YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk antwortet


23.10.2014

 

LieberMartin,

damit wir uns richtig verstehen: Hier werden keine Ankermanöver zum Kaffe trinken besprochen, sondern Manöver, die dazu dienen, vor Anker bei Tag und Nacht, auch bei schlechtem Wetter sicher zu liegen.

Ich kann hier nur wiedergeben, was ich seit Jahrzehnten bei hunderten Ankermanövern - mit Erfolg, jedenfalls hatte ich kein einziges Mal Probleme - praktiziert habe. Dies entspricht auch den Beobachtungen, die ich bei (geglückten) Ankermanövern anderer Langfahrt-erprobter Yachten ständig beobachtet habe. Oder haben Sie schon mal ein größeres Berufsschiff mit Trosse beim Ankern gesehen?

Ich betrachte einen Zweitanker nicht als Behelf, um die Zugkraft auf den Schiffsbug auf zwei Anker zu verteilen. Das ist in der Praxis schlicht unmöglich, weil gerade bei steifem Wind, die Yacht abwechselnd um den einen oder anderen Anker schwojt.

Am Anker hängt das Schiff und in vielen Fällen damit der größte Vermögensteil. Für mich ist der Zweitanker die zweite Verteidigungslinie für den Fall, dass der "Hauptanker" schlieren sollte. Hierbei bin ich, wie praktisch alle Langfahrtsegler mit Yachten ab 10 Meter oder so, der aus der Praxis gewonnenen Ansicht, dass das Hauptankergeschirr grundsätzlich nur  aus (schwerem) Anker mit Kette, nicht nur Kettenvorlauf, bestehen soll. Denn nur dann entwickelt das ausreichend dimensionierte Ankergeschirr auf Grund seines Gewichts und daraus resultierendem niedrigen Zugwinkel die beste Haltekraft. Außerdem ist es unempfindlich gegen Scheuern an Felsen (Steinen) und Korallen.

Da nur ein Anker mit Trosse, nicht mit Kette, mit dem Beiboot ausgebracht werden kann (wie ich in meinem Buch ANKERN ausführlich dargelegt habe), besteht das Zweitankergeschirr zwingend aus (möglichst tüchtigem) Anker plus Trosse.

Ich bin nicht der Ansicht, dass nach dem Fallen des Hauptankers - nennen wir ihn besser "erster Anker" - es noch möglich ist, den zweiten Anker, so, wie Sie es vorschlagen, an der geeigneten Stelle auszubringen. Eine Yacht, die vor Anker plus Kette liegt, ist nämlich manövrierunfähig. Sie könnte sich zwar ein paar Meter hin oder her bewegen, gezielt aber einen bestimmten Platz, sagen wir mal 50 Meter weit, nicht anfahren. Neben der "Fesselung" durch das eigene Ankergeschirr würden wir auch riskieren, dass Bug, Ruder oder Schraube beschädigt werden, wenn die Yacht in die steifkommende Kette fährt.

"Meine" Lösung scheint Ihnen nicht so recht einleuchten, weil hierfür zwingend der Beibooteinsatz notwendig ist. In der Hochsee-Praxis, also nicht etwa bei der Kaffepause unter Anker, wird aber das Beiboot e zwingend benötigt. Wie sollte man sonst an Land kommen? Somit ist keine Extraarbeit notwendig, um den zweiten Anker auszubringen. Dieses Manöver mit Anker und Trosse hat den Vorteil, dass der Anker genau an die gewünschte Stelle, je nach Grundbeschaffenheit, gewünschtem Winkel zur Kette des Erstankers und ohne jeglichen Stress auf Grund gelassen werden kann.

Ein Einfahren des Zweitankers ist, anders als beim Hauptanker, nicht unbedingt notwendig. Denn zunächst wird die Yacht primär vom Hauptanker gehalten und der zweite Anker kommt nur dann zum Tragen, wenn der Erstanker schliert.

Diese Art von Ankern hat einen weiteren Vorteil: Wird das Wetter so schlecht, dass ein Verbleiben an diesem Ankerplatz gefährlich würde, ist es kinderleicht, auch unter erschwerten Umständen ankerauf zu gehen. Man wirft die Trosse, gesichert an eine Boje, über Bord und holt dann den verbleibenden Anker an Bord. Der zweite Anker verpfuscht somit nicht das Manöver und man kann ihn nach Wetterberuhigung wieder holen und aufnehmen.

Mit freundlichen Grüßen
Bobby Schenk

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