YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk antwortet


15.08.2010

Hallo Wolfgang,

es ist doch immer wieder dasselbe: Alle Jahrzehnte kommt die Diskussion um den Treibanker wieder hoch, gleichgültig, ob für Einrumpfschiffe oder Katamarane, um nach fruchtlosen Diskussionen ad acta gelegt zu werden. Wenn Sie mal ein paar Jahrgänge von Zubehörkatalogen unter die Lupe nehmen, dann werden Sie mir recht geben, weil sie dort sehen, wie alle diese Patenterfindungen nach einiger Zeit, ganz offensichtlich wegen Unverkäuflichkeit vom Händler aus dem Angebot wieder rausgenommen werden. Das ist so ähnlich wie bei den elektrischen Antibewuchs-Wunderapparaten, die auch alle paar Jahre auf dem Markt als ganz neue Erfindungen angepriesen werden, bis sich deren Unfähigkeit in der Szene, wieder mal, rumgesprochen hat.

Ich greif mal auf einen Seemann zurück, der diese Erfahrung schon vor 60 Jahren gemacht hat, nämlich den großen Eric Hiscock. Der hatte nämlich einen Seeanker auf einer Weltumsegelung (nach meiner Erinnerung ein einziges Mal) eingesetzt, und war weder von seiner Wirksamkeit, erst recht nicht von seiner Handhabung begeistert. Vor allem hat er sich darüber beschwert, dass das Einholen gegen den starken Widerstand der Vorwärtsdrift - er fuhr ihn am Heck - nahezu unmöglich, auch unter Einsatz der Winsch war. Obwohl sein Schiff im Vergleich zu Ihrem Kat ein Winzling von nicht mal 10 Metern war.

Gerade zu diesem Problem werden wir immer wieder durch neue Erfindungen beglückt. Dazu gehört auch die "Reißleine", mit der der Fallschirm-Treibanker oder die mehreren Fallschirme zusammengefaltet werden, damit das Gerät beim Einholen dem Wasser möglichst wenig Widerstand bietet.

Um was geht es denn bei einem Sturm? Das Breitschlagen der Yacht muss verhindert werden. Das geschieht am einfachsten dadurch, dass man - ohne Segel - vor dem Wind abläuft. Wobei die Geschwindigkeit soweit zu reduzieren ist, dass die Yacht nicht kopfüber geht. Die Fahrtreduzierung kann am leichtsten dadurch erreicht werden, dass das Schiff Gegenstände nachschleppt, die hemmend wirken. Also mit Leinen, Autoreifen, Pützen (die aber nicht aus Plastik sein sollten, denn dann sind sie ganz schnell weg), ähnlichen Gegenständen oder eben mit einem Seeanker, früher meist als "Treibanker" bezeichnet. Die genannten "Behelfsanker" haben den Vorteil, dass sie leichter dosierbar sind - eine oder zwei oder drei Trossen, etc. Während der vorhandene Seeanker  eine ganz bestimmte, nicht veränderliche Widerstandsfläche bietet. Es spricht also schon aus diesem Grunde dagegen, für so ein Gerät auch nur einen Euro auszugeben, ganz abgesehen von dem Stauraum, den es beansprucht.

Auf den Punkt gebracht: Ich habe keinen Seeanker, ich habe noch nie einen gebraucht, er ist mir noch nie abgegangen, ich kenne persönlich niemand, der so ein Ding besäße, geschweige denn eingesetzt hätte. Und wenn Sie mal jemand treffen sollten, der Ihnen vom Einsatz eines Seeankers begeistert erzählt, dann sollten Sie bedenken, dass damit keinesfalls seine Nützlichkeit bewiesen ist. Vielleicht hätte es auch eine Trosse getan.

Hinzu kommt, dass Sie mit ihrem Kat auf der Passatroute um die Welt segeln wollen, also auf einer Strecke, wo Windstärken über 40 Knoten Ausnahmecharakter haben. Es sei denn, Sie sind so dumm, während der Hurricane-Saison sich auf der offenen See herumzutreiben, um dann in einen tropsichen Wirbelsturm zu geraten. Dann hilft Ihnen ein "Seeanker" garantiert auch nichts mehr und Sie hätten es auch nicht verdient.

Seeanker passen zu unserer Vollkaskomentalität. Romantisch soll die Segelei, sein, vor allem aber ein Abenteuer mit Gefährdungdspotential Null. Nach dem Motto: "Bei Sturm bing ich den Seeanker aus und die Sache hat sich."

Ich garantiere es Ihnen, Sie kriegen die Sache auch anders, ohne Seeanker, hin! Spenden Sie das Geld für einen guten Zweck!

Mit freundlichen Grüßen

Bobby Schenk

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