Besucher fragen, Bobby Schenk antwortet
Liebe Frau H.,
diese Frage wird oft an mich gestellt, vor allem von Seglerinnen.
Ich leiste mir gerade einen Faupax angesichts des augenblicklichen Gender-Mainstreamings? Mag sein, aber so sind halt nun mal die Fakten. Doch im Ernst: Ich kann Ihre Bedenken nur allzu gut verstehen, und es gilt ja auch, einiges zu bedenken:
1. Ist eine jahrelange Weltumsegelung eine besondere Belastung für die Gesundheit?
2. Ist eine Weltumsegelung ein zu gewagtes finanzielles Abenteuer?
3. Ist das Segeln über die Weltmeere gefährlicher als das übliche Freizeitsegeln auf Ost- und Nordsee?
zu 1):
Sie haben Ihr Alter nicht erwähnt. Aber wenn Sie und Ihr Mann altersgemäß gesund sind, sind keine besonderen Probleme zu erwarten. Natürlich gibt es auf der von Ihnen beabsichtigten Route nirgendwo solch hervorragende Behandlungsmöglichkeiten wie in Deutschland. Doch seit der weltweiten Ausbreitung des Tourismus ist die medizinische Versorgung in fast allen Ländern, die Sie anlaufen werden, hinnehmbar gut. Und in schweren Fällen werden Sie es sich leisten können, sich in ein Land ausfliegen zu lassen, in dem Sie die notwendige Behandlung bekommen.
Ernstnehmen sollten Sie die Tropenkrankheiten. Das Dengue-Fieber kann man, wenn man jung ist, nach ein paar schmerzvollen Tagen durchaus überleben. Im fortgeschrittenen Alter jedoch setzen einem jedoch die tropischen Krankheiten - an erster Stelle die weit verbreitete und unheilbare Malaria - in lebensbedrohlicher Weise zu. Aber wenn Sie die Empfehlungen des Deutschen Tropeninstituts befolgen und sich durch Impfungen und Vorsicht an Bord gegenüberall lauernde Unfallgefahren schützen, ist die Erhöhung der Gesundheitsgefahr während einer Weltumsegelung zu vernachlässigen.
zu 2):
Ich kenne auch Ihre Vermögensverhältnisse nicht, kann also die finanzielle Frage nur allgemein beantworten.
Eines ist gewiß: auf die Möglichkeit, unterwegs Geld zu verdienen, sollte man nicht spekulieren. Unzählige geplante Weltumsegelungen sind daran gescheitert, daß die erwarteten Chartergäste ausgeblieben sind, daß man keine Arbeitsgenehmigung erhalten hat oder daß sich die Weltumsegelung wegen Reparaturen, Krankheiten oder - derzeit - wegen Corona-Restriktionen unerwartet in die Länge gezogen hat.
Steht nur ein schmales Budget zur Verfügung, sollte man die Finger von dem Abenteuer lassen. Die Zeiten, in denen man sich mit Kokosnüssen und Fischfang ernähren konnte, sind vorbei. Und an schönen Plätzen kommt es durchaus vor, daß Yachten von billigen Ankerplätzen in teure Marinas weggescheucht werden.
Was die immer wieder gestellte Frage nach den Lebensunterhaltskosten angeht, so gilt im Normalfall: das Leben unterwegs kostet so viel wie das Leben zuhause. Das klingt erst mal harmlos, aber man muß bedenken, dass unterwegs kein Geld verdient, sondern nur ausgegeben wird. Wer das erst merkt, wenn er unterwegs ist, für den ist eine Weltumsegelungzu gefährlich.
zu 3).
Wenn Sie mit Ihrer großen Yacht schon in englischen Gewässern am Kanal gesegelt sind, dann sind Sie bestens vorbereitet. Sie werden auf der Passatroute durech den Panama-Kanal, die ich Ihnen dringend empfehle, kaum ein schwierigeres Gewässer antreffen. Nicht, weil diese Route sehr leicht wäre, sondern weil sie am ehesten berechenbar ist. Der Ausdruck "Barfuss-route" verleitet Viele zu glauben, dort herrsche ein ständig heiteres Klima, in dem nichts besonderes passieren kann. Das ist falsch! Die Gefahr gegenüber dem Freizeitsegeln an der Küste ist größer, weil Sie ständig unterbemannt segeln. Denn auf langen Strecken werden immer nur Sie oder Ihr Mann auf Wache sein, das Schiff wird sozusagen immer einhand gesegelt. Was natürlich bei blitzschnell erforderlichen Manövern keine optimale Ausgangslage ist und zu durchaus kritischen Situationen führen kann.
Ansonsten ist die Wahrscheinlichkeit höher als anderswo, mit gutem achterlichem Segelwind und ohne Stürme vorwärts zu kommen. Stürme sind, ander als in den berüchtigten "Roaring Fourties", nicht an der Tagesordnung - aber sie kommen vor. Und zwar überall. Und bei den gar nicht so selten tropischen Zyklonen auch aus allen Richtungen. Insgesamt jedoch wird das Wetter um einige Grad bessere sein als z.B. in der Nordsee. Nachdem Sie dort schon gesegelt sind, wird das Wetter auf dem offenen Ozean für Sie also keineswegs überraschend hart sein, zumal Sie im Gegensatz zu reinen Küstengewässern, wie z.B. im englischen Kanal, jederzeit nach Lee ablaufen können, ohne Gefahr zu laufen, auf einige Klippen vor der Küste geworfen zu werden.
Bei der Frage nach der Gefährlichkeit einer Weltumsegelung wird immer auch auf Piratenüberfälle hingewiesen. Doch die sind nur dann ein Thema, wenn man so unklug ist anzunehmen, daß Piraten einem nichts anhaben können; der Segler, der dieser Meinung war, ist zwischenzeitlich enthauptet worden.
Gebiete, in denen es zu Übergriffe auf Yachtsleute gekommen ist, müssen eben konsequent gemieden werden. Wenn man sich daran hält, lebt man auf einer Weltumsegelung sicherer als derzeit in Deutschland.
Und nun das Wichtigste:
Bei einer Weltumrundung entlang der Passatroute, also ungefähr den Äquator entlang, ist unbedingt die Hurricane-Zeit zu berücksichtigen. Diese ist auf der Nordhalbkugel in unseren Sommermonaten, auf der Südhalbkugel umgekehrt. Am besten verläßt man dann die gefährdeten Gebiete (meist auf der Westseite des Ozeans) und hält sich ein halbes Jahr abseits auf. Das ist der Grund, warum - vor Corona - jedes Jahr regelrecht eine Seglerkarawane von Fiji nach Neuseeland gesegelt ist. Ich kannte zwei Segler sehr gut, der sich um solche Dinge nicht geschert haban. Sie sind auf See geblieben.
Oder man sucht in der Hurricane-Zeit einen "Hurricane-sicheren" Platz/Hafen. Aber Vorsicht: wenn ein ausgewachsener Hurricane direkt über ein derartiges "Hurricane-Hole" drüber geht, kann auch alles verloren sein. Das ist die größte Gefahr bei einer Weltumsegelung, zumal infolge der Erderwärmung solch bewährte Hurricane-Vorausberechnungen oft nicht mehr zu funktionieren scheinen.
Ich fasse also zusammen:
Beachtet man die oben erwähnten Regeln, so ist eine Weltumsegelung sicher nicht gefährlicher als das "normale" Leben in Deutschland.
Nachsatz:
Das ist meine ganz persönliche Meinung, basierend auf vielen Jahren auf See in aller Welt. Aber das ist eben eine Einzelerfahrung. Es ist sinnvoll, auch die Meinungen anderer erfahrener Weltumsegler (nicht von Leuten, die um die Welt segeln wollen !) zu hören.
Auf meinem Blauwasser-Seminar demnächst können Sie mindestens eine Handvoll solcher Weltumsegler antreffen und auch diesen die Frage stellen: "Wie gefährlich ist eine Weltumsegelung?" - Näheres hier!
Mit freundlichen Grüßen
Bobby Schenk
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