LieberMartin,
damit
wir uns richtig verstehen: Hier werden keine Ankermanöver zum Kaffe trinken
besprochen, sondern Manöver, die dazu dienen, vor Anker bei Tag und Nacht,
auch bei schlechtem Wetter sicher zu liegen.
Ich
kann hier nur wiedergeben, was ich seit Jahrzehnten bei hunderten
Ankermanövern - mit Erfolg, jedenfalls hatte ich kein einziges Mal Probleme - praktiziert habe. Dies entspricht auch den
Beobachtungen, die ich bei (geglückten) Ankermanövern anderer
Langfahrt-erprobter Yachten ständig beobachtet habe. Oder haben Sie schon mal
ein größeres Berufsschiff mit Trosse beim Ankern gesehen?
Ich
betrachte einen Zweitanker nicht als Behelf, um die Zugkraft auf den Schiffsbug
auf zwei Anker zu verteilen. Das ist in der Praxis schlicht unmöglich, weil
gerade bei steifem Wind, die Yacht abwechselnd um den einen oder anderen Anker
schwojt.
Am
Anker hängt das Schiff und in vielen Fällen damit der größte
Vermögensteil. Für mich ist der Zweitanker die zweite Verteidigungslinie
für den Fall, dass der "Hauptanker" schlieren sollte. Hierbei bin
ich, wie praktisch alle Langfahrtsegler mit Yachten ab 10 Meter oder so, der
aus der Praxis gewonnenen Ansicht, dass das Hauptankergeschirr grundsätzlich
nur aus (schwerem) Anker mit Kette, nicht nur Kettenvorlauf, bestehen
soll. Denn nur dann entwickelt das ausreichend dimensionierte Ankergeschirr
auf Grund seines Gewichts und daraus resultierendem niedrigen Zugwinkel die
beste Haltekraft. Außerdem ist es unempfindlich gegen Scheuern an Felsen
(Steinen) und Korallen.
Da
nur ein Anker mit Trosse, nicht mit Kette, mit dem Beiboot ausgebracht werden
kann (wie ich in meinem Buch ANKERN ausführlich dargelegt habe), besteht das
Zweitankergeschirr zwingend aus (möglichst tüchtigem) Anker plus Trosse.
Ich
bin nicht der Ansicht, dass nach dem Fallen des Hauptankers - nennen wir ihn
besser "erster Anker" - es noch möglich ist, den zweiten Anker, so,
wie Sie es vorschlagen, an der geeigneten Stelle auszubringen. Eine Yacht, die
vor Anker plus Kette liegt, ist nämlich manövrierunfähig. Sie könnte sich
zwar ein paar Meter hin oder her bewegen, gezielt aber einen bestimmten Platz,
sagen wir mal 50 Meter weit, nicht anfahren. Neben der "Fesselung"
durch das eigene Ankergeschirr würden wir auch riskieren, dass Bug, Ruder
oder Schraube beschädigt werden, wenn die Yacht in die steifkommende Kette
fährt.
"Meine"
Lösung scheint Ihnen nicht so recht einleuchten, weil hierfür zwingend der
Beibooteinsatz notwendig ist. In der Hochsee-Praxis, also nicht etwa bei der
Kaffepause unter Anker, wird aber das Beiboot e zwingend benötigt. Wie
sollte man sonst an Land kommen? Somit ist keine Extraarbeit notwendig, um den
zweiten Anker auszubringen. Dieses Manöver mit Anker und Trosse hat den
Vorteil, dass der Anker genau an die gewünschte Stelle, je nach
Grundbeschaffenheit, gewünschtem Winkel zur Kette des Erstankers und ohne
jeglichen Stress auf Grund gelassen werden kann.
Ein
Einfahren des Zweitankers ist, anders als beim Hauptanker, nicht unbedingt
notwendig. Denn zunächst wird die Yacht primär vom Hauptanker gehalten und
der zweite Anker kommt nur dann zum Tragen, wenn der Erstanker schliert.
Diese
Art von Ankern hat einen weiteren Vorteil: Wird das Wetter so schlecht, dass
ein Verbleiben an diesem Ankerplatz gefährlich würde, ist es kinderleicht,
auch unter erschwerten Umständen ankerauf zu gehen. Man wirft die Trosse,
gesichert an eine Boje, über Bord und holt dann den verbleibenden Anker an
Bord. Der zweite Anker verpfuscht somit nicht das Manöver und man
kann ihn nach Wetterberuhigung wieder holen und aufnehmen.
Mit
freundlichen Grüßen
Bobby Schenk