Bessere Lebensqualität auf See mit (halb-)kardanischem Tisch
über
viele Jahre und zigtausend Seemeilen erprobt von Bobby Schenk
Servus Bobby,
eine Frage, die möglicherweise auch andere interessieren kann: Auf
eurer ersten THALASSA hattet ihr einen kardanisch aufgehängten Tisch im Salon. Nun bin ich gerade dabei, mein Schiff startklar zu machen und möchte den bisherigen Tisch (teilweise in die Maststütze integriert) durch einen kardanischen ersetzen. Anscheinend gibt es keine Werft, die dergleichen im Programm hat, somit frage ich dich ob du einen Tipp hast,, wo man dergleichen beziehen und/oder wie man so etwas in Eigenregie herstellen kann. War der Tisch auf eurer Fähnrich 34 werftseitig ausgeliefert worden?
Beste Grüße,
Andreas Zimmer
Selbstverständlich sollte das einen zukünftigen Langfahrtsegler interessieren. Denn auch in diesem Zusammenhang diktieren die Werften (und damit ihre Kunden, wie sie
behaupten, in Wirklichkeit billigerweise für sie selbst), was für den Segler gut ist. Die Masse der Kunden segelt doch eine Yacht von Hafen
zu Hafen und abends ist man fast immer im ruhigen Hafenwasser. Die paar Stunden auf See, wo es einem ohnehin vom Magen her nicht allzu gut ist und deshalb wenig Appetit herrscht, kann man schon hinnehmen, dass man das Mittagessen aus der Schale auf dem Schoß ißt oder sich mit ein paar Broten begnügt.
Wie schaut es aber aus, wenn man tage-(und nächte-)lang unterwegs ist? Reichen dann die berühmten nassen Tücher aus, um die Suppe im Teller auf dem Tisch zu halten, wie es uns die Werbung für
rutschfeste Matten suggeriert?
Merkwürdig ist es schon, dass keine Werft, auch diejenigen
nicht, die angeblich für die "weltweite Fahrt" produzieren, den Tisch im Salon starr
ausliefert. Vor einigen Jahrzehnten, als noch in kleinen Yachten
tougher gesegelt, nicht von Restaurant zu Restaurant motort wurde und die Maschine, „Hilfsmotor“ genannt, nur verschämt eingesetzt wurde, war der Messetisch fast immer kardanisch aufgehängt. Was heute meist schon deshalb nicht geht, weil der Messetisch versenkbar ist, damit man zu den ohnehin schon vorhandenen sechs Kojen noch zwei weitere Schlafplätze gewinnt. Für wen eigentlich, wenn die Yacht nicht
dem Chartergeschäft dient?
Auf unserer THALASSA, gebaut in GfK im Jahre 1965, war schon kein kardanischer Tisch
mehr vorhanden. Da mich aber die Vorzüge der Halbkardanik, also des Schwingens, überzeugten, hab ich einen Schreiner (der mit Booten nix zu tun
hatte) gebeten, mir eine kardanische Aufhängung zu basteln. Dann wurde der bewegliche Tisch mit Bleigewichten behangen und deren Bewegungen im Seegang mit ein paar Gummistropps kontrolliert. Hat eine ganze Weltumsegelung wunderbar funktioniert und viel zu einem normal bequemen Leben beim Trinken und Essen auf See beigetragen.
Begeistert von dieser Lösung habe ich dann beim Bau meiner THLASSAII in der Werft zu deren Verwunderung einen beweglichen Tisch in Auftrag gegeben, was die Friesen prima hingekriegt haben. Nachfolgendes Video zeigt, wie der Tisch im Seegang arbeitet, der bei jedem Wetter von der Schaukelei im
nachlaufenden Sturm bis zur Gegenanbolzerei immer im Betrieb war und nie störrisch das Essen abgeworfen hat. Auch im Passat im Atlantik mit entsprechendem Rollen diente
er immerhin 8 Personen fürs Menü, wenn es auch gewöhnungsbedürftig war, wenn Segler auf der Seite die Tischkante mal an der Nase und
mal am Knie hatten. Schauen wir das kurze Video aus den brüllenden Vierzigern an und fragen uns kritisch, ob auch ein starrer Tisch mit diesen Bedingungen über 10 Wochen ohne Landsicht fertig geworden
wäre!
(Wenn Ihr Browser das Video nicht abspielt, finden Sie es im Ordner "VideosBS" auf Ihrer DVD!)
Wie
man sich bei Betrachtung des (scheinbar) drehbaren Tisches (der in Wirklichkeit
ja einigermaßen waagrecht ist) leicht ausmalen kann, wäre es am besten, am
Boden aus Schüsseln zu essen, wenn so ein kardanischer Tisch nicht vorhanden
wäre. Solange eben die Yacht am Rollen ist. Also wochenlang! Darüberhinaus ist
so ein Tisch dann auch die ideale Ablage für zerbrechliche Gegenstände wie
den Fotoapparat etc. Und als Kartentisch ausserhalb der Mahlzeiten ist er wegen
seiner Größe ohnehin konkurrenzlos auf dem Schiff.
Möchte man also dieses Wunderding heute haben, bitte man einen Handwerker am vorhandenen Tisch
zwei Lager vorne und achtern anzubringen, damit er nach der Seite beweglich wird. Möglichst tief sind dann (schwere) Bleigewichte
anzumontieren und die Tischbewegungen mit billigen Gummistropps auf ein harmonisches Maß zu mindern. Auf unserer THASLASSA II war zudem hilfreich, dass die Werft ohnehin schon in den Tisch tiefe Flaschenbehälter eingebaut
hatte, die, voll gefüllt, letztlich auch als Gewicht mithalfen, den Tisch
selbst in heftigem Seegang einigermaßen waagrecht zu halten. Klar, im Hafen
wird er immer (am besten mit einfachen Splinten) festgestellt oder festgeklemmt,
dann kann man sich beim Essen wieder lässig am Ellenbogen abstützen. Wenn's
denn sein muss!
Ich kann diese preiswerte Lösung nur dringend empfehlen, die Lebensqualität
wird unterwegs entscheidend angehoben. Auf meinem nächsten Schiff, einem 15-Meter-Katamaran hatte ich keinen (halb-)kardanischen Tisch mehr, denn der wäre auf Grund der wesentlich ruhigeren Bewegungen dieses Schiffstyps überflüssig gewesen.