Besucher fragen, Bobby Schenk antwortet


Beidrehen und Durchschlafen auf der Barfußroute?

Lieber A.!

Zu Beginn: Es gibt keine dummen Fragen, wie du es in der Betreffzeile deiner E-Mail treffend ausgedrückt hast, sondern lediglich unpassende Antworten. Mein Ziel ist es, das hier zu vermeiden!

Es freut mich, dass du dich für das Blauwassersegeln interessierst. Für tausende Segler - und auch für mich - gibt es keine schönere Lebensweise. Vielleicht träumst auch Du davon, einmal mit deiner eigenen Yacht die Weltmeere zu bereisen.

Dass Deine Fragen bisher nicht sehr praxisnah sind, liegt nicht allein an dir und deiner geringen Erfahrung auf diesem Gebiet, sondern auch an der Bezeichnung "Barfußroute". Mir persönlich gefällt dieser Begriff überhaupt nicht, denn er hat keine praktische Relevanz und ist, wie man an Deinen Fragen erkennen kann, völlig irreführend.

Offensichtlich ist hier die Strecke entlang des Äquators nach Westen gemeint. Yachten nehmen diese Route meist, wenn sie nach Westen, beispielsweise in Richtung Karibik, segeln wollen, aufgrund einer rein seemännischen Überlegung. Dort wehen die Passatwinde, die für die Überquerung des Ozeans in westliche Richtung günstige Winde bieten. Moderne Yachten sind, um es deutlich zu sagen, auf den Weltmeeren aufgrund ihrer Bauweise ziemlich ineffizient, wenn es gegen den Wind geht. Die Engländer drücken es so aus: "Gentlemen don't go to windward." Der Hauptgrund für das Segeln auf der Passatroute ist also ein seefahrerisches Gebot. Nicht zu vergessen: Die Engländer bezeichnen die Passatwinde als "Trade-Winds", Handelswinde, das sagt eigentlich alles!

Der von dir verwendete Begriff "Barfußroute" vermittelt Leuten wie Dir den Eindruck, dass diese Route entspannt, ungefährlich, bequem oder sogar kinderleicht ist. Und das ist falsch!

Alle Wetterextreme, die man in stürmischeren Gebieten fürchtet, treten auch entlang der Äquatorroute auf, also Stürme und Flautenperioden. Es gibt Berichte über Yachten, die in vermeintlich ungefährlichen Gebieten im Sturm versanken, beispielsweise auf dem Weg von Neuseeland nach Fiji, oder die bei schlechtem Wetter auf Riffe liefen und als Totalverlust endeten. Der Unterschied zu vermeintlich gefährlicheren Gebieten besteht im Wesentlichen darin, dass Wetterextreme auf der Passatroute wesentlich seltener vorkommen als in den hohen südlichen oder nördlichen Breiten. Doch in einem Punkt haben die Passatregionen sogar einen entscheidenden Nachteil: Die Gefahr von Hurrikanen ist entlang der Äquatorroute wesentlich höher. In Fiji, direkt auf der sogenannten "Barfußroute" - ich verwende den Begriff hiermit zum letzten Mal -, traf uns damals der verheerendste Hurrikan "Bebe" mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 150 Knoten.

Trotzdem ist das Segeln - meistens - mit den Passatwinden gemütlicher und, wenn alles am Schiff in Ordnung ist, angenehmer. Zudem hat man weniger mit dem Schiffsverkehr zu tun.

Aber das ist der entscheidende Punkt: Ein persönlicher Ausguck rund um die Uhr ist gesetzlich vorgeschrieben. Wenn also die Mannschaft schläft und es zu einer Kollision mit einem anderen Schiff kommt, ist der schlafende Schiffsführer allein verantwortlich. Das kann bis zu einem tödlichen Unfall führen.

Zugegeben, die Gefahr ist in den abgelegenen Gegenden entlang der Passatroute nicht sehr groß, aber das Risiko ist dennoch erheblich. Und selbst in Gebieten außerhalb der Schifffahrtswege (wie im Buch "Ocean Passages for the World" verzeichnet) trifft man gelegentlich auf andere Yachten, Handelsschiffe oder, gar nicht so selten, Fischer, die gegenüber einem Segelschiff Vorfahrt haben.

Einmal traf ich auf einer Atlantiküberquerung zwei ältere Herren, die so vorgingen, wie du es erfragst. Jeden Abend holten sie die Segel herunter und gingen schlafen. Auf diese Weise überquerten auch sie den Atlantik, allerdings in 50 Tagen.

Ob das jedoch aufgrund des fehlenden Ausgucks empfehlenswert ist, muss jeder für sich entscheiden. Erfahrungsgemäß hat jeder Segler den Ehrgeiz, eine mühsame Atlantiküberquerung so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Und abgesehen davon ist das sicherlich nicht die bequemste Art, auf dem Meer unterwegs zu sein. Der Seegang lässt kaum je nach, sodass auch das Beidrehen möglicherweise unbequemer ist als das Weitersegeln, insbesondere wenn die Selbststeueranlage das Steuern übernimmt.

Zu guter Letzt: Selbst wenn man tatsächlich die Nerven hat, sich in die Koje zu legen, wird man keine entspannte Nacht erleben. Was ist das für ein seltsames Geräusch im Rigg? Ist der Dampfer, den man am Horizont gesehen hat, in unsere Richtung unterwegs? Haben wir alle Lichter eingeschaltet? Klemmt das Großsegel an den Lazy Jacks? All das wird einen im Halbschlaf quälen. Nur der Kamerad oben im Cockpit auf Wache gewährleistet einen entspannten Schlaf in der Koje.

Ich wünsch Dir für später: Smooth sailing!

Bobby

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