YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Frage von
Martin Gorczinski
Sehr geehrter Herr Gorczinski,
ich bin immer noch ein Anhänger des
Langkielers. Leider ist so einer in Europa, wo die "Mode" nur noch von
einer Handvoll Werften diktiert wird, kaum mehr erhältlich. Im Gegensatz zu den
USA, Neuseeland oder Australien, wo das Fahrtensegeln kaum von der
Regattasegelei beeinflusst wird. Das gilt in erster Linie für die Monos,
aber auch bei Mehrrumpfbooten hätte ein langer Kiel eine Reihe von Vorteilen,
die allerdings in diesem Fall meist von der Gewichtsproblematik aufgehoben
werden.
Dass
ein langer Kiel das Trockenfallen erheblich erleichtert, leuchtet ein. Die
Yacht auf dem Bild, mit dem Vertrauen erweckenden Unterwasserschiff wird beim
Trockenfallen keine Probleme haben, wenn sie nur seitlich einigermaßen
abgestützt wird und im Moment des Trockenfallens aufrecht steht. Letzteres ist
keinesfalls selbstverständlich, wie ich einmal erlebt habe, als genau in diesem
Moment ein Motorboot vorbeipreschte und der Schwell das Unterwasserschiff
wegrutschen ließ. Die nachfolgenden 10 Stunden waren ganz schön aufregend.
Daneben
gibt es bei den Kurzkielern, ziemlich exotische Formen des Unterwasserschiffs,
die das Trockenfallen zu einem Abenteuer werden lassen. Es gibt ja eine Reihe
von Gebieten, die nicht wie bei uns mit Slipanlagen bepflastert sind und wo der
Skipper darauf angewiesen ist, die Tide auszunutzen, um am Unterwasserschiff
arbeiten zu können. Man kann sich leicht vorstellen, dass bei der Yacht rechts
derartiges so schwierig ist, dass man besser die Finger davon lässt. Solche
Yachten eignen sich deshalb nur für Gebiete, in denen ein entsprechender Lift
vorhanden ist.
Der viel gerühmte Vorteil von Katamaranen,
die mal schnell den Strand hochfahren (beachen), um sich dort einen neuen
Antifoulinganstrich abzuholen, zählt nicht automatisch zu den Pluspunkten eines
Mehrrumpfbootes. Bei meinem eigenen Privilege ist ein Trockenfallen ohne weitere
Hilfsmittel nicht möglich, weil der Kat wegen der kurzen Kiele wahrscheinlich
nach vorne oder nach hinten auf die Ruder kippen würde, was denen sicher nicht
gut täte. Ich war bis jetzt jedenfalls nicht mutig genug, es auszuprobieren.
Segelt
man in Gebieten, in denen das Trockenfallen zum Alltag gehört (ausgesprochene
Tidengewässer wie die Kanalinseln oder Wattengewässer), wird man sich das
Unterwasserschiff in erster Linie nach seiner Eignung zum Trockenfallen
aussuchen. Dort ist auch die Domäne der Hubkieler, Kimmkieler oder -
eingeschränkt - Kielschwerter. Es wäre aber in meinen Augen nicht
zweckmäßig, sich deshalb ein solches Schiff für die Große Fahrt
anzuschaffen, um "für alle Fälle" gerüstet zu sein. Die Nachteile
von beweglichen Schwertern oder anderer Mechanismen sind bekannt, nämlich
Störanfälligkeit (trotz anders lautenden Zusicherungen von Kontrukteuren
und Werften) und meistens auch zusätzlicher Lärm. Ein Skipper mit einer
holländischen 3-Mio-Renn-Yacht sah in der Türkei ziemlich alt aus, als der
Hydraulikzylinder seiner Hubkielmechanik wegen Korrosion explodierte und damit
der Tiefgang von drei Meter fünfzig (!!!) nicht mehr auf die möglichen 2 Meter
reduziert werden konnte. Und so auch das Becken unter dem Travellift zu
"seicht" geworden war.
Was
ist aber nun der "ideale" Tiefgang? Die Frage zeigt schon, dass sie
nicht pauschal beantwortet werden kann. Er sollte beim Blauwassersegeln so sein,
dass kein Revier wegen zu großen Tiefgangs verschlossen und Trockenfallen
zwischen den Tiden möglich ist.
In weiten Gegenden der Südsee ist der Tidenunterschied um die
Meter fünfzig, sodass dort einem Boot mit entsprechendem Tiefgang ohne weiteres
ein Antifouling verpasst werden kann. Aber auch bei einem Meter achtzig wird man
die größte Fläche des Unterwasserschiffs malen können - die ortsansässigen
Fischer machen es auch nicht anderes.
Ich
hab Langstrecken mit Schiffen zwischen einem Meter fünfunddreißig und zwei
Meter zehn Tiefgang gesegelt. Ich kann mich nicht erinnern, jemals an einem
Platz gewesen zu sein, wo ich mit dem tiefgängigen Stahlschiff nicht
hingesegelt wäre. Denn bei einem gewöhnlichen Tidenhub von eineinhalb Metern,
wird man sich den Ankerplatz nicht danach aussuchen, dass man noch einen
Dezimeter Wasser unter dem Kiel hat. Also, es ist nicht wert, wegen der
Tiefganggröße Kompromisse bei der Anschaffung einer Blauwasser-Yacht zu machen
Alles bis zu zwei Meter zwanzig oder so, ist akzeptabel.
Allerdings: Der Eigner der (früher) berühmten
südafrikanischen Rennyacht JAKARANDA beklagte sich bitter über deren Tiefgang
von zwei Meter sechzig. Einige Häfen seinen ihm bisher verschlossen gewesen,
weil die Zufahrten nur eben über zwei Meter ausgebaggert gewesen seien.
Eine Handbreit Wasser unter dem Kiel
wünscht Ihnen
Bobby schenk
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