YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk antwortet


Hallo Herr Nestel,

die Frage ist gut. Und die Antwort lautet: "Nein, aber..."

Auch ich will die ewige und zum Teil irrational geführte Diskussion "Kat oder Mono" nicht erneut aufgreifen, aber es ist nun mal Tatsache, dass ein Katamaran umschmeißen, und ohne fremde Hilfe nicht mehr aufgerichtet werden kann. Dort unten, am menschenleeren Ende der Welt würde dies unter Umständen eine tödliche Katastrophe darstellen. Und, was häufig bei diesen Erörterungen übersehen wird, hängt die Fähigkeit zum Kentern im wesentlichen von zwei Faktoren ab: Vom Wind und von der Größe des Katamarans.

Wieso? Es ist ganz unwahrscheinlich, dass ein Sturm die THALASSA mit ihren 14,30 Metern Länge und einem Gewicht von 15 Tonnen zum Kentern bringen könnte. Eher käme, bei zuviel Segelfläche, wohl der Mast.

Ganz anders sähe es aber aus, wenn Wind und Welle zusammenwirken. Wenn also so ein Katamaran eine steile, hohe, Welle hinabsurft, dann ist die Wahrscheinlichkeit erheblich höher, dass es zu einem Unglück kommt. Je steiler und höher die See, umso gefährlicher wird der Trend zur Kenterung. Wobei es zur Katastrophe schon einer im Verhältnis zur Schiffsgröße sehr großen Welle bedarf. Daraus lässt sich folgern, dass die abstrakte Kentergefahr mit der Schiffsgröße abnimmt. Oder: Je größer der Kat, umso geringer ist die Gefahr, dass das Schiff bei einem etwaigen Querschlagen beim Surfen die Welle hinunter oder beim Stolpern über die Buge sich überschlägt!

Nun ist ja die Wellenhöhe, je nach Seegebiet, einigermaßen durch die Natur (Länge des Weges, über die sich eine See durch den Wind aufbauen kann) vorgegeben. Im Mittelmeer werden kaum Wellenhöhen über fünf Meter erreicht, in den Passatgebieten, so keine nennenswerte Gegenströmung herrscht, vielleicht nur unwesentlich höher. Ganz anders aber sieht es im Bereich der Brüllenden Vierziger, also jenseits des südlichen 40.Breitengrades aus, wo die häufigen (West-)Stürme über einen freien Seeraum von tausenden von Seemeilen Wellengiganten aufbauen können, die kaum vorstellbar sind. Monster von 25 Metern Höhe, das ist die Mächtigkeit eines achtstöckigen Hauses, sind nicht extrem selten. Und man kann sich dann leicht vorstellen, dass bei derartigen Bedingungen ein vierzehneinhalb Meter langer Katamaran einen solchen Wasserberg hinabsurft, dabei immer schneller und damit unkontrollierbarer wird, und im Wellental seine Buge schließlich ins Wasser rammt und sich nach vorne überschlägt. Oder im Schaum querschlägt - mit dem gleichen Ergebnis!

Es muss nicht passieren, aber die Wahrscheinlichkeit zur Kenterung ist halt in diesen Gebieten auf der langen Seestrecke westlich vor dem Kap Hoorn dramatisch höher, als in den gemäßigten Breiten. Mir persönlich jedenfalls zu hoch!

Das gilt aber nur für die klassische Kap-Hoorn-Umrundung, also auf der offenen Strecke, wo man sich über freien Seeraum von Westen her dem Kap nähert.  Solche Bedingungen haben Carla und ich kennen gelernt, als wir mit der 22-Tonnen-Einrumpfyacht aus Stahl, der THALASSAII von Tahiti aus nonstop ums Kap Hoorn nach Mar del Plata im Atlantik gesegelt waren. da hatten wir schon lange vor der Südspitze Südamerika über mehrere Tage Sturm und die Verhältnisse mögen von außen so ausgesehen haben, wie sie der Maler für unsere THALASSA II festgehalten hat. Unter diesen Umständen möchte ich nicht mit unserem jetzigen Katamaran tage- und nächtelang vor den hohen Seen hergetrieben werden.

Ganz anders sieht es aus, wenn es nur darum geht, Kap Hoorn zu runden. Wenn ich also die Möglichkeit habe, mich über die Kanäle und geschützten Buchten in der Nähe von Kap Hoorn sozusagen anzuschleichen und - bei gutem Wetter - die Nase in den offenen Atlantik oder Pazifik zu stecken, um dann das Kap zu runden, würde ich einen solchen Törn mit dem Katamaran vergleichsweise als risikolos ansehen. Während wir nämlich bei 6000-Seemeilen-Törn von Tahitit aus das Wetter - und die Stürme - nehmen mussten, wie sie kamen, und ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert waren,  kann man bei der letzteren Alternative in Ruhe gutes Wetter, ja Flauten, abwarten und dann die paar Dutzend Seemeilen vor dem Kap absegeln. Dass es sich hierbei nicht um ungewöhnlich günstige Wetterkonstellationen handeln muss, und dass es wenige Meilen von Kap Hoorn entfernt auch bei Sturm schutzbietende friedliche Ankerbuchten gibt, habe ich hier beschrieben! Unter diesen Gegebenheiten würde ich nicht zögern, die 10 oder 20 Seemeilen ums Kap Hoorn mit meinem Katamaran abzusegeln.

Gruss

Bobby Schenk

 

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