Besucher fragen, Bobby Schenk antwortet


Hallo Herr Rein,

Ihre Frage ist durchaus berechtigt. Ich habe vor vielen Jahren Rollo Gebhard nach dem Selbststeuern befragt und er hat kurz und bündig geantwortet, dass sich sein Schiff (eine bayerische Condor von Stöberl) selbst steuere. Ich bin auch sicher, dass er keine Selbststeueranlage benutzt hat, eine elektrische schon gar nicht!

Es ist aber keineswegs so, wie vielleicht der Laie denkt, dass es ausreicht, die Pinne fest zu laschen und dann fährt die Yacht eben geradeaus, ohne dass jemand am Ruder sitzt. Denn diese Art der "Selbststeuerung" wird mit einer Reihe von Kompromissen erkauft, sei es die Wahl eines zum aufsichtslose n Steuern geeigneten Kurses oder sei es der Einsatz einer Besegelung, bei der nicht die Effektivität für eine möglichst schnelle Fahrt, sondern das "Selbersteuern" im Vordergrund steht. Von den Kochs (erstes deutsches Weltumseglerpaar) weiß ich es: Sie haben auf ihrer neuneinhalb Meter langen KAIROS (Foto links) nach Kursen, ungefähr "vor dem Wind", förmlich gesucht, um durch den Einsatz einer Steuerungshilfe durch "Passatsegel" von der "Knechtschaft des Rudergehens" (wie sie selbst schreiben, daher der Titel "Hundeleben"!) befreit zu sein.

Und bei Slocum war es sicher nicht viel anders, eine Windselbststeueranlage hat er definitiv nicht gehabt.

Die früher so verbreiteten Passatsegel (Foto rechts) verdanken ihre Existenz der Tatsache, dass die Achterholer so justiert und auf die Steuerung umgelenkt werden konnten, dass sie die Pinne bewegten und auf diese Weise das Schiff auf Kurs hielten. Nebenbei: Inzwischen verlieren die Passatsegel (oder auch "Doppelfocks") ihre Bedeutung, man sieht sie kaum noch auf Weltumsegelyachten. Die modernen Ruderautomaten (elektrisch oder per Wind) haben nunmehr das Kommando über die Yacht übernommen, so dass die schwer zu riggenden Passatsegel überflüssig geworden sind. Moderne Windsteue r anlagen (Aries, Monitor, Windpilot) arbeiten heute so zuverlässig bei jedem Wind und bei jedem Kurs, dass Kompromisse bei der Besegelung oder bei der Schiffsrichtung nicht mehr notwendig sind. Als wir von Tahiti ums Kap Hoorn ins Mittelmeer mit nur einem Stopp auf 13 Tausend Meilen gesegelt sind, haben wir nicht eine Sekunde(!) das Ruder selber in die Hand genommen - außer bei den wenigen Meilen unter Maschine in Hafennähe!

Dass solche Helden wie Gebhard und Slocum die Runde um die Welt ohne Windsteueranlage gemeistert haben, verdanken sie sicher ihrem Erfindungsreichtum unterwegs und unvorstellbarer Energie!

Zum Schluss: Niemand sollte sich diese Weltumsegler vergangener Zeiten in puncto Selbststeuern zum Vorbild nehmen, nachdem heute erstklassige Anlagen zur Verfügung stehen. Immer noch erlebe ich Weltumsegelaspiranten, die bei der Vorbereitung einer Blauwasserfahrt der Selbststeuerung keine Aufmerksamkeit schenken. Umso schwerer tun sie sich dann spätestens auf den Kanaren, wenn sie durch tagelanges knechtische Rudergehen zu der Einsicht gezwungen wurden: eine Windsteueranlage muß her - bevor es weitergeht!

Mit freundlichen Grüßen

Bobby Schenk

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