Besucher fragen, Bobby Schenk antwortet


05.02.16

Sehr geehrterHerr Strohmeyer,

diese Frage bewegt nicht nur Sie. Seit das amerikanische Militär verlauten hat lassen, dass die "Kunst" mit natürlichen Himmelskörpern seine (Schiffs-)Position zu bestimmen wieder in den Lehrplan aufgenommen wird, mehren sich die Fragen nach der Astronavigation. Auch die steigende Nachfrage nach meinem Buch ASTRONAVIGATION (hier der Bestseller in der 14.Auflage) beweist das zunehmende Interesse.

Die Frage ist selbstverständlich nicht, ob Astronavigation das GPS-System ersetzen (nein!), sondern, ob man mit Hilfe der Himmelsgestirne sicher in der Welt rumsegeln könnte. Und darauf ist die Antwort leicht, wie  die gesamte Entdeckungsgeschichte der Erde beweist. Denn die vorige Schiffahrt hatte ausserhalb von Landsicht ja nur das Instrumentarium der astronomischen Navigation zur Verfügung. In dieser schnelllebigen Zeit ist es wohl angebracht, darauf hinzuweisen, dass auch die gesamte Yachtsegelei bis ungefähr 1990 selbstverständlich ohne GPS auskommen musste und bei Reisen um die Welt, auch durch Riffgebiete ausschließlich der astromischen Navigation vertraute (wenn man mal von den letztlich recht fragwürdigen Funkpeilungen absieht).

Sicher, es gab Segler, die auch ihren Koppelorten blind vertrauten, aber weit sind die meistens nicht gekommen. Kurzum: Die Astronavigation war das alleinige Navigationsmittel bei der Hochseesegelei. Auch bei der Großschifffahrt. Und damit allein sind alle Weltumsegelungen und Ozeanüberquerungen vorbei an Riffen und Untiefern absolviert worden.

Der Erfolg kam aber nicht nur von einem am Sextanten abgelesenen Winkelwert, sondern auch vom Kopf des Navigators, also dem Wissen um die garantierte(!) und nicht "erzielbare" Genauigkeit dieser Navigationsmethode. Ich hab sicher einige tausend Standortbestimmungen mit Hilfe der Sonne, den Fixsternen, dem Mond und der Venus gemacht und auch über deren Ganauigkeit Buch geführt. Danach kann ich Ihre Frage so beantworten: Werden Messungen mit der Hand eines praxiserfahrenen Navigators bei ruhiger See und ansonsten guten Sichtbedinungen gemacht kann für Sonne, Fixsterne und Planeten eine Genauigkeit von etwa 2 Seemeilen gewährleistet werden. Hinzu kommt eine Unsicherheit von circa 1 Seemeile aus Ungenauigkeiten, Auf- oder Abrundungen beim Berechnen. Man wird also davon ausgehen können, dass eine Messung unter diesen Wetterbedingungen auf drei Seemeilen genau ist.

Wenn, was ja in der Praxis regelmäßig vorkommt, schlechtes Wetter (Sicht, Seegang) herrscht, muß man eine Ungenauigkeit von bis zu(!) fünf Seemeilen unterstellen.

Der sichere Navigator wird also dies bei seinen Entscheidungen berücksichtigen und halt beispielsweise nächtens in entsprechendem Abstand vom Riff oder vor der unbeleuchteten Insel beidrehen.

Wie gesagt, trotz dieser für den heutigen GPS-Navigator sicher enttäuschenden Ergebnissen haben damit Riesen-Tanker oder kleine Segelschiffe Ihren Weg zum Ziel gefunden.

Ist der Navigator ungeübt, müssen diesen Werten schon mindestens 50 Prozent hinzugeschlagen werden. Allerdings blieb der Navigator früher ja nicht lange ungeübt, denn nach ein paar Tagen wußte er auf einer Atlantiküberqeurung, wo's langgeht.

In jedem Fall war und ist es angebracht, übungshalber Messungen durchzuführen und mit den tatsächlichen Orten zu vergleichen. Dann kann man sich ein noch besseres Bild von der Genauigkeit seiner Navigation  machen. Was für den Ernstfall unerläßlich ist.

Häufig bekomme ich von lernwilligen Hobbynautikern Hinweise, dass ihre Messungen "nur" um 20 Meilen daneben lagen, was ja durchaus reicht, um zum Beispiel Barbados zu finden. Solche Ungenauigkeiten deuten auf einen gefährlichen Fehler beim Messen, nicht beim Rechnen hin: Entscheidend ist nämlich für die astronomische Berechnung  - gleich nach welcher Methode (händisch oder per Computer) - dass für die Rechnung nur(!) der Winkel zwischen Gestirn und dem Punkt, der exakt senkrecht darunter auf dem Horizont liegt, in die Rechnung eingeht. Der Sextant muß also im Zeitpunkt der Messung absolut senkrecht gehalten werden - was auf einem schwankenden Schiff (im Gegensatz zu Landvermessungen) niemals gewährleistet ist: Das geht in der Praxis  - über hunderte von Jahren erprobt - nur, indem man mit dem Sextanten einen Bogen beschreibt und eine Messung nur dann verwendet, wenn sie beim tiefsten Punkt des Bogens den Horizont "küßt". Wird dies nicht berücksichtigt, können sich  auch Fehler weit über 20 Meilen einschleichen. Auch ohne großen Rechenaufwand kann das nachgeprüft werden, indem man vor- oder nachmittags eine Reihe von Messungen durchführt und die Winkel grafisch aufzeichnet. Es sollte eine steigende oder fallende Linie rauskommen - Näheres siehe in meinem Buch Astronavigation.

Berechtigt ist ihre Frage nach der Genauigkeit des Koppelortes, dessen Eingabe der Computer verlangt. Eine Winkelmessung von einem Gestirn ergibt - präzise ausgedrückt - einen Standkreis, obgleich man in der Praxis von einer "Standlinie" spricht. Wenn aber nun ein astronomischer Schiffsort aus zwei Messungen berechnet wird, ergeben sich unter Verwendung der beiden Standkreise zwei Schnittpunkte auf der Erdoberfläche, also zwei theoretisch mögliche Schiffsorte. Wovon ja nur einer für die Yacht auf dem Atlantik richtig sein kann. Der Koppelort hat hier nur die Aufgabe, dem Computer zu sagen, welcher von beiden Schiffsorten in der Nähe des Koppelortes liegt, also der richtige Ort ist. Auf die Genauigkeit des Koppelortes kommt es also gar nicht an. Sie können am PC die gleichen Rechnungen mit verschiedenen Koppelorten durchführen, Sie werden immer zum gleichen Ergebnis kommen. Bei einer Atlantiküberquerung können Sie es schon mit einer Ungenauigkeit des Koppelortes von ein paar hundert Meilen ausprobieren. Gefährlich würde es erst werden, wenn das Gestirn (die Sonne) über 80 Grad hoch ist, das wäre zum Beispiel im März in der Gegend von Galapagos der Fall.

Immer eine gute Position

wünscht Ihnen Bobby Schenk

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