Besucher fragen, Bobby Schenk
antwortet
11.Oktober 2016
Lieber
Michael Stöve,
zunächst
einmal: Die "typische Langfahrtyacht" gibt es gar nicht. Man kann sich
der Frage nur vom anderen Ende her nähern: Ein Daysailer ist nicht die
ideale Langfahrtyacht.
In den Häfen und auf den Ankerplätzen
rund um die Welt in
Äquatornähe finden sich alle möglichen Typen von Yachten, die meisten mit konventioneller
Einteilung und ganz wenige als Ds-Yachten, also als Schiffe mit Decksalon (siehe
Foto unten - ein reiner Blauwasseryachthafen!). Dies
liegt in 90 Prozent der Fälle daran, dass die zukünftigen
Langfahrtsegler halt mit dem Schiff auf die große Fahrt gehen, das sie ohnehin
haben oder eben mit preiswerten Yachten aus zweiter Hand. Erst im Laufe der Zeit
stellt sich dann heraus, ob das Schiff ideal ist für lange Schläge (und vor
allem lange Aufenthalte an der Passatroute).
Nur
selten wird eine neue Yacht speziell zu dem einzigen Zweck angeschafft, um
damit zum Beispiel um die Welt zu segeln, noch seltener lassen sich sehr
vermögende Menschen speziell eine Yacht solche bauen.
Kurzum,
die häufigsten Langfahrtyachten geben den allgemeinen (Second-Hand-)Markt
wieder. Wenn ich allerdings die Möglichkeit hätte, mir das zu diesem Zweck geeignetste
Schiff auszusuchen, dann würde ich in erster Linie auf die Tatsache achten,
dass sich das Leben auf einem solchen Schiff im Cockpit abspielt, und während
des Schalfg in der Koje. Das heißt: Zuviel Platz im Salon beziehungsweise im
Schiffsinneren geht auf Kosten des benötigten "Wohnraumes" draußen
im Cockpit.
Sie
sprechen die Vorteile eines innenliegenden Steuerstandes in "kühlen und
wettertechnisch unbeständigen Seegebieten" an. Diese Priorität ist
für Langfahrtyachten nicht gegeben. Der Blauwassersegler sitzt nämlich heute
kaum länger als ein paar Minuten am Ruder. Dies überlässt er der
Windsteueranlage (oder auch dem elektrischen Ruderautomaten) fast zu 100 Prozent. Als meine Frau und ich nonstop von Tahiti nach Mar del Plata
(Argentinien) mit dem 15 Meter langen und 20 Tonnen schweren Schiff THALASSA II
gesegelt sind und uns dabei wochenlang in den Roaring Fourties auch mit
Stürmen rumschlagen mussten, sind wir sicher insgesamt nicht mehr als zwei, drei Stunden
am Ruder gesessen, nämlich bei der Hafenausfahrt aus Tahiti und der Einfahrt
bei Flaute in den Hafen von Mar del Plata. Alles andere hat die Aries erledigt.
Ein innenliegender Ruderstand wäre dabei völlig überflüssig und obendrein platzraubend, also nachteilig, gewesen.
Nun
werden Sie vielleicht einwenden, dass gerade der große Moitessier genau auf
dieser Strecke von Tahiti zum Kap Hoorn von seinem innenliegenden Ruderstand
geschwärmt und ihn fast zu seinem Lebensretter hochgelobt hat - siehe eines der
besten Segelbücher (Kap Horn - der logische Weg). Dabei ist aber zu
berücksichtigen, dass Bernard offensichtlich eine Windsteueranlage benutzt hat,
die diesen Wind - und
Wetterverhältnissen in den brüllenden Vierzigern eben
nicht gewachsen war. So wie ich Bernard kannte, war es halt
Eigenbau. Folgerichtig ist die einst vor allem bei den Franzosen recht populäre
Moitessier-Blase (siehe Foto) über dem innenliegenden Steuerstand wieder
verschwunden.
Wenn
ich also bei meiner Langfahrtyacht die freie Wahl hätte, würde sie nicht auf
eine Decksalon-Yacht fallen, vor allem weil dies auf Kosten eines
großen Cockpits ginge, dem wichtigsten "Wohnraum" unter dem
Sonnensegel auf einer Yacht in den Tropen (=Passatroute). Verfügt meine Yacht
allerdings über einen Decksalon, dann ist dies auch kein Unglück; der Schaden
ist überschaubar.
Bobby
Schenk
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