YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk antwortet


9.4.2012

Sehr geehrter Herr Eckert,

damit hier keine Mißverständnisse bei den Lesern aufkommen, wiederhole ich dahingehend Ihre Frage, dass Sie ausdrücklich nach der rechtlichen Beurteilung fragen.

Wie ein Schiffsführer im Einzelnen zu navigieren hat, ist gesetzlich nicht geregelt. Man wird sich hier auf den unbestimmten, häufig verwaschenen Begriff der "guten Seemannschaft" zurückziehen, was für die Praxis wenig bringt. Einigkeit dürfte darüber herrschen, dass die Sicherheit von Mannschaft und Schiff an erster Stelle steht, das heißt, die Navigation sollte so gehandhabt werden, dass erstens die Schiffsortbestimmung fehlerfrei mit der erforderlichen Genauigkeit erfolgt - auf dem freien Ozean können hier erheblich geringere Anforderungen gestellt werden als in Küstennähe - und dass ein Kurs zu steuern ist, der die Yacht sicher ans Ziel bringt. Letztlich läuft es auf die Frage hinaus, welche Art der Navigation am sichersten ist:

Das GPS-System zeigt den auf mindestens 100 Meter genauen Schiffsort an. Es gibt zwar Berichte über zeitweilige Ungenauigkeiten des satellitengestützten Systems, doch haben diese, vor allem in jüngerer Zeit, schon Seltenheitswert. Und wenn, wie in der Vergangenheit auf Grund starker Sonnenaktivität geschehen, tatsächlich GPS ausfallen sollte, ist dies leicht zu erkennen und dauert nur wenige Stunden. Da heute unzählige Verbrauchergruppen (Militär, Flieger, Seefahrer, Autofahrer, Bergsteiger und Spaziergänger, ja auch Golfspieler) weltweit dem GPS vertrauen, wird sicher vom Betreiber (USA) alles getan, um die Zuverlässigkeit zu garantieren. Fehler in der Navigation können in der Bordpraxis höchstens durch fehlerhafte Eingaben (Wegpunkte), durch - schwer vorstellbare - Gerätefehler oder auch durch ungenaue Seekarten (elektronische oder aus Papier) auftreten.

Bei der konventionellen Navigation hingegen, sind Fehler, auch von erfahrenen Praktikern, leicht gemacht, wie Sie sicher auch schon erfahren haben. Da kann das Kartendreieck verrutschen, da können sich Rechenfehler bei den Kursverwandlungen und auch sonst einschleichen - die Liste der Fehlermöglichkeiten bei der Positionsbestimmung (Rechen- und Denkfehler) und beim Kurs absetzen ist lang, so lang, dass darüber ganze Bücher geschrieben wurden. Und die Koppelnavigation, die Sie ja ausdrücklich erwähnen,  ist in der Praxis von Natur aus mit so vielen Unwägbarkeiten (Stromversetzung, Abtrift, Steuer- und Kompass-Fehler u.s.f.) behaftet, dass sie nicht mehr als seriöse Navigation anzusehen ist. Das war bis vor circa 30 Jahren anders, denn damals standen zuverlässige elektronische Ortungsverfahren speziell in der Sportschifffahrt nicht zur Verfügung.

Meine Antwort auf Ihre Frage ist also eine Umkehr derselben: Primär sollte man mit GPS navigieren und seine Schiffsorte gelegentlich, in zeitlich kürzeren Abständen mittels konventioneller Navigationsmethoden auf Plausibilität kontrollieren.

Ein rechtlicher Aspekt fehlt noch: Wann sind Navigationsfehler fahrlässig oder gar grob fahrlässig verursacht? Dieser Unterschied kann entscheidend dafür sein, ob die Kaskoversicherung in einem auf Navigationsfehler beruhenden Schadensfall zahlt, denn meist ist "grobe Fahrlässigkeit" in den Versicherungsbedingungen ausgeschlossen. Unter der heute weltweit bestehenden preiswerten Versorgung mit GPS-Standorten halte ich eine Navigation, die sich in erster Linie auf  die von Ihnen erwähnten konventionellen Navigationsmethoden stützt, grundsätzlich für fahrlässig, aber, um es ganz deutlich zu sagen, nicht für "grob fahrlässig".

Erfahrungsgemäß tun sich Gerichte mit der rechtlichen Würdigung der "groben Fahrlässigkeit" schwer. Denn auch der Gesetzgeber hilft mit der Formulierung wenig: Danach liegt grobe Fahrlässigkeit vor, wenn der Schiffsführer seine Sorgfaltspflicht "in besonders grobem Maße missachtet". Das wäre im Falle der primären Navigation mit konventionellen Mitteln nicht der Fall. Problematisch ist in der Praxis, dass letztlich vor Gericht diese Frage Sachverständige entscheiden, die häufig nicht unbedingt mit speziellen Problemen in der Sportschifffahrt vertraut sind.  

Mit freundlichen Grüßen

Bobby Schenk

zur Home-Page

Page by Bobby Schenk
E-Mail: mail@bobbyschenk.de
URL of this Page is: https://www.bobbyschenk.de/quest/f268.html

 

Impressum und Datenschutzerklärung