YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk
antwortet
Frage von
Gunnar Borenius
Hallo Gunnar Borenius,
schön, dass Sie sich so ernsthafte Gedanken
um die Genauigkeit von GPS machen. Damit sind Sie eine löbliche Ausnahme. Denn
genau betrachtet, spielt sich heute in der Navigation Ungeheuerliches ab.
Zahlreiche Segler skippern los und vertrauen blind der GPS-Anzeige. Ja sie haben
häufig eine einstellung zum Thema Navigation, die schlechthin haarsträubend
sind. Ein paar Beispiele vorweg, die ich selbst am Funk mitbekommen habe:
Da fragt ein "Skipper" in der
Karibik (nicht auf einem Binnensee!) wie lange eigentlich eine Seemeile ist.
Antwort: "Ungefähr eineinhalb Kilometer"!
oder
Ein "Skipper" möchte 60 Seemeilen
von Grenada nach Tobago segeln, hat aber gehört, dass das GPS dort wegen
Service-Arbeiten abgeschaltet werden könnte. Ratschlag des hochseeerfahrenen
Netzleiters: "Unter diesen Umständen ist es besser, nicht zu segeln!"
oder
Ein "Skipper" in einem
Atlantikhafen hat sein GPS zur Reparatur eingeschickt. Das GPS-Hand-Gerät kommt
nicht rechtzeitig von der Firma zurück. Der Skipper verschiebt den Törn auf
nächstes Jahr, weil nach erfolgter Reparatur der Herbst mit schlechtem Wetter
schon zu weit fortgeschritten sei.
Mal ehrlich, diese "Nautiker" sind
doch armseliger als jeder Autofahrer, denn Automobilisten würden wohl eine
Ausfahrt nicht deswegen abbrechen oder verschieben, wenn im Mercedes das
Navigationssystem gestört ist.
GPS ist eine feine, großartige Sache und
stellt den Höhepunkt einer jahrtausendlangen Entwicklung in der Navigation dar.
Aber Tatsache ist, dass es wohl unterm Strich auch dafür gesorgt hat, dass sich
Leute auf dem Meer rumtreiben, die halt vom nautischen Können her dort nichts
zu suchen haben. Ich will da nicht gleich mit der Argumentationskeule
"Sicherheit" kommen, denn meistens gefährden solche Leute ja nur ihr
eigenes Schifferl, oder im ungünstigsten Falle ein versichertes Charterboot.
Also braucht man es auch nicht überbewerten. Aber traurig ist es in jedem Fall.
Also, ich will es mal kurz zusammenfassen:
Wer dem GPS in jedem
Fall(!) und überall(!) und ohne weitere Absicherung eine Genauigkeit von besser
als vielleicht zwei Meilen zurechnet (und vielleicht nachts in dieser Entfernung
- ohne weitere Referenzen - an einem Riff vorbeinavigiert), der handelt grob
fahrlässig.
GPS ist eines der zuverlässigsten und
genauesten Navigationssysteme, die es gibt. Und Fehler kommen außerordentlich
selten vor. Aber sie kommen vor. Und zwar nicht nur theoretisch!
Die Abschalt- und
Verfälschungsmöglichkeiten durch die Betreiber des Systems sind ja schon
genügend diskutiert worden. Dass heute im Zeitalter des staatlichen,
religiösen oder einfach nur kriminellen Terrorismus auch damit gerechnet werden
muss, dass GPS absichtlich von anderen Seiten gezielt gestört wird, liegt
daran, dass dies, jedenfalls regional, technisch gesehen ein Kinderspiel ist.
Und schon passiert ist.
Viel wahrscheinlicher allerdings sind Fehler,
die auf der Ungenauigkeit der verwendeten Seekarten beruhen. In Europa weniger
als in exotischeren Gegenden. Doch unterschätzt sollte dieses Problem auch hier
nicht werden, kommen doch immer mehr elektronische "Seekarten" in der
Praxis zum Einsatz, deren Herkunft gar nicht so selten dubios ist und hinter
denen nicht unbedingt staatliche oder andere seriöse Vermessungsstellen stehen.
Solche Fehler erreichen übrigens häufig die genannten zwei Seemeilen.
Ja, und dann gibt es, wenn auch selten,
Fehler auf Grund von technischen Störungen. Beispielsweise war vor nicht allzu
langer Zeit ein Satellit gestört und ausgefallen, was über viele Stunden
niemanden, dem System schon gar nicht, aufgefallen war. Dies hat dazu geführt,
dass in diesem Zeitraum GPS-Positionen in europäischen(!) Gewässern bis
zu 30 Seemeilen falsch waren. Die 30 Seemeilen waren ein reiner Zufall, bedingt
durch die gerade herrschende Konstellation der Satelliten. Es hätten aber
genausogut drei Seemeilen oder auch nur eine sein können.
Und schließlich gibt es "Fehler"
in der GPS-Navigation durch fehlerhafte Software des jeweiligen Empfängers -
siehe den erwähnten Bericht aus der Südsee.
Das Problematische an diesen Gegebenheiten
ist, dass "eigentlich" die GPS-Navigation präzise und
außerordentlich zuverlässig ist, sodass die genannten Fehlleistungen oft nicht
mit einkalkuliert werden. Hierin liegt die Gefahr.
Kurzum, zumindest eine ständige
Plausibilitätsprüfung (mindestens) gebieten die Regeln der Seemannschaft. Wenn
jemand auf Grund der genannten Fehler seine Yacht auf Grund setzt, dann wird er
sich die Frage gefallen lassen müssen, warum er nicht diesen Fehler rechtzeitig
bemerkt hat. Denn Möglichkeiten hierzu gibt es viele.
So lässt sich in der terrestrischen
Navigation der Standort leicht mit Hilfe von Karte und Radar praktisch jederzeit
nachprüfen oder man greift zur bewährten Kompaß-(Kreuz-)Peilung. Oder man
setzt schlicht seine Augen ein, wie Sie es in den Schären tun.
Auf hoher See gibt im Moment nur ein Rezept,
einen GPS-Standort zu überprüfen. Das ist die Astronavigation. Und solange die
Europäer ein eigenes GPS-System nicht installiert haben (dauert sicher noch
viele Jahre), gehört der Sextant (plus Jahrbuch) noch lange nicht in den
Müllcontainer.

Es macht nachdenklich, wie schnell in manchen
Kreisen diese doch über Jahrhunderte bewährte Navigationsmethode vergessen
wird. Da les ich zum Beispiel in einem Yacht-Diskussionsforum die
(unwidersprochene) Meinung, dass mit dem Sextanten keine genaueren Standorte als
30 Meilen möglich sind. Ja, fragen sich solche Experten denn nicht, wie früher
mit Hilfe der Gestirne kleine Inseln gefunden wurden oder wie die Weltumsegler
von damals um die Welt navigiert haben, auch durch engste Wasserstraßen (z,B.Torres
Strait)?
Jeder kann, entsprechende Übung und Praxis
vorausgesetzt, astronomisch seinen Standort auf drei Meilen unter normalen
Bedingungen und bei gutem Wetter auf eine Meile genau bestimmen. Das ist keine
Frage der Kunst, sondern der Messtechnik und der Präzision des
(Metall-)Sextanten.
Wobei wir bei Ihrer Zusatzfrage sind: Wenn
Sie auf dem Urlaubstörn - sagen wir mal, eine Woche lang - täglich mit dem
Sextanten Ihren Schiffsort messen, dann können Sie es. Garantiert! Wobei ich
davon ausgehe, dass Sie ein praxisgeeignetes Computerprogramm zum Ausrechnen
benutzen, damit Sie sich nicht mit Rechenfehler herumschlagen müssen.
So wünsche ich Ihnen immer ein genaues Fix!
Bobby Schenk
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