YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk antwortet


8.2.2015

Lieber Georg,

leider hast Du zu Deinem Lebensstil wenig gesagt. Bist Du sportlich, komfortverwöhnt, eher asketisch, anspruchsvoll in Essensgewohnheiten, gesund (davon gehe ich mal aus) oder wie?

Ansonsten kann ich Deine Fragen ganz gut beurteilen, nachdem meine Yacht TAHALASSA (mit der ich zusammen mit meiner Frau Karla die Welt umsegelt habe), eine Fähnrich 34, nur unwesentlich größer gewesen ist wie Deine.

Also, fangen wir, nach Priorität geordnet, mal mit dem "Segeln" an: Ich denk, Du hast die "normale" Beseglung ohnehin drauf. Dann solltst Du Dir Gedanken über geeignete Vorwindsegel machen. Inzwischen gibt es genügend Weltumsegelungen oder auch nur Langfahrten, wo die Eigner ohne spezielle für Vorwindkurse angefertigte Segel ausgekommen sind. Und gar nicht so unüblich ist, dass halt ein üblicher Spinnaker für die tage-oder wochenlangen Strecken vor dem Wind eingesetzt wurde. Solche Segler würden Dir wahrscheinlich auch zu einer derartigen Beseglung raten.

Ich bin da anderer Meinung, nachdem ich eigentlich alles, was es hierzu gibt, ausprobiert habe, also ausgebaumte Genua, Spinnaker, Parasailor, Passatsegel oder Schmetterlingsegeln. Auf einer Weltumsegelung - nehmen wir das mal als Maßstab, denn Du schweigst Dich ja über das genaue Ziel aus - hast Du vorwiegend Vorwindstrecken, sodass es schon wert ist, sein Augenmerk auf diese Tatsache zu richten.

Immer noch eine Daseinsberechtigung haben die Passatsegel, das sind also zwei gleichgeschnittene Focks, die mit Bäumen nach jeder Seite ausgebaumt werden. Das Kurshaltevermögen ist unter Selbststeueranlage hervorragend. Allerdings nimmt man dafür das Gedöns mit zwei Bäumen und dem dazugehörigen Leinenverhau in Kauf. Aber hierfür gibt es doch den Spinnaker höre ich manchen Leser einwerfen! Im Normalfall setzt der Spinnaker einen Mann am Ruder voraus, denn der Automat kann nicht den Achterholer etwas dichter nehmen, was zur Knechtschaft des Rudergehens führt. Das ist zu vermeiden, es sei denn, man fände dumme Mitsegler, denen man das aufbürden könnte - in Deinem Fall wohl nicht. Eher eignet sich hier dann der gutmütige, aber teure Parasailor, von dem ich persönlich nach ein paar tausend Meilen (mit Wochen am Stück) sehr viel halte.

Stichwort Selbststeueranlage: Du hast ja einen Automaten, aber dem würde ich nicht zutrauen, dass er mich ohne jede Störung über die Ozeane steuert. Das kann schon vorkommen, aber eher nicht, wie zahlreiche Berichte bestätigen. Eine Langfahrtyacht ohne die Möglichkeit, dem Rudergehen aus dem Wege zu gehen, ist eine mittlere Katastrophe, wie Dir nahezu jeder(!) Langfahrtsegler bestätigen kann. Deshalb würde ich(!) mir noch zusätzlich eine Windsteuerung anbauen, oder zumindest einen vollwertigen elektrischen Ersatz für den vorhandenen Autopiloten vorsehen.

Ich bin mir sicher, dass Du auch an der vorhandenen elektrischen Anlage einige Änderungen durchführen müßtest. Das bedeutet unter anderem den Austausch sämtlicher(!) Glühbirnen gegen LED-Lampen. Ausserdem nach Möglichkeit die Verdoppelung der derzeitigen Batterie-Kapazität und die Belegung aller freier Flächen an Deck - das werden nicht sehr viele sein - mit Solarpaneelen.  Erwarte Dir aber davon keine Wunder in Sachen Stromerzeugung. Auch wenn Du keinen aufwendigen Lebensstil betreibst, wirst Du schnell an Leistungsgrenzen kommen, wenn es um die Stromerzeugung geht. Wobei Du sehr im Auge behalten musst, dass das Problem in erster Linie am Ankerplatz zu spüren sein wird. Finger weg von einem fix installierten Generator mit all seinen Problemen (Einbau, Erreichbarkeit, Anschaffungspreis), ein tragbarer Honda tut es auch, ist nützlich.

Viele Yachten, die ich an der Ostsee gesehen habe, besitzen kein langfahrt-geeignetes Ankergeschirr. Drei Anker sollten es schon mindestens sein: Der Hauptanker, der Zweitanker zum Ausbringen mit dem Beiboot und der Verwarpanker - gelegentlich am Heck, um das Schiff in einer Richtung zu halten. Für die Kette reichen acht Millimeter eisenverzinkt, bitte keine Nirokette. Ankerspill ist bei dieser Schiffsgröße entbehrlich, wenn Du einigermaßen köperlich gut drauf bist. 

Ein vernünftiges Beiboot brauchst Du. Bei diesem Stichwort gibt es meist hitzige Diskussionen, wobei häufig von wenig langfahrterfahrenen Seglern außer Acht gelassen wird, dass es sich immer um einen Kompromiß handeln muß. Selbstverständlich hätte ich gerne ein sechs Meter langen Boston Whaler, mit dem ich mit 20 Knoten schnell mal ins nächste Dorf zum Einkaufen gleiten könnte. Aber bereits der nächste Denkschritt "wohin mit dem Ding?" zeigt mir doch das Absurde meines Wunsches auf. Ich konnte mit allen möglichen Beibooten eigene Erfahrungen sammeln und nach vielen Jahren auf dem Wasser und nach unzähligen Beobachtungen von anderen Langfahrtseglern, halte ich nach wie vor das Banana-Boot für einen erstklassigen Kompromiß. Gut, es taugt nichts für denjenigen, der beim Einsteigen wie ein nasser Sack ins Beiboot plumpst oder für stark Übergewichtige, auch ein tattriger 80jähriger Greis wird sich damit schwer tun - aber da gehe ich mal in Deinem Fall nicht davon aus. Kritiker sollten sich schon mal die Frage stellen, wer hier ungeeignet ist. Der Benutzer oder das Boot, ein Geniestreich, von dem immerhin 20tausend Stück verkauft worden sind.

Es gibt eine Reihe von Langfahrt- und Weltumseglern, also echte Profis, die von dem genialen Ding begeistert waren, siehe hier. Auch Weltumsegler  Martin Birkhoff meint hier: "Das Banana-Boot erwies sich in den rauen Revieren Feuerlands allen Schlauchbooten weit überlegen, da durch Felsen, Muscheln usw. praktisch unzerstörbar." Wenn Dir so ein klappbares Boot nicht gefällt, solltest Du immer das Problem zu Ende denken: Wo bringe ich das Dhingy auf meinem 32-Fuß-Schiff unter, wie leicht ist es aufzubauen, kann ich damit auch mal über Korallen rutschen, wie schwierig ist es, es zum Kentern zu bringen, wie verträgt es jahrelange Tropensonne, wie gut ist es zum Rudern, wie steht's mit einem Außenborder und so fort!

Wenn Dir Deine Gesundheit lieb ist, musst Du die Möglichkeit haben, Dein Leben im Freien, also im Cockpit zu verbringen, aber gleichzeitig immer(!) vor der Sonne geschützt. Dabei gehe ich mal davon aus, dass Du Fahrten in warme Gegenden erträumst, obwohl Du ja schon mit der Heizung für eisige Gebiete gut vorbereitet bist. Die Kuchenbude ist zwar aus meiner Sicht beim Segeln unentbehrlich, am Ankerplatz aber ist sie untauglich, es sei denn, es ist für den Luftdurchzug von vorne her gesorgt.

Heute im GPS- und Notebook-Zeitalter kannst Du den großen Kartentisch für was anderes umfunktionieren, denn Du wirst ausnahmslos auf dem Notebook navigieren und Seekarten aus Papier (hoffentlich) nur als Backup bereithalten. AIS wirst Du bis zu Deiner Abfahrt ohnehin an Bord haben. Für die Kommunikation reichen eine UKW-Handfunke (wichtig!) und ein Radioempfänger. Allerdings: Bis dahin wird sich bei diesem Punkt noch einiges ändern, nach dem heutigen Stand der Technik hätte ich gerne auf Deinem -Schiff ein Iridium-Handy.

Dass Du eine Rettungsinsel nebst Epirb an Bord haben wirst, halte ich für selbstverständlich.

Ansonsten: Einsteigen und Losfahren! Als ich bei meinem Besuch des Treffens der GfK-Klassiker auf der Ostsee mir so die Schiffe, allesamt uber 20 Jahre alt, angesehen habe, stellte ich mir unwillkührlich bei jedem die Frage, ob ich damit um die Welt segeln würde? Bei fast allen Yachten war die Antwort: "Ja!"

Mit freundlichen Grüßen

Bobby Schenk

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