Besucher fragen, Bobby Schenk
antwortet
20. Juni 2016
Lieber
Paul,
Aber
klar, die Frage ist berechtigt. Da gibt es doch ein paar wesentliche
Unterschiede bei der Beantwortung der Frage, was zu tun ist, wenn der worst case eintritt und
unterwegs ein Mann (oder eine Frau wie neulich bei einem Rennen um die Welt- mit
tödlichem Ende) über Bord geht. In jedem Fall heißt dies auf offener See
höchste Lebensgefahr und die an Bord verbliebene Crew muss nicht etwa das
eleganteste oder sportlichste Manöver fahren, sondern das erfolgversprechendste
Rezept einsetzen, um die Person zu retten. Und das ist heute auf einer normal
ausgerüsteten Yacht sicher kein Manöver unter Segel, wie es
überflüssigerweise immer wieder gelehrt wird, sondern der Einsatz der
Maschine(n). Ist ja ganz interessant, dass bei Hafenmanövern mit Recht Manöver
unter Segel (ausser im Notfall) verpönt sind. Schließlich könnte man ja sein oder ein
anderes Schiff beschädigen, wenn man sich dem naturgemäß unsteten Wind
ausliefert. Komisch, wenn es um Menschenleben geht, gilt das nicht mehr, wie in
vielen Lehrbüchern beschrieben.
Und
erst recht nicht für Katamarane. Geradezu lächerlich, wenn bei diesen
Schiffsformen, die ja bekannterweise ohnehin nicht gern durch den Wind gehen,
über Kuhwendemanöver, also zweimal die ungelenke Wenderei oder ähnliches
diskutiert wird. Nein, ganz klar, wenn ein Mensch über Bord geht, müssen zur
Rettung aus Lebensgefahr die Maschinen eingesetzt werden, erst recht auf
Katamaranen. Alles andere ist fahrlässig und unter Ernstfallbedingungen mit einer
Menge (tödlicher) Risiken behaftet.
Die
zweite Frage betrifft das Anbordnehmen. Hier haben wir es mit der Besonderheit
zu tun, dass die Bordhöhe bei Kats meist erheblich größer ist als bei einem
durchschnittlichen Einrumpfboot. Das liegt nicht etwa daran, dass die Rümpfe
des Kats höher sind als bei einem Mono, sondern dass eben Katamarane meist
größer sind als Duchschnitts-Einrumpfboote, die ja im Langfahrtbereich schon
bei sieben, acht Metern beginnen. Wie man auf den Fotos ganz gut ersehen kann,
ist der Freibord dieser Katamarane aus der Langfahrtszene (die nicht
ungewöhnlich groß sind) so hoch, dass es ausgeschlossen ist, einen oft
entkräfteten Mann auf der Seite an Bord zu nehmen. Da gibt es nur die
Möglichkeit, übers Heck und über die dort meistens installierte
Badeleiter. Dass auch das Heck eines Katamarans in einer bösen Dünung
lebensbedrohlich ins Wasser klatschen kann, ist klar, doch sind die Bewegungen
bei weitem nicht so gefährlich wie das Heck einer gleichzeitig stampfenden und
rollenden Einrumpfyacht.
Vergessen
sollten wir in diesem Zusammenhang die vielen Hilfskonstruktionen, die hierzu
immer wieder auf dem Papier erfunden werden, wie zum Beispiel der Einsatz eines
Lee(Rettungs-)Segels an der Reling oder auch des Großbaums.
Warum?
Weil es in einem solchen Notfall geradezu sträflich ist, nicht das beste,
einfachste, sicherste und nahezu immer erfolgversprechendste Hilfsmittel zu
verwenden (immer daran denken: Es geht um ein Menschenleben!). Wobei ich nicht
verstehe, dass die von mir oftmals vorgebrachte Lösung bei solchen
Diskussionen regelmäßig mit Erörterungen um das beste Mann über Bord Manöver
(unter Segel versteht sich) zugebabbelt wird. Es handelt sich um ein
Hilfsmittel, das jede Blauwasseryacht ohnehin an Bord hat und das gerade dafür
konstruiert
ist, einen im Wasser schwimmenden Menschen einsteigen und ihn dort zunächst
überleben zu lassen: Die Rettungsinsel!
Sie
ist so konstruiert - und zwar nur zu diesem Zweck -, dass ein Mensch, selbst wenn er
nur noch über geringe Kräfte verfügt, sich über die eingebaute Strick-
(Stoff-)Leiter in den knapp über der Wasserlinie befindlichen Einstieg in die
Rettungsinsel hineinziehen kann: Dann ist er - in Sicherheit! Alles andere ist
doch egal. Dort in der sicheren Insel kann er von Kameraden zunächst versorgt
werden, um ihn dann, oder erst, wenn sich das Wetter beruhigt hat, gemächlich
in die Yacht zu holen. Im Extremfall könnte man den Mann, mit einer
langen Leine an die Yacht gesichert, sogar viele Stunden oder gar Tage in der Rettungsinsel
belassen. Hauptsache der Mann ist zunächst gerettet.
Dass
dieser Tip (vom früher so erfolgreichen Hochseerennsegler Beilken) so
wenig bei diesen Diskussionen berücksichtigt wird, nährt meinen Verdacht, dass
die Situation "Mensch über Bord" nicht als so brisant angesehen wird,
so nach dem Motto: "Na, dann segeln wir halt eines dieser so oft geübten
Mann-über-Bord-Manöver! Haben wir ja gelernt, können wir ja!" Und:
"Eine Rettungsinsel müsste ja nach einem solchen Einsatz gewartet werden,
das kostet ne Menge..."
Lieber
Paul, habe ich Sie überzeugt? Dann wünsche ich Ihnen keinen Mann-über
Bord-Fall.
Bobby
Schenk
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