YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk antwortet


23.2.2015

Hallo Herr Klepper,

irgendwelche Statistiken über Notfälle bei Langfahrtseglern gibt es nicht, die wären auch nicht aussagekräftig genug bei der vergleichsweise geringen Anzahl von Seglern, die gerade um die Welt segeln - vielleicht 500 - oder bei Leuten, die einfach nur auf dem Schiff leben und gelegentlich mal "umziehen". Aber generell kann gesagt werden, dass entgegen Ihren Befürchtungen kapitale Dramen eher selten sind. Interessant ist in diesem Zusammenhang, welche Befürchtungen man vor 50 Jahren hatte und welche jetzt an erster Stelle stehen. Damals waren es Zusammenstöße mit Walen. Sie waren nicht so selten wie heutzutage, sei es auf Grund von Angriffslust dieser eigentlich gutmütigen Tiere, sei es, weil der Wal gerade gepennt hat, als ein Weltumsegelungsphantast seinen Kurs kreuzte. Manchen ist noch im Gedächtnis, dass mal drei Deutsche auf ihrem Weg nach Galapagos nach einer Kollision mit einem Wal bis zu ihrer Rettung ein paar Wochen in der Rettungsinsel verbringen mussten, während das englische Ehepaar Maurice und Maralyn Bailey nach einem ähnlichen Vorfall über hundert Tage auf ihre Rettung wartete. Verbürgt ist auch ein Fall, wonach bei Galapagos eine Yacht von Walen versenkt wurde; das Unglück geschah so nahe an der Inselgruppe, dass ein vorbeikommender Fischer den schwimmenden Segler noch retten konnte.

Von einem weiteren Blauwassersegler weiß ich, dass er eine Riffberührung der Versicherung als Walschaden verkauft hat. Katastrophen mit Walen sind selten geworden, was wahrscheinlich an der zunehmenden Schiffsgröße heutiger Langfahrtsegler und an der abnehmenden Zahl der Wale liegt. In letzter Zeit hatten die "treibenden" Container wieder mal Hochkonjunktur, woran wahrscheinlich der Hollywood-Streifen "All is lost" schuld war. Tatsächlich wurde in mehreren Fällen bei Totalverlusten von den jeweiligen Einhandseglern die Behauptung aufgestellt, der Schiffsuntergang sei die Folge der Kollision mit einem treibenden Container oder einem anderen schwimmenden Hindernis gewesen. In einem Fall hat ein Deutscher später eingeräumt, dass sein Unfall nicht auf einen Container zurückzuführen, sondern (darf man das noch sagen?) "getürkt" war. Ich wurde mal beauftragt, einen Artikel über die Gefährlichkeit von "treibenden Containern" zu schreiben. Die Auskunft des großen Versicherers Pantaeneus war: "Kein Thema bei den Schadensfällen".

Tatsache ist, dass das Meer nicht voll von Containern ist, wie einen in letzter Zeit manchmal die Presse glauben machen wollte. Ich jedenfalls kenne niemanden, der je einen solchen wahrscheinlich muschelbewachsenen Container gesehen hat. Erinnern wir uns: Bei der Suche nach der verschwundenen Passagiermaschine der Malaysian Airlines (Flug MH370) wurden mit modernsten Mitteln viele tausend Quadratkilometer Ozean abgesucht und relativ kleine Fundstücke zunächst der Unglücksmaschine zugeordnet. Aber von einem Container war nie die Rede.

Wahrscheinlicher ist eine Katastrophe auf Grund von Bau- oder Konstruktionsmängeln von Yachten. In letzter Zeit geriet die Rafiki ins Visier der Weltpresse, die ohne Kiel und ohne die vierköpfigen Besatzung, kopfüber treibend auf dem offenen Meer aufgefunden worden war. Die Ursache für das tödliche Unglück war evident, die Werft aber möglicherweise schuldlos - wegen einer nicht ausschließbar vorangegangenen Beschädigung des Kiels.

In meinem Buch Sicherheit an Bord wurde auch der Fall und Untergang der österreichischen Yacht Screwdriver unter Skipper Pechan geschildert. Auf dieser Bavaria war Wasser in der Gegend des Ruderkokers eingedrungen, was natürlich nicht sein darf, aber auf Grund von Fehlkonstruktionen oder auf Grund von vorangegangenen Beschädigungen des Ruders geschah . Scheinbar eine harmlose Sache. Tatsache aber war, dass es der nicht unerfahrenen Männercrew misslungen ist, den Wassereinbruch zu stoppen, so dass letztlich die Yacht auf offener Se aufgegeben werden musste.

Glimpflicher sind die Verluste je eines Fensters eines namhaften Yachttyps abgegangen. In einem Fall konnte der dadurch erfolgte Wassereinbruch auf hoher See rechtzeitig bemerkt werden, im anderen Fall fiel das Fenster beim Abspritzen mit dem Schlauch im Hafen aus dem Rahmen, so dass in Ruhe die notwendige Reparatur aller Fenster dieser Yacht durchgeführt werden konnte -  siehe hier oder auch hier!

Die meisten Unfälle sind jedoch nicht auf konstruktionsbedingte Katastrophen zurückzuführen, sondern auf Grund des schwächsten Bordinventars, nämlich des Menschen. Es ist ähnlich wie bei der Fliegerei. Dort ist Ursache für mehr als 90 Prozent aller tödlichen Unfälle das Fehlverhalten - human error - der Piloten oder der Wartungskräfte. Analysiert man Totalverluste unter Yachten auf Langfahrt, so können die meisten der Skipper ihr, meist grobes, Verschulden nicht kaschieren. Wenn eine Yacht, ausgerüstet mit modernsten Navigationshilfen, auf ein in der Karte verzeichnetes Riff aufläuft, kommt als Ursache für das Unglück nichts außer eben menschliches Versagen
in Frage . So hat ein deutscher Weltumsegler sein 15-Meter-Schiff verloren, weil er eine Huk auf Vanuatu schrammte – Karte und Position der Inselecke hatten nicht übereingestimmt. Auch ein Fehler der Schiffsführung! Solche Unstimmigkeiten sind bekannt und vor ihnen wird immer wieder gewarnt. Aber derartige Unfälle hat es immer schon gegeben. Moitessier hat seine Yacht auf Chagos deshalb verloren, weil er erst durch den Rumms auf dem Riff aufgewacht ist. Und unser großes Vorbild Eric Hiskock hat seine Wanderer III nur deshalb nicht auf einem Riff verloren, weil er es rechtzeitig mit Hilfe der Inselbevölkerung runterziehen konnte. Bei solchen Katastrophen sind weder der Konstrukteur, noch die Werft, noch der Kartograph, noch Stürme die Ursache, sondern der Skipper ganz allein.

Der Unfall der schönen 30-Meter-Yacht in Toau (Tuamotus) auf dem Bild rechts dürfte ebenfalls dem Thema "Pilotenfehler" zuzuordnen sein, nachdem sie bei mäßigem Wind von vielleicht 6 Bft mit zu wenigen Ankern bei schlechtem Haltegrund (Korallen, Sand) aufs Riff gegangen ist.

Unfälle durch schlechtes, stürmisches Wetter sind extrem selten, wobei wir allerdings die Fälle der mit Mann und Maus verschwundenen Schiffe wohl auf ungewöhnliche Wetter-oder Seegangsverhältnisse zurückführen müssen, siehe den Fall des am 14.07.1986 spurlos verschwundenen großen Frachters München oder des 136 Fuß langen Schoners Pride of Baltimore, der am 14.5.1986 in einem Sturm 240 Meilen nördlich von Puerto Rico sank. Kritiker glauben mit guten Gründen, dass der sehr niedrige Freibord, bei dessen Anblick ich regelrecht erschrocken bin (was aber nichts heißt), an der Tragödie mit tödlichem Ausgang schuld war.

Noch in jedermanns Erinnerung, weil verfilmt, dürfte der Untergang der Pamir am 12.9.1954 sein, aber dort könnte der Grund für den Untergang im Orkan die schlecht verstaute und später verrutschte Ladung gewesen sein.

Wenn man die Anzahl der Unfälle mit Langfahrtyachten ins richtige Verhältnis setzt, dann spielen Verluste auf Grund von technischen Fehlern nur eine untergeordnete Rolle. Das rührt auch daher, dass die rund um die Uhr bewohnten Yachten der ständigen Kontrolle ihrer Mannschaft unterliegen, die ja fast immer auch die sorgenden Eigentümer selbst sind. Bei den langen Hafenzeiten besteht reichlich Zeit und Gelegenheit, eventuell auftretende Probleme im Frühstadium zu erkennen und sie aus der Welt zu schaffen.

Mast-und Schotbruch

Bobby Schenk

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