Besucher fragen, Bobby Schenk antwortet


12.12.16

Lieber Andre Wolff,

Sie sind nicht der Einzige, der sich umweltbewusst um dieses Thema kümmert. Sie und viele andere sprechen ein Thema an, das zu Recht immer mehr an Aktualität gewinnt, weil eine ideale Lösung dieses Problems (auch bei uns zu Hause) nicht in Sicht ist. Beim derzeitigen Stand der Technik müssen wir uns deshalb auf das vertretbar Machbare beschränken.

Ich behaupte mal, dass Langfahrtsegler sicher keine besseren Menschen sind als unsere Nachbarn in den Städten und Dörfern. Auch sind Blauwassersegler keine Umweltengel. Aber, in den letzten Jahren ist da erfreulicherwesie ein notwendiges Umdenken zu erkennen.

So nimmt die größte Langfahrtsegler-Organisation, die amerikanisches Seven Seas Cruising Association  (SSCA) nur Mitglieder auf, die sich zu ihrer Clean-Wake-Policy bekennen. Mit Erfolg, denn die amerikanischen Segler sind fast immer umweltbewusster als manche Segler aus anderen Nationen.

Undenkbar, dass heutzutage ein bekannter deutscher Weltumsegler damit Eindruck macht, dass er ein paar volle Dieselkanister um der höheren Schiffsgeschwindigkeit Willen über Bord gewichtsmindernd über Bord gegeben hat - wie damals unkommentiert in der YACHT geschrieben stand.

Dass sowas heute ein "geht gar nicht" ist, liegt auf der Hand. Oder dass man auf das Unterwasserschiff starkes Gift (TBT) in großen Mengen schmiert, ist ebenfalls out - und meist verboten. Wenngleich es immer noch keine vollkommen giftfreie, andererseits wirkungsstarke Antifoulingfarbe gibt, die eine ähnliche Wirksamkeit wie die früheren "Giftfarben" (so die damalige offizielle Bezeichnung) hat. Man bedenke: Bestandteile einer Farbe, die absichtlich ins Wasser abgegeben werden, sind auch Müll. Auch wenn das damit gerechtfertigt wird, dass es ja einem "guten Zweck" dient, nämlich der höheren Geschwindigkeit beziehungsweise der Spritersparnis beim Motoren. Durch tägliches Schnorcheln in den Tropengewässern mit der Bürste in der Hand kann man sich manchen Anstrich ersparen. Wenn jetzt eingewendet wird, dass "unsere" Antifoulings gar kein oder nur sehr wenig Gift enthalten, dann überlege man sich, was man in Gegenden macht, wo nur Farben für die lokalen Fischer zu erhalten sind. Den (teuren) Farbvorrat hoher Giftfreiheit für mehrere Jahre mitzuschleppen, dürfte mangels Platz auf den meisten Weltreiseyachten ausgeschlossen sein. 

Um es kurz zu machen, das Leben in der Schifffahrt ist genauso wenig wie das Leben an Land möglich, ohne die Umwelt mit Müll oder Abfällen zu belasten.

Deshalb gilt es in erster Linie, die Vergiftung der Umwelt möglichst gering zu halten. Das muß uns Blauwasserseglern ein echtes Anliegen sein. Aber man sollte die Kirche im Dorf lassen und bedenken, dass die Umweltbelastung durch Segler schon wegen ihrer geringen Anzahl auf den Weltmeeren im Verhältnis zur Großschifffahrt, den Hochsee-Fischereiflotten oder den Landbewohnern mit ihren stinkenden Verkehrsmitteln nicht dramatisch hoch ist. Ein Vergleich: Die sogenannte Südsee, also in erster Linie Französisch Polynesien bedeckt eine Fläche so groß wie die von Europa. Dort leben aber ein paar hunderttausend Menschen, während es sich auf unserem Kontinent um mehrere hundert Millionen handelt. Und ganz wichtig: In Polynesien gibt es praktisch keine größere Industrie, die ja die größte Umweltsünderin ist.

Trotzdem gilt es, und in Zukunft noch strenger, die nicht zu vermeidende Belastung der Natur durch unseren Müll auf das geringst mögliche Maß zu beschränken. Dies kann in der Praxis nur dadurch erreicht werden, dass der Segler

a) so wenig wie möglich Müll erzeugt und

b) dass der unvermeidbare Restmüll möglichst umweltschonend entsorgt wird.

Punkt a) zu erfüllen ist nur in bescheidenen Grenzen zu verwirklichen. Wir werden nicht umhin kommen, unseren Proviant teilweise in Plastik oder Blech mitzuführen. Und diese Materialien sind eben fast unzerstörbarer Müll mit einem für die Umwelt riesigen Belastungsfaktor über viele Jahre hinweg für die Umwelt. Aber man könnte zum Beispiel auf diese kleinen netten Trinkwasserflaschen  aus Killerplastik (für viele Tiere) verzichten und stattdessen das Trinkwasser, so wie früher allgemein üblich, aus dem Süßwassertank beziehen. Und Softdrinks ließen sich in vertretbarer Trinkqualität auch mit dem Süßwasservorrat plus Sirup aus dem Tank herstellen.

Noch besser, nach meinen Erfahrungen, ist es, wenn das Trinkwasser aus einem modernen Watermaker kommt. Das Wasser ist bakterienfrei, enthält Mineralsalze und der Geschmack ist, wenn alles optimal funktioniert, völlig neutral und an heißen Tagen angenehm kühl. Bitte nicht in diesem Zusammenhang auf den Treibstoffdurst des Diesel verweisen, der Watermaker läuft in der Praxis fast ausschließlich mit, wenn ohnehin motort wird. Oder wird über Solarzellen gespeist.

Richtig bösen Müll erzeugt man auf der Yacht durch Betrieb des Motors. Damit meine ich nicht die Abgase, die sicher noch schlimmer sind als VW-Abgase ohne betrügerische Software. Aber hier sollte man die Proportionen nicht ausser acht lassen und sich fragen, ob unsere 20 Pferdestärken neben der Großschifffahrt oder den Millionen Außenbordern und lauten Ungetümen in den Fischerbooten ernsthaft ins Gewicht fallen. Nein, es ist der Treibstoff, der mich beunruhigt. Die meisten haben es immer noch nicht begriffen, welche Gefahr auf uns zukommt durch die "Dieselpest". (siehe hier) Aus zahlreichen Berichten, die mich erreicht haben, ergibt sich, dass immer häufiger Yachten befallen werden, deren Eigner sich erst dann an das Wort von der Dieselpest erinnern, wenn sie entsetzt feststellen, dass der ansonsten so zuverlässige Dieselmotor langsam abstirbt. Dieselpest für sich allein ist freilich für die Umwelt noch lange keine besondere Belastung. Erst danach wird es schlimm. Denn der Diesel, oft viele hundert Liter, muß aus dem Tank völlig entfernt werden. Die Frage nach dem Wohin kann sich der Leser mit einiger Fantasie selbst beantworten. Und auch wenn man den Diesel in Kanister wegstauen könnte, wäre dieser dreckige Treibstoff ja immer noch nicht entsorgt. Ich hätte jedenfalls Bedenken, diesen kontaminierten Diesel wieder in den Haupttank zurückzuschicken. So ist es also dringend nötig, sich um den Diesel an Bord zu kümmern, damit die "Black Disease" (wie die Fischer in Australien sie nennen) gar nicht erst auftritt.

Der Motor in der Yacht, fast immer ein Diesel (vom Elektromotor sind wir noch viele Jahre entfernt), beschert uns aber ein weiteres Umweltproblem: Es handelt sich um das unvermeidbare Maschinenöl. Als heimischer Autofahrer bekommt man meistens gar nicht so richtig mit, wieviel von dem Dreck anfällt und dann notgedrungen mitgeschleppt werden muß. Hinzu kommt, dass man als Industriegläubiger selbstverständlich den Anweisungen des Motorenherstellers blind vertraut und dann alle 50, 100 oder 200 Stunden wiederum einen großen Kanister voller Öl in die Maschine gießt - natürlich nach Wegstauen (nicht Weggießen) des Altöls. Man wird unter dem Gedanken des Umweltschutzes nicht umhin kommen, das Öl bis zur nächsten Tankstelle zu transportieren. Und die kann schon ein paar tausend Seemeilen entfernt sein, wenn Sie zum Beispiel von Galapagos aus in See stechen.

Nun gibt es, immer schon, gewichtige Stimmen, die darauf hinweisen, dass die vorgeschriebenen kurzen Ölwechsel-Intervalle in erster Linie den Ölproduzenten dienen und technisch gar nicht notwendig sind. Es schadet deshalb nicht, bei Mechanikern, bei Charterfirmen oder anderen Fachleuten nachzufragen, was diese zu Einsparungen des Öls zu sagen haben. Man erkundige sich auch nach der Möglichkeit des Einbaus eines Zusatzfilters, der das Öl vorfiltert und wo versprochen wird, dass man sich den Ölwechsel sogar weitgehend ganz sparen kann. Wir hatten auf unserem Katamaran aus diesen Gründen sogenannte "Feinstfilter" der Firma Trabold (siehe hier!) eingebaut, die uns zahlreiche Ölwechsel mit einhergehender Belastung der Umwelt erspart haben. 

Es wird also nicht möglich sein, keinen Müll zu produzieren. Ganz ohne Blech und Plastik geht es sowieso nicht. Dass Plastik im Meer aber nicht abgebaut wird, ist an den verdreckten Stränden rund um die Welt zu sehen. Gleiches gilt für Metalle. Man sollte meinen, dass zum Beispiel Dosen aus Aluminium-(Legierungen) sich leicht im Salzwasser zersetzen, nachdem die Korrosion bei Alu-Schiffen ja ein vorherrschendes Problem ist. Dem ist aber nicht so! Ich hab mal auf einem malerischen Ankerplatz den Grund abgetaucht. Da bot sich mir ein schreckliches Bild, so übersäht war der, vor allem mit "Aluminium-Bierdosen", die dort offensichtlich jahrelang im aggressiven Salzwasser herumgelegen hatten.

Also Plastik und Metall gehören in den Restmüll. Biologischer Abfall dagegen geht ins Meer. Die Überlebenszeit dieses Mülls dürfte sich auf nur kurze Zeit beschränken. Damit wird die Selbstreinigungsfähigkeit des Meeres ganz gut fertig, wie es über Tausende von Jahren bewiesen hat. Dies gilt auch für gekaufte Erzeugnisse (wenn sie nicht aus Plastik bestehen). Die Praxis zeigt, dass dies auch nicht zu eng gesehen wird. So dürfte man sich lächerlich machen, wenn man einen einheimischen Fischer tadeln wollte, der seine Zigarettenkippe ins Meer spuckt.

Bleibt der Restmüll, den man dann eben auf der Yacht in Plastik(!)-Säcken mitführen muss, um ihn einer fachgerechten Entsorgung zuzuführen. Und an diesem Punkt sieht es in der Praxis bei Weltumsegelungen ganz düster aus. Man bedenke, dass es zum Beispiel auf der Fläche von Panama nach Tahiti  meines Wissens keinen Ort gibt, wo der verbleibende Restmüll nach dem heute höchstmöglichen Standard entsorgt (also rückstandsfrei vernichtet) werden kann. Was glauben wir denn, wohin der mitgebrachte Müll auf einer Südseeinsel mit 20 Einwohnern oder im riesigen Indonesien in den meistens am Meer gelegenen Dörfern (siehe Foto) "entsorgt" wird? Unliebsamer Fakt ist: Der Müll, der die freundlichen Insulaner belastet, wird verbrannt (also auch als Gift in die Atmosphäre geschleudert)  oder mühsam im Sand vergraben oder - noch schlimmer - an einer Stelle ins Meer geschoben, wo die Strömung den Müll nach Möglichkeit aufs offene Meer abtransportiert. Vor diesen Tatsachen sollten wir nicht die Augen verschließen, wenn wir nach langer Überfahrt erlösend unseren Müll in Plastiksäcken den Einheimischen in die Hände drücken. Würden Sie sich freuen, wenn Besucher Plastiksäcke anschleppen, in denen der Inhalt von drei Wochen Müll ist?

Bei vielen luxuriösen (meist sehr teuren) Ferienressorts sieht es nicht viel besser aus, wobei hinzukommt, dass die lieben Yachties manchmal nicht nur die Müllsäcke bringen, sondern gleichzeitig die Wäsche und im Gegenzug um Eiswürfel für die Thermoskanne bitten. Kein Wunder dass in den letzten Jahren an vielen der paradiesisch aussehenden Strände Schilder darauf hinweisen, dass Yachten unerwünscht sind.

Aus dem Genannten kann nur gefolgert werden, dass die oberste und einzige Lösung für das Müllproblem sein kann, Müll, wo immer es möglich ist, zu vermeiden, damit die Riesenprobleme für die Umwelt erst gar nicht aufkommen.

Bobby Schenk

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