Besucher fragen, Bobby Schenk antwortet


Lieber Herr Krause,

ich antworte Ihnen gerne, allerdings als Langfahrtsegler, was Sie bitte bei meinen Ausführungen im Auge behalten sollten:

Tatsache ist, dass man die "Moitessier-Blase" kaum sieht, und wenn, dann auf französischen Yachten. Das hängt damit zusammen, dass die Yachten immer größer werden , und damit wird auch die Entfernung von der Besatzung zur See immer größer. Die Kochs konnten vom Cockpit ihrer Kairos aus mit der bloßen Hand das Wasser erreichen. Von meiner 10-Meter-Yacht Thalassa ging das ebenfalls, wenn auch mit allergrößter Mühe. Doch von meinen 15-Meter-Yachten (Mono und Kat) wäre sowas aussichtslos gewesen. Das bedeutet aber auch, dass die Segelei mit zunehmender Schiffsgröße immer trockener wird. Auf meinem 15-Meter-Kat habe ich mein Beiboot, ein Banana-Boot längsseits an der Reling gefahren, worauf sich einige Schlaumeier im Internet das Maul den Mund  zerrissen haben, dass ja auch die Reling weggerissen werden könnte, wenn eine See überkommt. 

Tatsache ist, dass ich die berühmte "überkommende" See mit meiner Thalassa in 10 Jahren und fast 20 Tausend Seemeilen nicht ein einziges Mal erlebt habe, dass also niemals grünes Wasser das Deck erreicht hat. Weil mit dem Einsteigen von Seen ab einer bestimmten Schiffsgröße nicht mehr zu rechnen ist, sehen die Konstrukteure auch nicht ein, warum sie auf vergleichsweise große Fenster/Luken "nur" aus Sicherheitsgründen verzichten sollten. Im Schrifttum findet sich häufig die Formulierung von der "See, die einsteigt". Tatsächlich ist auf unserer Weltumsegelung im Passat mal eine See von achtern eingestiegen , besser gesagt "reingeschwappt", aber das war eben auf der "kleinen" 10-Meter-Yacht. Also zusammengefaßt: In meinem Segelleben habe ich ein einziges Mal massives Seewasser,  nicht einmal an Deck, sondern nur im Cockpit gesehen(!).

Ich will damit sagen, dass man bei Fragen der Sicherheit ruhig  mit Wahrscheinlichkeits-Prozenten rechnen kann, dann wird es augenscheinlicher, warum man sich zu diesem Thema nicht allzuviel Gedanken machen soll. Wobei davon ausgegangen werden muss, dass es das absolut sichere Schiff nicht gibt! Das anzustreben, wäre töricht. Warum soll ich bei der Ausrüstung und bei der Auslegung einer Yacht Kompromisse gegen den Raumbedarf und die Kosten eingehen, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass es für das Überleben gerade darauf ankommem könnte, nur ganz knapp über Null Prozent liegt. Bei jeder normalen Autofahrt gehen wir ein vielfaches Risiko ein und trotzdem würde niemand auf die Idee kommen, generell auf das Autofahren zu verzichten.

Hinzu kommt, dass auch eine Art Taucherglocke auf dem Deck, eben die erwähnte "Moitessier-Blase" ,  sicher nicht das Gelbe vom Ei ist. Soviel ich weiß, hat Bernard sie wegen schlechten Wetters auch nur ein einziges Mal in einem mehrtägigen Sturm benutzt, als seine Selbststeueranlage nicht mehr in der Lage war, die vor dem Wind ablaufende Joshua (Bild) auf dem gewünschten Kurs zu halten. Offensichtlich hat ihm die Kuppel das Steuern erleichtert, auch wenn ich mir vorstellen kann, dass unter dem salzverkrusteten Plexiglas die Sichtverhältnisse nicht sehr gut gewesen sein können . Man kann auch annehmen, dass es für ihn  im Sturm sicher nicht einfach war, seinen Körper so zu beherrschen, dass er im tosenden Seegang nicht dauernd mit dem Kopf gegen die Kuppel gestoßen ist.

Nebenbei: Als ichBernard (Bild) nach seinem Eineinhalb-um-die Welt -Törn (siehe "der verschenkte Sieg") zu seiner Sturmtaktik befragt habe, meinte er ganz locker, dass er diese in weiten Kreisen diskutierte und bewunderte Sturmtaktik nicht mehr angewendet hat, weil seine um ein paar hundert Kilogramm erleichterte Stahl-Joshua ein "ganz anderes Schiff" gewesen sei (tatsächlich war es das gleiche, mit der er von Tahiti nonstop um Kap Hoorn ins Mittelmeer gesegelt ist!).

Es spricht aber noch ein weiteres Argument gegen die Verwendung ausschließlich kleiner (und damit unbequemer) Luken und gegen einen innen-liegenden Steuerstand, der ja zusätzliches Geld und Platz kosten würde. Meine Windsteueranlage, die wunderbare Aries von Nick Franklin, hat nämlich auf dem gleichen Kurs wie dem von Bernard gesegelten, also von Tahiti ins Mittelmeer, meine THALASSA II derart gut gesteuert, dass wir trotz extrem harten Wetters nicht einen einzigen Meter per Hand steuern mussten. Und ähnlich wird es auf anderen Langfahrt-Yachten sein. Man erkennt das auch an Beispielen im Schrifttum, wo jeweils Alarmstufe ROT herrscht, wenn der Ruderautomat (elektrisch oder per Wind) mal aussteigt.

Und zu allerletzt sollte man berücksichtigen, dass man zum Beispiel während einer Weltumsegelung auf der Yacht in erster Linie auf Ankerplätzen oder im Hafen lebt, und nur ganz gelegentlich, nämlich in der Größenordnung von einem Viertel der gesamten Törndauer, segelt oder motort - was jeder mit den Aussagen der zahlreichen Weltumsegler in der Rubrik Who-is-Who selbst im Kopf nachrechnen kann.

Wirklich wichtig ist, wenn man das eigene Leben liebt, sich per Sonnensegel oder auch Kuchenbude vor der Sonne zu schützen. Und gegen die tropische Hitze helfen geöffnete zahlreiche Luken, die am Ankerplatz den von vorne kommenden Wind durchströmen lassen wie auf meinem Katamaran.

Dass Pieters sich nach seinem Welttörn mit einem Acht-Meter-Schiffchen nach einem innenliegenden Innensteuerstand sehnt, ist bei der dortigen Nähe zum Wasser nicht verwunderlich. Wir werden sehen, wenn er uns seine zukünftigen Erfahrungen mal schildert.

Schöne Grüße

Bobby Schenk

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