung und Weststürmen hat Bligh dies aufgeben müssen, um sage und
schreibe 10 tausend Meilen Umweg nach Osten auf sich zu nehmen. Hierfür gibt es
einige naheliegenden Erklärungen. Die nähere Umgebung des Kaps mit seinen
zahlreichen Schlupfwinkeln bei schlechtem Wetter war Bligh zum Ende des 18
Jahrhunderts unbekannt, oder zu riskant, um bei schlechtem Wetter mit den
damaligen beschränkten Navigationsmitteln in dieses Inselgewirr einzulaufen, um
besseres Wetter abzuwarten.
Der offene Weg ums Kap Hoorn ist dagegen nautisch
von ganz anderer Qualität. Er führt viele tausend Meilen weit, wochenlang
durch die berüchtigten Brüllenden Vierzigern mit ihren bekannt schweren
Stürmen, denen man schon statistisch nicht entgehen und auch nicht ausweichen
kann. Deshalb wurden übrigens früher der Titel "Kap Hornier" auch
nur Kapitänen zuerkannt, die nonstop von 56 Grad bis 56 Grad gesegelt waren.
Channel-Hoppings taugten also nichts für diese Ehrenbezeichnung.
Bleibt die Frage: Warum ist der Weg von Tahiti
ins Mittelmeer ums Kap Hoorn "kürzer" als auf der Passatroute? Durch
die brüllenden Vierziger kann ich sicher mit Rückenwinden rechnen, die mich
schnell in den Atlantik bringen und erst danach hab ich fast die gleichen
Probleme wie nach dem Kap der Guten Hoffnung. Eine weitere Alternative auf der
Passatroute wäre das Rote Meer, das wir uns schon damals wegen der gerade
wieder aktuellen Probleme mit Seeräubern schenken wollten.
Liebe Grüße von Bobby Schenk

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