Spannungskrieg
Kaum eine Yacht, die nicht auch von der Werftseite
mit "Landstrom" ausgeliefert wird. Auch
wenn man glaubt, auf Langfahrt immer an Ankerplätzen zu sein, also auf das
Kabel zur Steckdose ohnehin verzichten zu können, wird es bei dem immer dichter
werdenden Angebot an Marinas nicht ausbleiben, dass man sich am Steg
wiederfindet. Mit all den Annehmlichkeiten, die man dann doch schätzt:
Wasserschlauch und die Steckdose mit Wechselstrom. Häufig kommt dann der Frust,
wenn sich an Bord nichts rührt. Aha, in Amerika sind es nicht 220
Volt, sondern 110 Volt. Also muß ein
Transformator den Job übernehmen, die 110 Volt Wechselstrom in 220 Volt
umzuwandeln. Reicht das? Moment, in den USA haben sie auch noch dazu 60
Hz und nicht 50 Hz, wie bei uns auf jedem
Haushaltsgerät und auf dem Batterielader steht. Wohl dem, der sich in
Westinidien in einer Marina mit 220 Volt wie in good old Germany wiederfindet.
Also kein Trafo nötig. Aber, was ist, wenn die Marina die europäischen220 Volt
liefert und die "amerikanischen" 60 Hz? Günther Voigt - das Bild
zeigt ihn beim "Blauwassersegeln" -, Weltumsegler von der bekannten
Alu-Yacht PUSTEBLUME berichtet von seinen leidvollen Erfahrungen und zieht die Lehren hieraus.
Es
ist schon verrückt, dass überall auf der Welt ungleiche Her(t)zen schlagen,
was auf unseren Booten bei den 220-Volt-Geräten zum Versagen bestimmter
Elektrogeräte wie Pumpen oder Fernseher führen kann. Mit der Spannung ist das
nicht so ein Problem, dachte ich früher. Wir haben ja als Besitzer einer
Aluyacht einen Trenntrafo an Bord, der weise vorausschauend auch 110 und 220 V
von Land vertragen kann. Er ist sogar noch intelligenter und setzt bei der
Spannung noch 5 % drauf, weil ja überall an den Stegen der Welt zu dünne Kabel
verlegt sind. So dachte unser Elektriker jedenfalls vor 11 Jahren aus der
Kenntnis europäischer Yachthäfen. Bei derart dünnen Leitungen
"tröpfeln" aus den Steckdosen am Schiff nur noch 210 oder gar 200
V,
wenn auch noch die Segler in den Nachbarbooten ihre Heizlüfter oder gar im
Mittelmeer ihre stromfressenden Klimaanlagen einschalten.
Mit diesem tollen Trafo fühlte ich mich für alle Häfen der
Welt bestens ausgerüstet. - Pustekuchen! Inzwischen haben längst auch die Amis
und ihre Vasallen erkannt, dass alle Motorquatzen für ihren enormen
Stromverbrauch 220 V brauchen, und die auch gleich mit 50 A verfügbar sein
müssen. Also hat man 2 x 110 V zu 220 V verbunden und gleich richtig dicke
Kabel fast ohne Leitungsverluste zu den Steckdosen verlegt. Obendrein haben auch
noch die Elektrizitätswerke in den letzten Jahren die Sollspannungen um etwa 10
Volt erhöht, um in Spitzenzeiten zu niedrige Spannungen zu vermeiden. Kommen
dann 240 Volt an Bord, macht mein schöner, mitdenkender Trafo daraus locker gut
250 V. Wenn dann noch in bestimmten Ländern 60 Hz angeliefert werden, steigt
die Stromleistung noch weiter.
Damit aber kann man jede für 220 V ausgelegte Elektronik
umbringen, wie ich spätestens nach dem Ausfall unserer Mikrowelle in Venezuela
erkannt habe. Vorher hatte sie schon mehrfach lauter geknurrt, um mich zu warnen.
Ich war aber zu naiv, um das zu erkennen. Also habe ich mir dann nach der
Reparatur des Gerätes eine spezielle Kriegsführung gegen dieses Problem
überlegt.
Mein Spannungskrieg geht nach folgender Taktik vor:
NAHKAMPF:
Ist der Landstrom bereits an Bord, geht mein erster
Blick zum Voltmeter (sollte unbedingt auch für 220 Volt vorhanden sein), das
dann schon die um 5 % durch den Trenntrafo erhöhte Spannung anzeigt. Sind es
dann bei 60 Hz nur 240 Volt, schalte ich ganz locker das Ladegerät ein, das die
Spannung wegen seiner recht hohen Leistung sofort wieder um etwa 7 Volt senkt.
Stehen da aber an die 250 V auf der Anzeige, dann schalte ich die Heizschlange
des Boilers ein oder hole selbst bei größter Hitze den Heizlüfter heraus, um
ihn schon mal vor dem Einschalten des Ladegerätes Spannungsabfall erzeugen zu
lassen. So ein voll geregeltes Ladegrät fängt sonst bei zu hoher Spannung auch
lauter zu brummen an, was uns warnen sollte, denn es ist ja auch voller
Elektronik.
FERNABWEHR:
Manchmal reicht selbst das nicht. In Fort
Lauderdale lag schon die Landspannung bei 245 V. Da flog mir sogar die
Eingangssicherung an Bord heraus, weil der große Trafo beim Einschalten mit so
hoher Spannung eine allzu hohe Spitzen-Induktivität erzeugt, bevor er daraus
überhaupt 255 V und mehr machen kann. Dann hilft nur noch meine lange
Leitung.
Nicht die in mir selbst, wie die Leser vielleicht jetzt denken, sondern das 25 m
Verlängerungskabel, das ich noch zusätzlich vor das normale Landkabel hänge,
und das mir den gewünschten Spannungsabfall erzeugt. Endlich.
Und was würde ich bei einem neuen Aluschiff anders machen? -
Auf keinen Fall einen Trenntrafo wählen, der die Spannung
grundsätzlich erhöht. Wenn man daran überhaupt manipulieren möchte, dann
gibt es dafür heute Trafos, bei denen man die Ausgangsspannung um 5 - 10 %
verändern kann. Dann kann man sie in den 60-Hz-Ländern grundsätzlich etwas
herabsetzen.
Als Warnung sei auch noch erwähnt: Manche elektronischen
Geräte mögen selbst dann keinen 60-Hz-Wechselstrom, wenn die Spannung nur bei
220 Volt liegt!
Anderer Meinung ist der Spezialist für Bordstromanlagen und
Langfahrtsegler Kai Uhrig, Hamburg:
1. Keinen Trenntrafo! (ich weiß, ist Alu Boot)
2. Anschluss eines galvanisch trennenden Ladegerätes mit
Multispannungseingang (Mastervolt, Sterling, etc.)
3. Keine weiteren Anschlusse an den Landstrom!
4. Gesamte interne 230V 50Hz Versorgung immer über den
Wechselrichter.
Dann lauft immer alles genau richtig mit 230V 50Hz. Ein 2500W-230V-50Hz-Sinus-Wechselrichter
wiegt nur 18kg und kostet auch nur ca. 1800 Euro. Damit kann
man dann sogar eine Standard-Haushalts-Waschmaschine laufen lassen. Das kostet
auch ein guter und schwerer Trenntrafo. Mit einem Trenntrafo kann ich aber
in der Ankerbucht und auf See die Mikrowelle oder ein Haushaltsgerät (Staubsauger,
etc) nicht laufen lassen!
Mit dieser fast gleich teuren Losung schon!
Außerdem hat man dann auch keine Probleme mit der Absicherung
im Yachthafen, wenn man sehr starke Verbraucher betreibt.
Genau so hatte ich es wahrend unseres 1-jährigen Törns
installiert und es lief prima. Außerdem braucht man dann
auch keinen 230V Umschalter zwischen Landstrom/Generator/Wechselrichter.
Galvanische Trennung habe ich dadurch, dass der Landstrom NUR ins
Ladegerät geht. Das Ladegerat muss galvanisch trennen,
was die meisten "switch-mode"-Geräte tun.
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