YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Guten Tag Herr Koch,
Sie haben das richtig erkannt. Das in
vielen Büchern gelehrte Beidrehen, ist oft fälschlicherweise im Kapitel
Sturmtaktik zu finden. Es ist aber kein Manöver, um einen Sturm, oder gar einen
Orkan, abzuwettern. Beidrehen ist ein feines Manöver, um zum Beispiel bei
widrigen Winden nicht zuviel Weg nach Luv zu verlieren. Oder ganz einfach: Wenn
die Crew zu müde ist, um weiterzusegeln. Ich hab mal zwei ältere Segler
getroffen, Engländer natürlich, die auf einer Atlantiküberquerung jeden Abend
die Segel eingeholt haben und die Nacht schlafend verbrachten, während die
Yacht beigedreht friedlich getrieben (und nicht von einem großen Schiff
untergemangelt) ist.
Übicherweise erreicht man das Beidrehen -
ein wenig ist dies von Yacht zu Yacht verschieden, in dem das Groß dichtgeholt
und die Fock backgesetzt wird. Bequemerweise erzielt man diesen Zustand, in dem
man - wie bei einer Wende - durch den Wind geht, die Fock oder Genua aber nicht
loswirft. Dann kann man sehen, wie sich das Schiff verhält. Macht es zuviel
Fahrt voraus, dann wird man das Groß etwas reffen oder, bei einigen Yachten
ganz runterholen.
Wir haben auf unseren Reisen, soweit ich
mich erinnern kann, nur ein einziges Mal beigedreht, das war bei guten sieben
Windstärken gegenan. Zwei Tage lagen wir mit unserem Katamaran allein mit der
halb eingerollten Genua fast so bequem wie am Ankerplatz bei schlechtem Wetter.
Die Abtrift konnten wir unter zwei Knoten halten, sodass wir nach 45 Stunden
nicht allzuviel verloren hatten.
Als Taktik gegen einen richtigen Sturm
allerdings ist, wie Sie ja selbst fesstellen, das Beidrehen völlig ungeeignet.
Das Bild von unserer THALASSA II, das der Maler HINNERK BODENDIECK
ausserordentlich treffend nachempfunden hat, gibt nach meiner Erinnerung die
tatsächlichen Verhältnisse bei ungefähr 11 Windstärken in den brüllenden
Vierzigern nähe Kap Hoorn gut wieder. Es dürfte jedem klar sein, dass da eine
Yacht, die fast breitseits den nachfolgenden Seen ein Bollwerk bereitet, nicht
gut behandelt wird, sei die Segelefläche auch nur ein paar Zentimeter.
Nein, als Sturmtaktik eignet sich unter
diesen Umständen nur das Ablaufen vor dem Sturm, wie es die stählerne, 15
Meter lange, THALASSAII hier macht. Wobei sie gelegentlich, ohne einen Fetzen
Tuch zu tragen in 24 Stunden 160 Seemeilen zurückgelegt hat. Noch hatten wir
keine Anstalten unternommen, die Fahrt herabzusetzen, aber wenn der Wind weiter
zugenommen hätten, wären halt vorbereitete Leinen (in Buchten) ausgebracht
worden. Einen Seeanker hatten wir erst gar nicht an Bord.
Interessant: Die Diskussion um einen
Treibanker war in den 50er und 60er Jahren recht hitzig und ebbte dann ab, vor
allem, nachdem Eric Hiscock in seinen Büchern damit abrechnete. Ich hab niemals
eine Yacht, erst recht keine Charteryacht, getroffen, die einen solchen an Bord
hatte. Erst in den letzten paar Jahren flammte dieses Thema wieder auf, als eine
amerikanische Firma eine uralte Idee aufgriff und einen fallschirmähnlichen
Treibaker propagierte. Es gibt darüber sogar gute Erfahrungsberichte, die so
oder so ähnlich lauten: "Wir haben den Treibanker auf dem Weg zu den
Tongainseln sechsmal eingesetzt und waren dabei jedes Mal hochzufrieden."
Nur: Dort, in der Passatregion, gibt es
gar nicht soviel Stürme und was die leichtgläubigen Amis hier für schweres
Wetter hielten, hätten andere als achterliche Starkwinde mit vielleicht fünf
oder sechs Windstärken klassifiziert. Dafür brauch ich keinen Treibaker,
sondern Segel die mir täglich über 150 Seemeilen schenken.
Also Wahrschau, wenn mal wieder Treibanker
durchdiskutiert werden - wie vor einem halben Jahrhundert.
Für den Chartersegler, gibts ein
einfaches Mittel der Stumabwehr: Wetternachrichten und nicht losfahren bei
Gefahr eines Sturms. Und wenns ihn trotzdem mal bei auflandigem Sturm erwischt:
Segel runter und versuchen, sich von der Küste mittels Maschine freizuhalten!
Freundliche Grüße
Bobby Schenk
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