YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Guten Tag, Herr Heini,
ja, Sie haben recht: Es darf nicht
vorkommen, dass jemand über Bord geht! Deshalb zögere ich auch, Diskussionen um
"das" zweckmäßige MOB-Manöver zu führen. Denn dadurch wird von dem Umstand
abgelenkt, dass MOB vom Sicherheitsstandpunkt her der GAU ist. Bergsteiger oder
Fensterputzer an Wolkenkratzer unterhalten sich schließlich auch kaum darüber,
was zu tun ist, wenn man abgestürzt ist.
Aber, seis drum: Sie haben recht,
wenn Sie beim MOB-Manöver Unterschiede sehen, ob es sich auf einem Mono oder auf
einem Mehrrumpfschiff abspielt. Denn ein Katamaran zum Beispiel - ich spreche
hier nur vom Fahrtenkatamaran - ist viel weniger flexibel zu manövrieren als ein
Einrumpfschiff. Deshalb verbieten sich hier in jedem Fall von vorneherein
Manöver unter Segel (was im übrigen auch meine Meinung zu MOB-Manövern auf Monos
ist).
Einziges Ziel eines MOB-Manövers
kann nur sein, den Kameraden im Wasser so schnell wie möglich wieder aus dem
nassen Element abzubergen. Und zwar nicht nur wegen der Gefahr des Ertrinkens
oder der Unterkühlung, sondern in erster Linie deshalb, weil die Gefahr auf dem
offenen Meer besteht, dass der Mann im Wasser nicht mehr aufgefunden wird.
Deshalb würde ich in erster Linie darauf achten, möglichst in der Nähe des
Unfallortes zu verbleiben. Denn schon nach ungefähr 50 Meter Abstand vom
Verunglückten - das sind drei bis vier Schiffslängen - besteht schon die Gefahr,
den Mann im Wasser mit oder ohne Schaumköpfe, aus den Augen zu verlieren - und
damit ist Alles verloren. Auf diese Distanz sind mit einem Fahrtenkatamaran
Segelmanöver, gleich ob mittels Halse oder Wende selbst bei bester Reaktionszeit
unmöglich.
Aus diesem Grund gilt - für mich -
zwingend:
1) Als erstes muss die Unfallstelle
markiert werden, und zwar - wichtig! - sowohl elektronisch als auch
optisch!
2) möglichst gleichzeitig muss der
Kat zum Stillstand gebracht werden
3) anschließend sind die Segel zu
bergen
4) daraufhin muss die Unfallstelle
anmotort werden
Wie der Verunglückte dann an Bord
genommen wird, richtet sich nach den Gegebenheiten und sollte hier nicht das
Thema sein. Im allgemeinen hat man in dieser Situation gegenüber einem Mono den
großen Vorteil, dass ein ungestützter, weil segellos, Katamaran sich viel
gutmütiger verhält als eine rollende und zugleich stampfende Einrumpfyacht.
Wegen der niedrigen Höhe am Achterschiff (Badeleiter) dürfte es bei einem
Katamaran auch entschieden leichter sein, den Mann wieder an Bord zu
bekommen.
Zurück zu den ersten
und wichtigsten Maßnahmen, die übrigens auch für Einrumpfyachten gelten: Warum
muss die Unfallstelle optisch und(!) elektronisch - per GPS - markiert werden?
Die Tatsache, dass per GPS - alle modernen Geräte haben eine MOB-Taste - die
Position auf Knopfdruck markiert werden kann, ist heute ein entscheidender
Vorteil gegenüber früheren Zeiten ohne diese Satellitenhilfe. Für diesen Zweck
des Wiederauffindens, nicht für die allgemeine Navigation, kann auch von einer
GPS-Genauigkeit von ca 10 Metern ausgegangen werden. Damit ist die Unfallstelle
und damit der im Wasser treibende(!) Mann höchst genau bezeichnet.
Allerdings: Nur für den Zeitpunkt,
in dem die Taste gedrückt wurde. Ob sich der Verunglückte 15 Minuten später,
nachdem die Yacht die Unfallstelle anmotort hat, noch auf dieser Position
befindet, ist allein eine Frage, ob Strom herrscht oder nicht. Was man in der
Navigation als einen entscheidenden Vorteil ansieht, dass nämlich das GPS-System
die Position über Grund ausweisen kann, wird hier zum Nachteil. Wenn nämlich zum
Beispiel ein Strom von nur einem Knoten herrscht (was in Passatgebieten nicht
besonders viel ist), dann wäre der im Wasser Treibende nach einer Viertelstunde
bereits runde 500 Meter von der MOB-Position entfernt - und damit optisch kaum
noch auszumachen. (Übrigens: Der Einfluss des Windes, seien es auch 20 Knoten
oder darüber, fällt gegenüber dem Strom kaum ins Gewicht, weil der Wind
naturgemäß nur auf den Kopf des Verunglückten einwirken kann, während der im(!)
Wasser treibende Körper der Abtrift entgegenwirkt.)
Die zusätzliche optische Markierung
der Unfallstelle ist unbedingt notwendig. Am effektivsten wird dies durch eine
spezielle Boje erreicht, die am Heckkorb jeder Yacht griffbereit vorhanden sein
sollte. Aber auch andere schwimmende Gegenstände, die über Bord geworfen werden,
können dem gleichen Zweck dienen.
Wie kann man sich auf diesen Gau
vorbereiten? Man wird sich mit der Frage auseinandersetzen müssen, auf welchem
Kurs die Segel auf dem eigenen Kat am schnellsten geborgen werden können und -
vor allem- wie leicht der Kat mit dem Bug durch den Wind geht. Das ist von
Schiffstyp zu Typ verschieden. Manche Katamarane wenden höchst unwillig, bei
anderen wiederum ist kaum ein Unterschied zu einem Einrumpfschiff festzustellen.
In letzterem Fall wird man also, ähnlich wie beim Münchner Manöver, sofort durch
den Wind gehen und damit den Kat nahezu zum Stillstand zu bringen.
Segelt der Kat
unter Spinnaker oder Parasail, dann ist die Situation ungleich schwieriger. Gut
ist die Story, wo bei einer Mann-über-Bord-Situation während eines
Hochseerennens ein Mann geistesgegenwärtig das Spinnakerfall durchschneidet, die
Yacht in den Spi rauscht und von dem zum Stillstand gebracht wird. Das empfiehlt
sich bei einer Fahrtenyacht mit kleiner Besatzung auf keinen Fall. Denn dann
könnte der Kat mit dem Spi an den Kielen für eine (Todes-)Stunde manövrierfähig
sein.
Betrachtet man sich das Foto rechts,
wo ein Kat mit 12 Knoten durch die aufgewühlte See dahinprescht, so kann man
vielleicht ermessen, wie hoffnungslos die Situation für die an Bord verbliebene
Rest-Crew - ein(!) Skipper oder eine(!) Skipperin - ist, das Schiff in kürzester
Zeit zum Stillstand zu bringen und die Segel runterzuholen.
Viel wichtiger in meinen Augen ist
daher im Ernstfall das sofortige Drücken der MOB-Taste am GPS. Wer da lange in
Menüs vom GPS-Gerät oder Plotter rumsuchen muss, hat schon verloren. Zur
MOB-Taste gehört selbstverständlich das nächste Programm, nämlich die Anzeige
von Entfernung und Kurs zum MOB-Point. Das sollte jedenfalls ausgiebig geübt
werden: Den MOB-Punkt mittels GPS-Leitung und Magnetkompass(!) dann auch
zielsicher anzusteuern!
Aber, wie gesagt, "Mensch über Bord"
darf nicht passieren! Zuverlässig wird dies nur durch den Sicherheitsgurt
verhindert. Wenn man ihn auch trägt.
Mit freundlichen Grüßen Bobby
Schenk

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