Besucher fragen, Bobby Schenk
antwortet
14. August 2016
Hallo
Herr Becker,
ich kann
Ihnen da voll zustimmen.
Mit
Verlaub: Doppelruder für eine Fahrtenyacht sind ein Schmarrn!
Es
handelt sich um eine jener Torheiten, die sich Designer, Werften und auch
Zeitschriften ausdenken, um die etwas Unbedarfteren unter den Fahrtenseglern von diesem oder jenem
(neuen) Schiffstyp zu überzeugen, also um vermeintlich neue Marktnischen zu
erschließen. So was hat es schon immer gegeben, denken wir lange zurück an das
Constellation-Ruder, über das Kanuheck (das die Seen zerteilen sollte) bis zum,
eben, zum Doppelruder. Das sicher in ein paar Jahren, jedenfalls im
Fahrtenseglerbereich, der Vergangenheit angehören wird. Um
Mißverständnisse zu vermeiden, sei darauf hingewiesen, dass 2 Riesenräder im
Cockpit nicht unbedingt auf 2 Ruderblätter schließen lassen. Meine Ausführung
bezieht sich im wesenlichen auf das doppelte Ruderblatt.
Um diese Erfindung nicht zu einseitig zu beurteilen, sie hat ein paar (für
mich nicht wesentliche) Vorteile. Da ist zum einem die Möglichkeit für den
Rudergänger, weit in Lee zu sitzen und damit sehr gut das Vorsegel beobachten
zu können. Aber wer sitzt schon lange auf einer Fahrtenyacht am Ruder, der
Automat steuert im Regelfall.
Ein Pluspunkt ist sicher auch, dass bei Lage (des Einrumpfers) das
wirkende Ruder senkrecht nach unten zeigt, dass bei extrem viel Lage mindestens
ein Ruder voll wirkt und somit Sonnenschüsse, die bei ranken Einrumpfern mit
extrem kurzem Kiel wegen mangelnder Anströmung schon mal vorkommen könnten,
vermieden werden. Zwei Vorteile unter bestimmten Umständen sind ebenfalls
evident: Wenn(!) bei Hafenmanövern die Yacht deutliche Fahrt macht, dann wirken
zwei Ruderblätter natürlich besser als das konventionelle einzige
Ruder. Und, eine Yacht mit zwei Ruderblättern unter Wasser hat im Regelfall
weniger Tiefgang als die gleiche Yacht mit einem
einzigen tiefhängenden Blatt. Ein zusätzlicher Vorteil solcher Anlagen ist sicher auch, das gilt bei jeder
Segelei mit großer Crew, der gewonnene Platz im Cockpit, was sich aber wegen
des größeren Flugraums im Cockpit auch als Nachteil
erweisen kann, wenn ein
Mannschaftsmitglied im Cockpit von Luv nach Lee überkommt.
Gewiss
schiffig machen zwei so riesige Speichenräder schon was her, wie mehrere Masten
auf einer Yacht. Aber das
wars dann schon! Der vernünftige Fahrtensegler dürfte wohl selten in die
Gefahr kommen, soviel Lage zu schieben, dass das einzige Ruder nicht mehr
angeströmt wird.
Viel
schlimmer ist, dass sich so ein Schiff - so wie Sie das aus Ihrem Urlaub schildern
- im Hafen kaum manövrieren lässt, beziehungsweise schon einige Fahrt bedarf,
um überhaupt auf das Ruder, schon
gar nicht auf die zwei Ruder mangels
Anströmung durch die Schrauben zu reagieren. Deshalb bezeichnet
der erfahrene Michael
Menard, der sich bei seinen bestens besuchten
Skippertrainigs intensiv auch mit Hafenmanöver (siehe
diesen Bericht über sein Hafenmanöverprogramm) mit Doppel-Ruder-Yachten beschäftigt, diese Art von Yachten
als den idealen "Mooringfänger"
bezeichnet, was, ungewollt, bei
Anlegemanövern unter sensiblen Bedingungen nun gar kein Kompliment ist.
Michael Menard geht bei seinem Online-Unterricht
(www.blue-2.at/drupal/Doppelruder) ausführlich auf die Hafenmanöver
mit Doppelruder ein. Zumindest damit sollte man sich also vor dem Urlaubstörn
mit einer fremden Doppelruderyacht beschäftigen.
Ich
stehe mit meinem Urteil wohl nicht allein da. Eine
Fahrtenyacht mit Doppelruderanlage auf dem riesigen amerikanischen Markt ist mir
nicht bekannt und der größte europäische Repräsentant für Doppelruderyachten,
nämlich die französische Werft Dufour hat sein neuestes Flaggschiff, die 560
GRAND LARGE, nur mit einem Ruder ausgestattet. Wahrscheinlich ereilt die
Doppelruderanlage das gleiche Schicksal wie den Zweimaster, den es seit 20
Jahren bei Neubauten in "unserer" Größe praktisch nicht mehr gibt (Ausnahme: Amel).
Mit
freundlichem Gruß
Bobby
Schenk
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