Presse: Süddeutsche Zeitung
vom 15.2.03
Südseezauber
und Kokosnußkrabben: Der Münchner Bobby Schenk segelt wieder einmal um die
Welt
von
Karl Forster
Es
ist kalt, saukalt in diesen Tagen. Bobby Schenk zieht auch im Cafe den Mantel
nicht aus. Und doch geschieht schon nach ein paar Sätzen eine seltsame Veränderung
mit diesem kahlen Ort, der sonst nur dazu dient, den Stress des Tages mit einem
Bier hinwegzuspülen. Die Zuckerdose, ist sie nicht plötzlich ein Berg am Rande
jener Bucht auf Grenada, in der eine Yacht in türkisfarbenem Wasser dümpelt?
Das Geplapper und Gemurmel außenrum, klingt es nicht wie damals an jenem fröhlichen
Abend mit Jacques in der Frangipani-Bar auf Bequia, der kleinen Insel über dem
Wind? Wir teilen mit dem Finger die kleine Bierlache und sagen: "Das ist
der Panamakanal". Von dort sind es nur noch gut 4000 Meilen bis zu den
Marquesas. Da wollen wir hin, bevor wir in Tahiti die Hurrikan-Saison abwettern.
Fast kommt es soweit, dass die Bedienung aussieht wie jene hübsche
Polynesierin, die Bobby Schenk im Arm hält. Auf dem Foto. "Aber
eigentlich", sagt Bobby Schenk, "eigentlich segle ich ja nur in die Türkei."
Und schon ist die Zuckerdose wieder eine Zuckerdose, das Gebrabbel klingt wie
immer im Stadtcafe, die Bierlache pappt ein wenig, und die Bedienung ist zwar
nach wie vor hübsch, aber auf münchnerische Art eben.
Von
Tahiti in die Heimat
Bobby
Schenk, mittlerweile 63 Jahre alt, ist ein Münchner Richter und seit drei
Jahren pensioniert. Er ist aber auch, und als solchen kennen ihn die meisten,
Deutschlands berühmtester Fahrten- und Weltumsegler, der für einen Vortrag auf
der Messe Caravan-Boot-Reisemarkt (C-B-R) von Tahiti in seine alte Heimat
geflogen ist und nun ein bisschen plaudert über die erste Hälfte seiner
derzeitigen Weltumrundung, die in der Türkei enden soll. Und weil Bobby Schenk
nicht nur ein erfahrener Seemann, sondern auch ein begnadeter Geschichtenerzähler
ist, sollen an diesem Abend Zuckerdose, Bierlache und Bedienung noch die eine
oder andere Verwandlung erleben.
Viele
Segler träumen von einem Törn in die Südsee, doch Bobby Schenk und seine Frau
Carla gehören zu jener Spezies, die solche Träume einfach wahr werden lassen.
So kam es, dass der junge Richter Schenk vor gut 30 Jahren ein erstes Mal kündigte,
für 59000 Mark eine zehn Meter lange Yacht kaufte, die er "Thalassa"
nannte, und vier Jahre lang mit seiner Frau rund um die Welt segelte. Später
trieb es ihn noch mehrmals in die Südsee, spektakulär war der Trip
Mittelmeer-Tahiti und zurück, weil es da galt, das berüchtigte Kap Hörn gegen
den Wind zu umrunden. Dass Bobby und Carla Schenk bei ihrem vierjährigen
Aufenthalt auf der polynesischen Insel Moorea so nebenbei auch noch den
Pilotenschein machten, passt, siehe oben, ins Bild von Menschen, die wie wenige
mit Träumen umzugehen wissen.
Und
nun hieß es also wieder: Leinen los, Kurs West, Etappenziel französisch
Polynesien. Für diese Reise haben sich die Schenks ein neues Schiff gekauft,
das natürlich wieder "Thalassa" heißt, aber einen gravierenden
Unterschied zu den früheren Yachten bietet: Es ist ein Katamaran, ein
Zweirumpfboot von stolzen 47 Fuß Länge (knapp 15 Meter) und von gewaltigen
7,30 Metern Breite. Warum der einstige Einrumpf-Fan Schenk auf einen Kat
umgestiegen ist, kann man auf seiner Website nachlesen (www.bobbyschenk.de), auf
der Carla 50 Argumente für diese Konstruktion gesammelt hat. Ein paar der
wichtigsten seien hier kurz skizziert: Ein Kat kann nicht (zumindest fast nicht)
kentern, er ist schnell, er krängt nicht (neigt sich nicht im Wind) und er ist
- last not least - ein wahres Raumwunder. Die Schenks wurden, nach einer kleinen
Odyssee durch die einschlägigen Werften, bei Jeantot in Les Sables an der französischen
Atlantikküste fündig. Die Privilege-Katamarane aus diesem Haus haben einen
guten Ruf, und so wurde man schnell handelseinig.
Es
dauerte nicht lange, und der erste Probetörn durchs Mittelmeer über Monastir
in die Türkei stand an. Die "Thalassa" bestand alle Prüfungen. Am
22. Oktober 2001 passierten Bobby und Carla Schenk die Straße von Gibraltar und
verließen Europa in Richtung Kapverdische Inseln. Dass auf diesem ersten großen
Schlag ihnen ein Wal gefährlich nahe kam, dass bei einer der beiden Maschinen
ein Ventil leckte, dass der kapverdische Hafen Mindelo mittlerweile einer der
kriminellsten der Welt ist mit täglichem Yachtüberfall (auch die Schenks
wurden von Straßenkindern ausgeraubt), heute ist das alles schon fast
vergessen. Sogar die Atlantiküberquerung nach Trinidad, immerhin mehr als 2000
Meilen weit, ist es ihm nicht wert, hier im Cafe groß erwähnt zu werden (wo
doch zum Beispiel auf hoher See eine 40-Knoten-Bö den Spinnaker auf seine Reißfestigkeit
geprüft hat). Erst als es um die Frage geht, ob man auch nach der sechsten oder
siebten Atlantiküberquerung noch dieses wunderbare Gefühl des Ankommens
erlebe, verlässt Schenks Tonfall die pure Sachlichkeit: "Der Zauber des
Ankommens", schwärmt Bobby Schenk, "ist unvergänglich".
Was
ist in vier Jahren?
Die
große Fahrtensegelei hat sich geändert, seit Bobby Schenk vor 30 Jahren zur
ersten Tour aufgebrochen ist. Früher, so sagt er. waren es meist jüngere
Abenteurer, die für eine Weltumrundung ein paar Jahre lang aus den Beruf
ausgestiegen waren. "Heute sind es meist ältere Leute, die sich nach der
Pensionierung einen Lebenstraum erfüllen." Doch wesentlich entscheidender
sind technisch bedingte Veränderungen. "Früher wussten wir: Wer auf
Weltumsegelung geht, kommt frühestens in vier Jahren wieder. Und keiner weiß,
ob zum Beispiel die Eltern dann noch leben." Die Kommunikation war mühselig
über Kurzwelle. Telefonieren aus Polynesien kaum möglich, navigiert wurde nur
mit dem Sextanten (wer's mal probiert hat, weiß, was das heißt), und auf den
4000 Meilen von Südamerika nach Polynesien musste man mit 300 Liter Wasser
auskommen. Heute hat die "Thalassa" ein Satellitentelefon, in jedem
Hafen warten Internetcafes auf Kunden, ein Watermaker sorgt dafür, dass die
Tanks immer mit 700 Litern reinsten Trinkwassers gefüllt sind. Und navigiert
wird mit dem "Global Positioning System" (GPS) auf zehn Meter genau.
"Blöd ist nur, wenn das GPS ausfällt. Wenn es beispielsweise die Amis
einfach ausschalten, weil sie dem Saddam Hussein das Navigieren in der Wüste
schwer machen wollen beim nächsten Krieg."
Ist
also eine Segeltour von Gibraltar über Polynesien in die Türkei heute kein
Abenteuer mehr, eine Reise für Jedermann? Da lacht Bobby Schenk und erzählt
wieder ein bisschen so, dass die Zuckerdose verzaubert wird. Dass man zwar die
Karibik "mittlerweile voll vergessen kann" und deshalb gleich durch
den Panamakanal in den Pazifik fahren soll. Dass man dann aber unbedingt Toau
anlaufen muss, die kleine Insel der Tuamotos-Gruppe 700 Meilen vor Tahiti, auf
der nur eine Familie lebt und vor der die "Thalassa" mit drei anderen
Yachten für ein paar Wochen vor Anker lag. Die Kokosnusskrabben, die dort nächtens
auf Palmen klettern, die riesigen Nüsse abzwicken, sie am Boden mit den Scheren
knacken und verzehren, sie schmecken köstlich, frisch vom Grill. Bobby erzählt
von Bordparties mit dem letzten Bier, weil das Versorgungsschiff wieder mal
nicht gekommen ist und von Tauchabenteuern im Tidenstrom, bei dem er in aller
Ruhe einen drei Meter langen Hai von unten bewundern konnte.
Und
er erzählt natürlich von Tahiti, seiner "zweiten Heimat", von der
Freundlichkeit der Menschen dort (die 60 Kilometer zum Flughafen fuhr Bobby per
Anhalter, hier hält jeder für jeden), von dem unglaublich hohen Lebensstandard
- und den Lebenskosten, die denen in München nicht unähnlich sind.
Es
könnte noch Stunden so weitergehen, Geschichten gäbe es genug (zum Beispiel
jene, als mitten in der Nacht der Spinnaker vom Baum flog). Doch Bobby Schenk
ist schließlich nicht zum Spaß hier. sondern um sein neues Buch
"Fahrtensegeln'' auf der C-B-R unter die Leute zu bringen. Und deswegen
kommt diese hübsche Polynesierin an den Tisch, um das Bier abzukassieren.
Schmeckt es nicht ein bisschen süß wie in Tahiti? Leider wischt da die
tahitische Bedienung den Panamakanal weg.
Ein
Notruf war das letzte Zeichen der "OLE HOOP" |
Am
Freitag, den 13. Dezember, empfing gegen 2 Uhr die
Seenotrettungszentrale in Bremen einen Notruf von der Position 55 Grad
43,7 Süd und 73 Grad 41,9 West. Dieser Notruf war ausgelöst worden von
der Epirb (Emergency Position Indicating Radio Beacon) der deutschen
Yacht "Ole Hoop". Klaus Nölter und Johanna Michaelis, die
Crew der Zwölf-Meter-Yacht, wollten auf ähnlicher Route wie Bobby und
Caria Schenk 1983 von Tahiti aus rund um Kap Hörn segeln. Vor dem
Auslaufen waren sie noch auf der "Thalassa" zum Kaffeetrinken.
"Sie hatten gerade die Epirb eingetauscht gegen ihr Klavier",
erzählt Bobby Schenk, "denn sie wussten, in den ,Brüllenden
Vierzigern' ist diese Rettungsboje wichtiger als ein Klavier."
In
der Nacht, als sich die Epirb aktiviert, herrschen die für diese Gegend
typischen Bedingungen: Windstärke 11 ansteigend, Wellen um die zehn
Meter ansteigend, weniger als zehn Grad Wassertemperatur. Die Crew ist
erfahren und hat schon eine Weltumsegelung hinter sich auf dieser Sloop
(Einmast-Yacht), die allerdings einen kleinen Konstruktionsmakel
aufweist: Holzdeck und durchgehender Mast.
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Als
Bobby Schenk mit seiner "Thalassa II" 1983 diese Route
segelte, wäre hier, 92 Meilen westlich der chilenischen Küste und 215
Meilen vor Kap Horn, die Stelle eines Bootsverlustes kaum auszumachen
gewesen. Doch das Satelliten-gestützte Epirb-System sorgt dafür, dass
schon wenige Stunden nach Auslösen des Notsignals vier Schiffe und
mehrere Suchflugzeuge der chilenischen Armee an der Unglücksstelle sind
- mit zur Identifikation der Yacht von Schenks Website heruntergeladenen
Bildern. Doch von der "Ole Hoop" ist nichts zu sehen.Bobby
Schenk meint heute, es müssten zwei Monsterwellen gewesen sein, die der
"Ole Hoop" das Kreuz gebrochen haben. "Die erste räumt
den Mast weg, die zweite füllt das Schiff. Die Crew hatte keine Chance.
Sie konnte offensichtlich nicht einmal mehr die Rettungsinsel loswerfen,
die Yacht muss in kürzester Zeit gesunken sein. Seither gelten Schiff
und Crew als verschollen. "Das kann", sagt Bobby Schenk,
"immer passieren. Das ist unser Restrisiko. Trotz alledem ist das
Leben in München gefährlicher als auf dem Meer. Zum Beispiel, wenn du
am Stachus über die Straße gehst."
fok
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Anmerkung; Der Autor dieses Artikels, SZ-Redakteur Karl
Forster, ist selbst leidenschaftlicher Segler. Er ist Autor eines erbaulichen
und höchst unterhaltsamen Segelbuch:
Kleine
Philosophie der Passionen - SEGELN
von
Karl Forster,
DTV, München, 1997, ISBN 3-423-20038-3
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kurze Geschichten, leicht und locker geschrieben. Erzählungen mal nachdenklich,
mal hintergründig, die dem Leser immer nur eines zu vermitteln versuchen: Was
treibt Menschen dazu, sich bei Regen, Sturm, Hitze etc. mit großen und kleinen
Booten auf das Wasser zu wagen.
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