YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk antwortet


Hallo Herr Rahmer,

ich könnte mir es mir nun sehr leicht machen und einfach konstatieren: "Nr.6 ist richtig!"

Aber damit wären Sie sicher nicht zufrieden, obwohl ich aus Ihrer Fragestellung erkenne, dass Sie sowas schon geahnt haben. Gehen wir der Reihe nach vor:

1) Die Gefahr des Kenterns nimmt mit der Wind-Stärke, ihrer Richtung, der Steiheit der See, Geschwindigkeit des Katamarans (Unterschneiden!) und der Kleinheit des Katamarans zu. Nachdem wir an den ersten Punkten nichts ändern können, ist der entscheidende Faktor wohl die Größe des Katamarans. Deshalb gilt, leicht verallgemeinernd: "Je größer der Katamaran, desto geringer die Kentergefahr!" Ein Acht-Meter-Katamaran kann also schon bei 40 Knoten und steiler See kentern, während ein 15-Meter-Kat (ich spreche von Fahrten-Katamaranen und nicht von Rennmaschinen) unter normalen Umständen - mäßige Geschwindigkeit und nicht zu steile See - dabei kaum in Gefahr gerät. Der gelegentlich schlechte Ruf von Katamaranen hierzulande hängt übrigens damit zusammen, dass es vor vielen Jahren einer YACHT-Crew gelungen ist, auf dem Eisselmeer, einen (kleinen) Fahrten-Katamaran zum Kentern zu bringen.

Die Konsequenz aus diesen Umständen kann also nur heissen: Einen möglichst großen Katamaran nehmen und/oder gefährliche Gegenden zu meiden.

Was heißt "möglichst groß"? Für uns Langfahrtsegler sehe ich die Grenze nach oben wohl bei 45 Fuß oder so. Und zwar wegen des Unterhalts - nicht in finanzieller, sondern in tatsächlicher Hinsicht. Damit meine ich den technischen Unterhalt eines solchen Schiffes, was besonders an Plätzen gilt, wo weit und breit kein Mechaniker, kein Elektriker, kein Schlosser u.s.w. zu finden ist.

2) Mein früherer Katamaran (Photo), eine 46 Fuß lange Privilege, auf der ich immerhin fast 10 Jahre zugebracht hatte, ist niemals in Gefahr geraten, zu kentern. Somit hatte ich auch nie auch nur den Anflug von Angst vorm Kentern. Obwohl ich seglerisch (Größe der Besegelung) auf eine mögliche Kentergefahr keine Rücksicht genommen habe. Allerdings würde ich mit diesem Katamaran in bestimmten Gebieten (offene brüllende Vierziger) nicht herumsegeln. Ich würde auch nicht bewußt in einen Sturm laufen. Schweres Wetter hatten wir nur einmal für zwei oder drei Tage, wo es mit 40, gelegentlich in Böen mit 50 Knoten geblasen hat. Beigedreht während der stürmischen Wetterlage hat sich der Katamaran nicht unangenehm angefühlt. So, als läge man auf einem bewegten Ankerplatz. Nur das Pfeifen des Windes, Der Krach von den Seen unter dem Brückendeck und die Driftgeschwindigkeit von zwei bis drei Knoten (abgelesen auf dem GPS) hat uns in den Kojen daran erinnert, dass wir uns auf der offenen See befunden haben.   

3) Es wird immer Schwerwetterlagen geben, denen wir nicht ausweichen können. Mit "heutigen Möglichkeiten" meinen Sie wohl in erster Linie die technische Fähigkeit, jederzeit Wettervorhersagen, auch langfristige, zu bekommen.  Meine Erfahrung ist, dass Wetterberichte und vor allem langfristige Wettervorhersagen häufig irreführend, manchmal sogar grundfalsch sind. Man macht aber sicher nichts falsch, wenn man schlechte Vorhersagen ernst nimmt. Aber zu großräumigen Ausweichmöglichkeiten haben wir meist nicht das entsprechende Geschwindigkeitspotential in den dann herrschenden Seegangsverhältnissen.

4) Je nach Fahrtengebiet und Wetterverhältnisse würde auch ein 100 Fuß langer Katamaran nicht ausreichen, um sagen zu können, er könne nicht kentern, oder, er sei "absolut sicher". Denken Sie daran, dass von Satelliten bereits Wellenhöhen von 35 Metern beobachtet wurden.

5) Ein gekenterter Hochseekat ist immer verloren. Es gibt keine Methode, ihn auf hoher See wieder aufzurichten. Gelegentlich bekomme ich Mails, wo mir Videos angekündigt(!) werden, in denen gezeigt würde, wie ein gekenterter Hochseekatamaran wieder aufgerichtet wird. Noch nie hab ich ein solches Video gesehen. Im übrigen wären derartige - theoretisch vorstellbare - Ausrichtmechanismen unverhältnismäßig kompliziert.

Es wäre so, als ob Sie sich für einen Linienflug einen Fallschirm umschnallen würden. 

Mit freundlichen Grüßen

Bobby Schenk

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