YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Frage von
Wolfgang Fieg
Hallo, Herr Fieg,
die 2. Auflage von "YACHTNAVIGATION"
dürfte so im Jahre 1984, also vor 20 Jahren erschienen sein. Trotzdem: An
meiner damaligen Auffassung hat sich nichts, kein Deut geändert!
Möglicherweise sind Sie zu diesem
Missverständnis (und nur um ein solches handelt es sich) verleitet worden, weil
ich an anderer Stelle Hinweise gegeben habe, wie man Radar auf Yachten dazu
einsetzen kann, um anderen Schiffen "aus dem Weg" zu gehen.
Eines
hat sich jedenfalls in den letzten 20 Jahren geändert: Kaum eine Fahrtenyacht
über 12 Meter Länge segelt heute noch ohne Radar herum. Und das ist gut so,
wie ich immer propagiert habe. Der Grund hierfür liegt aber nicht etwas darin,
dass sich die Radars für Yachten in ihrer Leistungsfähigkeit verbessert haben
oder dass die unschönen Antennen etwa handlicher geworden sind, nein, der Grund
ist allein darin zu suchen, dass der Anschaffungspreis für ein Yachtradar so
gesunken ist, dass der Hinweis auf das "teure" Gerät heute einfach
nicht mehr zieht. Hierbei muss man den Anschaffungspreis für ein Radargerät im
Verhältnis zum Anschaffungspreis einer Yacht sehen. Während früher runde
10000 Mark für ein Yachtradar nebst Einbau auf den Tisch zu legen waren, kostet
ein vernünftiges Radar heut unter 5000 Mark, wobei sich der Anschaffungspreis
für die Yacht in den letzten zwei Jahrzehnten ungefähr verdoppelt hat.
Mindestens.
Der Preis, sich kein unschönes Radar mehr
anschaffen zu müssen, zieht heute also als Ausrede nicht mehr. Die häßliche
Torte (Antenne) war noch nie ein gutes Argument, weil ihr Durchmesser halt in
erster Linie von den verwendeten Frequenzen abhängt.
Und damit sind wir bei der Physik, die
verhindert, dass Radar recht viel zur Kollisionsverhütung taugt. Sie meinen
sicher diesen Begriff in dem Sinn, wie er in der Großschifffahrt
angewendet wird. Da wird trigonometrisch berechnet, dass unser Schiffchen den
Kurs 14 Grad nach Steuerbord zu ändern, um weitere 1 Komma 8 Knoten
beschleunigen muß, damit es im englischen Kanal zwischen 16 anderen Biggies
heil durchkommt. Doch das geht, viele moderne Radargeräte der oberen
Preisklasse machen das sogar automatisch, damit nicht gar erst der
Taschenrechner bemüht werden muss, wie sich das mein ansonsten hochgeschätzter
Schreiberkollege Strepp in seinem Büchlein vorgestellt hatte.
Das geht alles. Nur nicht auf unseren
Yachten. Voraussetzung für solche Berechnungen, erst recht, um ihnen dann auch
zu trauen, sind nämlich zwei Dinge: Erstens ein präzises Radar, was die
Zielerfassung (Target) anbetrifft mit Rundumsicht von einem stabilen Standpunkt
aus und zweitens gleichmäßiger Kurs/Geschwindigkeit.
An
beiden fehlt es auf Yachten. Schuld daran ist die Anbringung der Antenne. Es
gibt auf einer Segelyacht keinen idealen Anbringungsort für die Antenne. Im
Masttopp sind die Bewegungen viel zu heftig für die Antenne (abgesehen von den
mechanischen Belastungen) und ansonsten ist immer ein Mast, oft auch zwei, im
Blickwinkel der Torte. Dies mag bei der Navigation per Radar nicht sonderlich
stören, bei der Kollisionsverhütung sehr. Denn dort sollte ja das Radar
eventuelle Kollisionsgegner rundum(!) im Auge behalten. Hinzu kommt eine weitere
Abschattung durch die gesetzten Segel, selbst wenn sie sich noch im trockenen
Zustand befinden.
Mit Geschwindigkeit und(!) Kurs hapert es am
meisten. Während in der Großschifffahrt der Kurs bei mäßigem Seegang schon
mal auf ein oder zwei Grad gehalten werden kann, und die Geschwindigkeit
ebenfalls nur im Einknotenbereich schwankt, sieht es auf einer Yacht unter Segel
doch diesbezüglich ganz arg aus. Hoch am Wind wird eh nicht dem Kompass,
sondern der jeweiligen Windrichtung gefolgt - mit ihren Drehungen innerhalb
weniger Sekunden. Und die Geschwindigkeit wird ebenfalls nur vom Wind bestimmt,
der immer ein recht unsteter Gesell ist, wie sich gut am Windmesser beobachten
lässt.
Motort
die Segelyacht, schaut es schon besser aus. Und bei Flaute könnte man es der
Großschifffahrt schon mal nachmachen. Aber dann ist es eh kein Kunststück, den
Überblick zu behalten, auch ohne komplizierte Berechnungen.
Warum ich eigentlich dagegen bin, das
Radargerät mit dem Taschenrechner in der Hand zu benutzen, um anderen aus dem
Weg zu gehen, ist, weil diese Art der Schiffsführung auf unseren kleinen und
meist schwach bemannten Yachten eher gefährlich ist. Wer schon mal probiert
hat, auf hoher See bei Annäherung eines Kollisionsgegners auf dem
Taschenrechner eine gar nicht so einfache Berechnung mit Winkelfunktionen
durchzufühen, dabei aber gleichzeitig den Radarschirm beobachten soll, die Segel
wegen des spitzen Kurses im Auge behalten muss, und der dabei den berühmten
Druck im Magen verspürt, weiß, von was ich spreche. Unmöglich, ein
Rechenergebnis zu erzielen, dem ich das Leben meiner Crew und mein Schiff
anvertraue.
Auf Motoryachten mag dies noch angehen, weil
da sowohl Antennenanbringung als auch Kurs und Geschwindigkeit, jedenfalls bei
gutem Wetter bessere Ausgangswerte für eine Berechnung liefern. Doch ist das
bestimmt mehr für Profis denn für Freizeitskipper ohne viel tägliche Praxis.
Ansonsten(!) halte ich Radar für ein
ungeheuer leistungsfähiges Hilfsmittel, um kritischen Situationen bei
Begegnungen mit anderen Schiffen aus dem Weg zu gehen. Voraussetzung hierfür
ist aber, dass der Skipper hierbei ständig die Grenzen der Leistungsfähigkeit
des Radars im Auge behält. Vor allem und über alles hat er zu
berücksichtigen:
Wenn der Radarschirm kein Echo zeigt,
bedeutet das nicht, dass dort kein Schiff, kein möglicher Kollsionsgegner
rumfährt!
Wer diese Tatsache außer Acht lässt,
handelt grob fahrlässig!
Wenn auf dem Ozean ein Licht am Horizont
ausgemacht wird, bedeutet dies bei mir immer Alarmstimmung! Vor allem in
abgelegenen Gebieten, weil davon auszugehen ist, dass der "andere"
nicht mit Schiffsverkehr rechnet. Womöglich ist - entgegen allen
Vorschriften - die Brücke nicht mal besetzt, weil der Wach-"führer"
sich gerade einen Kaffe macht, oder - schlimmer - sich ein neues Bier aus der
Bar holt. Sorry, das ist sicher nicht die Regel, aber auch nicht so
unwahrscheinlich, dass damit nicht zu rechnen ist. Ich könnte hierzu unzählige
Berichte von Schiffsbesatzungen zitieren.
Also, es ist möglich, dass
a) der andere uns gar nicht wahrnimmt
b) jederzeit seine Geschwindigkeit und Kurs
ändern kann (Fischer!)
Darauf haben wir uns einzustellen. Und das
bedeutet auch, dass wir selbst als Wegerechtsinhaber nicht unbedingt Kurs und
Geschwindigkeit beibehalten dürfen, wie es das Gesetz es - eigentlich - will.
Darüberhinaus lässt sich in diesem Moment
noch gar nicht sagen, ob es sich gar um einen Trawler oder Fischer handelt, da
eben nur ein weißes Licht und sonst noch nichts zu sehen ist. Auch nicht im
Fernglas.
Was auch nicht gerade (in der Praxis) zur
Beruhigung beiträgt, ist die Tatsache, dass bei Kursänderungen oft auch ein
Segelwechsel notwendig ist, zumindest ein Neutrimm, wozu zusätzliche Crew aus
der Koje geholt werden muss. Vielleicht!
Das ist jetzt der große Moment fürs Radar.
Wo es spätestens eingeschalten werden sollte, denn es wird uns viel mehr
verraten als unser optisches "Licht am Horizont". Das erste
Aha-Erlebnis wird der Mann am Schirm haben, wenn er den "Lichtpunkt"
als Echo auf dem Schirm hat. Oder auch nicht. Im letzteren Fall kann es sein (muß
aber nicht, siehe oben!!!), dass das andere Schiff
a) noch so weit weg ist, dass sein Echo zu
schwach ist, um sich abzubilden
b) vielleicht ein Segler (mit dem
stromsparenden, aber gesetzeswidrigen Rundumlicht) ist, der eben erst ein Echo
auf ein bis drei Seemeilen Entfernung abgibt.
Meistens werden wir aber ein Echo auf dem
Schirm sehen in der Gegend zwischen 5 und 12 Seemeilen. 12 Seemeilen: Aufatmen,
denn dann haben wir jetzt genügend Zeit, den anderen zu beobachten, um
herauszufinden, ob er uns was angeht.
Was wir immer machen sollten in diesem
Moment: Peilstrich und VRM-Ring (Variable Range Marker) auf das Echo
und(!!!) den im Moment anliegenden Kompasskurs notieren. Ist nämlich das Radar
wie meist auf Yachten nicht nordstabilisiert, ist eine Seitenpeilung
(Peilstrich) ohne Kompasskurs gar nichts wert. Oder soviel wie die Markierung
der Schildbürger an der Bordwand. als sie die Glocke versenkten!
Im übrigen, gut zu wissen: Die
Abstandsmessung durch ein Radargerät ist hochgenau (um die 50 Meter), während
die Genauigkeit der Radar-Seitenpeilung (Peilstrich) von einer ganzen Reihe von
zum Teil unwägbaren Faktoren abhängt, in erster Linie von der Feststellung des
jeweiligen Kompasskurses, wobei sich im rauem Seegang der Schleppfehler am
meisten negativ bemerkbar macht.
Wenn wir jetzt das Echo weiter beobachten,
wie es sich langsam entfernt, können wir Entwarnung geben, denn der
Kollisionsgegner ist keiner (falls er es sich später nicht anders überlegt -
Fischer?).
Bleibt der Abstand des Echos zum Schiff
gleich, dürfte er uns ebenfalls nichts angehen, zumindest können wir die
Angelegenheit in größter Ruhe weiterverfolgen.
Verringert sich der Abstand, dann wird in
nächster Zeit keine Langeweile aufkommen.
Man wird in möglichst kurzen Abständen eine
Radarseitenpeilung bei möglichst gleich bleibendem Kompasskurs vornehmen.
Wandert dann die Peilung voraus oder achteraus aus (sicher???), dann wird man
ebenfalls eine ruhige Nacht haben.
Steht die Peilung und(!) verringert sich der
Abstand, dann befindet man sich auf Kollisionskurs und man kann sich allmählich
Gedanken machen, wie man mit dieser Situation seemännisch am besten fertig
wird. Hierzu gehört in erster Linie die Feststellung, um welche Art von
Fahrzeug es sich handelt, was nur optisch, am besten mit dem Fernglas möglich
ist.
Dank des Radars hab ich eine Menge Zeit für die nachfolgenden
Entscheidungen gewonnen.
Das ist der große Vorteil bei der Benutzung des Radars zur
Verkehrsbeobachtung, nicht zur Kollisionsverhütung!
Ich persönlich ziehe es meist vor, meinen
Kurs rechtzeitig (also möglichst früh) so zu ändern, dass es auf die
Vorfahrtsfrage gar nicht mehr ankommt. Andere Segler vertreten dagegen die
Meinung, Segler sollten generell ihr Vorfahrtsrecht nicht aufgeben, weil sie
sonst immer mehr gegenüber der Großschifffahrt an Bedeutung verlieren und
eines Tages nicht mehr als vollwertige Seeschiffe angesehen werden.
Aber das ist eine ganz andere Frage.
Mast- und Schotbruch!
Bobby Schenk
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