Besucher fragen, Bobby Schenk antwortet


Lieber Markus,

Sie sind mit dieser Frage nicht allein. Die zahlreichen Beiträge auf meiner Webseite, die sich mit Seekrankheit befassen, haben hier die höchsten Besucherzahlen überhaupt. Besonders der gründliche Artikel von Thorsten Siebenborn Thorsten Siebenborn mit Ergänzung meiner Frau Karla, von Beruf Apothekerin hat alle Leserekorde gebrochen.

Ich glaube, es gibt niemand unter Fahrtenseglern, der nicht schon einmal mit diesem Thema konfrontiert worden sind. Und viele geplante Weltumsegelungen sind dieser bereits in der Planungsphase zum Opfer gefallen. Was ja vielleicht im Nachhinein besehen gar kein Unglück war. Tröstlich ist sicher: Es gibt wahrscheinlich keinen gesunden erwachsenen Menschen (Babys werden angeblich nicht seekrank), der gegen diese Geisel der Seefahrt völlig immun ist. Ich hab freilich einige auf meinen Törns unter den Gästen erlebt, die damit geprahlt haben - vor dem Törn....

Als Kind ist mir regelmäßig schlecht geworden, wenn ich mit meinen Eltern im Auto mitfahren musste. Später, vor allem wenn ich selbst am Steuer saß, schien ich unempfindlich geworden zu sein. Etwas, was die meisten Autofahrer bestätigen können, und was sehr viel über die psychische Komponente der Seekrankheit aussagt.

Später bei den ersten Törns, ja auch beim Mitsegeln, ist mir öfters schlecht geworden. Aber nie soweit, - wie wollen mal offen über diese Krankheit reden -, dass ich kotzen musste. Vielleicht habe ich vor der Würgerei beim Erbrechen einen noch größeren Respekt, als vor der Seekrankheit, sodass mir die Angst vielleicht hilft, das Theater nach einiger Zeit ohne größere Blessuren zu beenden.

Meine sicher ganz normale Empfindlichkeit und hat sich später gelegt, auch wenn ich nach wie vor einen Horror vor dieser Krankheit davor habe. Bei meinen Mitseglern habe ich zum Teil ziemlich schlimme Anfälle erlebt, doch bei allen bis auf einen Freund hat sich das nach einigen Tagen gegeben. Dieser Freund war während des mehrtätigen Törns ununterbrochen seekrank, mit allen Konsequenzen, hat aber diese unvorstellbaren Torturen klaglos hingenommen. Respekt!

Über die Jahre haben wir, Karla und ich, folgende Rezepte für den Törnbeginn eingehalten, um das Schlimmste zu verhindern. Und die sahen so aus:

1) niemals in schlechtes Wetter hineinsegeln

2) niemals auf die Idee kommen, "Arbeiten" am Schiff, wie zum Beispiel Malen des Decks oder ähnliches, unterwegs zu erledigen. Das Schiff muss beim Absegeln in "excellent condition" sein.

3) Essen vorkochen.

4) Zu Beginn eines Törns die Freiwache möglichst liegend , also in der Koje zubringen.

5) Mittel gegen die Seekrankheit immer zur Hand haben. Unvorstellbar, wenn man zwischen den Erbrechensphasen unerwartet nach einem geeigneten Zäpfchen unten in der Bordapotheke erst suchen muss.

Spätesten 2 Tage nach Törnbeginn fühlten wir uns dann regelmäßig gegen sie Seekrankheit gewappnet. Wahrscheinlich heißt jeder Langfahrtsegler diese Regeln gut.

Karla hat sich ebenfalls nicht ein einziges Mal auf unseren Törns erbrechen müssen, obwohl sie nur bei ganz problematischen Überfahrten zu einer Tablette gegriffen hat. Im Gegensatz zu mir, der ich schon mal prophylaktisch vor dem Auslaufen - heimlich - eine Tablette konsumierte. Wir haben damals das vor allem in den USA propagierte Bonamine genommen, das in Deutschland unter den Namen Postafen (Fa. UCB), Postadoxin (Fa Rodleben) und Diligan (Fa.UCB) erhältlich war.

Mit Vitamin C, eines der vielen "sicheren Vorbeugungsrezepte" haben wir keine Erfahrungen gesammelt; ebenfalls nicht mit dem Sea-Band (links). Das berühmte Pflaster hinter Ohr haben wir nicht probiert, weil wir von Seglern schlimme Nebenwirkungen(Halluzinationen) gemeldet bekamen. Auch mit Akkupunktur in jeder Form (rechts) haben wir keine persönlichen Erfahrungen gemacht. Ja, und die Ingwer-Knolle haben wir konsumiert, aber irgend eine Wirkung haben wir nicht gespürt.

Vielleicht fragt sich der ein oder andere, warum wir nicht alle diese Hilsmittel selbst ausprobiert haben, denn Zeit genug hatten wir auf unseren langen Törns? Antwort ganz einfac: Wir glaubten ja, mit unseren einfachen Hilfsmitteln - siehe oben - auf der sicheren Seite zu sein. Warum also sollten wir da ein Experiment eingehen, wir hatten vor den Nebenwirkungen der Seekrankheit einfach zuviel Respekt, man kann auch sagen "Angst"?

Dass jede Seekrankheit auch(!) psychische Ursachen haben kann, ist bekannt. Als wir lange nach unseren großen Törns mit unserem 46-Fuß-Katamaran irgendwo bei Windstille, bestem Wetter und glatter See in den friedlichen türkischen Gewässern herummotorten, wurde mir beim Lesen eines Buches ohne erkennbaren äußeren Anlass plötzlich schlecht, sodass ich mich unten eine Stunde lang hingelegt habe. Das wars dann auch.

Dass uns die Seekrankheit nie ernsthaft erwischt hat, liegt vor allem auch daran, dass wir uns immer auf die jeweiligen Törns gefreut, also auch keinerlei Ängstlichkeit verspürt haben.

Markus, Sie haben nicht mitgeteilt, ob sie allein oder in Begleitung auf einen großen Törn gehen wollen. Wenn Sie also kein Einhandsegler werden wollen, dann könnte Folgendes noch nützlich sein: Ich hab schon zahlreiche Zuschriften von Seglern bekommen, die sich darüber beklagen, dass ihre Frau oder Freundin beim Segeln (oder gar schon im Hafen) so leicht seekrank wird, Das mag auch daran liegen, dass die Bedauernswerte den Törn ängstlich antritt, weil sie nämlich das Segeln bei weitem nicht so liebt, wie der Herr Gemahl oder Freund glaubt. Denn - Gender hin, Gender her - umgekehrt gibt es anscheinend solche Probleme gar nicht. Eine Meinung, die manche vielleicht für abwegig halten. Trotzdem: Ein ernsthaftes vertrauliches Gespräch könnte da sicher nicht schaden.

Smooth Sailing

Bobby



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