Besucher fragen, Bobby Schenk antwortet


Guten Tag, Herr Naef,

für Ihre Anteilnahme bedanke ich mich!

Es freut mich immer, wenn sich wieder mal ein Segler für dieses bezaubernde Hobby Astro begeistert. Denn unbedingt notwendig für die Hochseesegelei ist sie wohl kaum noch. Im Internet findet man hierzu manchmal die irresten Ansichten, die darauf hindeuten, dass die Leute, die sich dazu äußern "müssen", nicht nur Null Ahnung von der Materie haben, sondern schlichtweg dumm sind oder besser gesagt, deren geistiger Horizont am Rande des Smartphone-Displays endet. So fand ich mal die beklemmende Meinung, dass man auf einem schwankenden Schiff, wie es so eine Yacht nun mal ist, ein Gestirn gar nicht genau genug zum Navigieren messen kann.

Was für ein Nonsense!

Schließlich sind nicht nur die Santa Maria, die Pinta und die Niña von  Kolumbus  - der konnte allerdings nur die  Schiffsbreite (für alle Nonsense-Autoren: "Schiffsbreite" ist hier nicht die Entfernung von Backbord nach Steuerbord!) bestimmen - und später unzählige Weltumsegel-Yachten, sowie die gesamte Berufs-und Kriegsschifffahrt mit Hilfe der Astronavigation und eines Sextanten in allen Teilen der Welt Hunderte von Jahren geskippert worden.

Warum die Navigation mit Hilfe der Gestirne gerne ins Fach der Geheimnisse abgeschoben wurde, liegt daran, dass zwar das Messen von Sonne, Mond, Planet und Stern einfach und zuverlässig ist, wenn man einen simplen Kunstkniff beherrscht, dass aber die rechnerische Auswertung des gemessenen Winkels nicht ganz einfach ist, vor allem dann, wenn man hierzu keine geeigneten Tafeln oder Formeln benutzt.

Um die Navigation zu erleichtern, wurden schließlich Mitte des vergangenen Jahrhunderts verschiedene Auswertungs-Tafeln entwickelt, die die Verarbeitung von Meßzeitpunkt und Sextantwinkel entscheidend vereinfachten. Eine davon ist die Tafel HO 249 (jetzt: Pub.NO249) , die speziell dafür entwickelt wurde, in der (Bomben-)Fliegerei einfach und schnell zu einem Standort zu kommen. Klar, dass man bei der Suche nach einem Standort bei einer Geschwindigkeit von mehreren hundert Knoten darauf zu achten hatte, möglichst schnell zum Ergebnis zu kommen, wobei  zugunsten der Einfachheit an die Genauigkeit des Ergebnisses nicht die höchsten Anforderungen gelegt hat. Davon profitierten wir Weltumsegler mit den HO249-Tafeln ein halbes Jahrhundert lang. Ab- oder Aufrundungen auf ganze Seemeilen trübten in der Praxis das Rechenergebnis nicht.

Wie hoch war aber die Genauigkeit in der Praxis: Ein geübter Nautiker wird bei annehmbarem Wetter auf plus/minus 2 Winkelminuten (das sind 2 Seemeilen) genau messen. Die NO249-Tafeln geben nur ganze Winkelminuten, also keine Bruchteile davon an - siehe Bild links. Was zur Folge hat, dass der so errechnete Standort höchstens auf eineinhalb Seemeilen genau ist. Die Meßungenauigeit hinzugezählt ergibt also eine garantierte(!) Genauigkeit von drei bis vier Seemeilen. Mehr als ausreichend, um die Welt zu umrunden.

Aus dem Bestreben, zwar die Einfachheit der Rechnung fast(!) beizubehalten, die Rechengenauigkeit aber zu steigern, wurden daraufhin für die Seefahrt (wo es nicht so sehr auf schnelle Ergebnisse ankommt) die HO229 entwickelt, die auch die Nachkommastellen berücksichtigt, sodass hier die Rechenungenauigkeit gegen Null tendiert. Zudem wurde mit sechs Bänden (gegenüber drei bei der NO249) gearbeitet und eine Tafel für ausgewählte Sterne ("selected stars") fehlt. Es gibt noch ein paar Unterschiede mehr, zum Beispiel bei der Gestirnsbreite, aber das spielt in der Praxis keine Rolle. Ich habe jedenfalls bei geschätzten tausend Gestirnsmessungen keinen Augenblick erlebt, wo ich zugunsten der HO229 mit der NO249 unzufrieden gewesen wäre. Ja, ich kenne keine Yacht und hab auch nicht von einer gehört, die mit der HO229 navigiert hätte.

Mit freundlichen Grüßen

Bobby Schenk

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