Trick-Siebzehn an Bord (114)


Crewführung mit dem Stundenplantrick - oder die Macht des geschriebenen Wortes

Erpobt und bewährt auf den Atlantiküberquerungen mit der Thalassa, der SARITA und dem Katamaran THALASSA auf den Atlantiküberquerungen mit Skipper Bobby Schenk.


Man mag über den folgenden Trick-Siebzehn lächeln, aber tatsächlich hat er sich in der Bordpraxis auf mehreren Atlantiküberquerungen mit bis dahin unbekannter Crew bestens bewährt. Was die Crewführung betrifft, waren die Bedingungen von Anfang an besonders schwierig. Denn bis zum Beginn des weiten, fast 3000 Seemeilen langen Törns kannten wir die Mitsegler nur dem Namen nach oder lediglich von einem Treffen "auf dem Trockenen" in einer Wirtschaft in München.

Per Inserat hatten wir die Crew "ausgewählt", was nicht so ganz der passende Ausdruck ist. Denn wir hatten die Interessenten an dem Törn, für den wir mit "Zahlender Crew" im Inserat geworben hatten, der Reihe nach akzeptiert, getreu  dem Motto "wer zuerst kommt...Oft sind wir später gefragt worden, ob es nicht sehr riskant sei, wildfremde Menschen einfach auf einen Atlantiktörn mitzunehmen, also ohne ihre Segelkenntnisse, ihre Teamfähigkeit, ihre Seefestigkeit und vor allem ihre Verträglichkeit zu kennen. Dass sich dieses System jedoch aufs Beste bewährt hat, zeigt die Tatsache, dass ich von den 100 Mitseglern lediglich zwei nicht mehr mitnehmen würde. Der eine war Voll-Alkoholiker, der andere benahm sich psychisch so auffällig, dass ich ihn eher als medizinisches Problem ansah.

Dieses   moderne, jedoch dümmliche Gerede vom Ausdiskutieren der Probleme, von harmonischer Zusammenarbeit, vom gemeinsamen Ringen um einvernehmliches Zusammenwirken ist zu Beginn eines extremen Hochseetörns nonsense. Bei solchen Vorschlägen wird übersehen, dass der Skipper der zukünftigen Crew persönlich in der Regel völlig unbekannt ist, und es sich umgekehrt genauso verhält. Im Normalfall ist es doch so, dass die zukünftigen Crewmitglieder übermüdet von der langen Anreise auf einem unbekannten Schiff plus unbekanntem Skipper in einem fremden Land ankommen, und zwar in einer Umgebung, die sie von zu Hause nicht kennen. Auch das Bewusstsein, sich einem fremden Menschen, dem Skipper, die nächsten Wochen anzuvertrauen, beziehungsweise anvertrauen zu müssen trägt zwangsläufig zur inneren Unsicherheit bei. Hinzu kommt die bange Erwartung, vor bis dahin fremden Menschen und dem Profi-Skipper die eigenen Segelkenntnisse und Fertigkeiten präsentieren zu müssen, wobei zumindest im Unterbewusstsein der letzte Rest von Selbstsicherheit schwindet.

Das heißt, die Neuankömmlinge sind naturgemäß mindestens verunsichert, befinden sich in einer Art psychische n Ausnahmezustands, während der Skipper auf seinem Schiff, in diesem Land, oft auch Erdteil, auf diesem Ankerplatz oder in dieser Marina zu Hause ist. Er ist sich logischerweise dessen bewusst, dass er, der ja auf seinem Schiff in der Segelwelt seit langem lebt, seiner Crew  in allen Segelfertigkeiten weit überlegen ist. 

Um von der, zumindest am Anfang, definitiv vorhandenen Überlegenheit des Skippers zu Gunsten eines gelungenen Törns zu profitieren, wird der gute Skipper diplomatisch genug sein, seine Autorität nicht gerade offen auszuspielen. Es gilt, einerseits der verunsicherten Crew über ihre Ängste hinweg zu helfen, ihr andererseits aber auch die Opfer abzuringen, die von der Seemannschaft her nötig sind, um einen sicheren Törn mit zusätzlichem Erlebnisgewinn für die Gäste zu absolvieren.

Jeder Skipper hat dazu seine eigenen Tricks, mehr oder weniger clevere. Ein Beispiel, das wohl jeder Schiffseigner kennt: Der beliebteste Platz für Mitsegler, die einerseits nicht der Crew bei der Segelarbeit im Wege stehen, andererseits aber, was menschlich ist, vor den Unbilden der Natur und vor der aufkommenden Seekrankheit geschützt sein wollen, ist genau im Niedergang. Gemütsathleten ertragen es ohne weiteres, geduldig xmal am Tag anzuhören: "Bitte, kann ich mal durch?" oder so ähnlich. Bis dann der Skipper nicht mehr anders kann, als den Wegversperrer, zunächst sicher noch sehr höflich oder zumindest verständnisvoll lächelnd, aufzuklären, dass dieser Niedergang frei bleiben sollte. Der nächste Schritt (in der Eskalation) wird wohl sein, dass der Skipper im Wiederholungsfall etwas deutlicher wird, je nach Temperament. Wenn das dann so weitergeht, kommt vielleicht der Moment, wo sich der Gescholtene schmollend zurückzieht. Nicht gut für die Stimmung an Bord!

Ich musste mich zu Beginn der Törns regelmäßig mit diesem Crewproblem (das leicht zu einem des Skippers werden kann) rumschlagen, bis ich einen Zettel am Niedergang vor den Augen des potentiellen Wegversperreres anbrachte:

"Wer hier steht, steht im Weg!"

Nie mehr musste ich anschließend auch nur einen von mehr als hundert Mitseglern kritisieren, weil er im Niedergang herumstand.

Noch wertvoller erwies sich der Tipp mit dem Stundenplan: Wie jedem Hochseesegler bekannt ist, ist das Kochen an Bord, die Backschaft , eines der kritischsten Themen für das Gelingen eines für alle befriedigenden Hochseetörns über mehrere Wochen. Bei uns galt die Regelung, dass jedes Crewmitglied, boy oder girl, auch Carla,  abwechselnd kochen oder sich um den Abwasch kümmern muss. Die Reaktion unter den neu angekommenen Mitseglern auf diese Mitteilung war eigentlich auf allen Törns die Gleiche. Die Männer meinten fast unisono, sie könnten gar nicht kochen und, scheinheilig, sie wollten das der übrigen Besatzung auch gar nicht antun, während die Mädchen, oft bleich im Gesicht, nickten und sich ihrem durch die scheinbar bewährte klassische  Rollenverteilung ("Frauen gehören an den Herd") auferlegten Schicksal fügten, wenn auch ohne Begeisterung.

Der unausgesprochene Widerstand gegen den Skipper seitens der Crew, vor allem der Männer, war immer zum Greifen. Nun ist es die eine Sache, der Crew die Regel zu verklickern, die andere ist es, die Herren eine solche Maßnahme, von der sie unverkennbar wenig  hielten, auch durchführen zu lassen. Da zeichnet sich schnell Unfrieden ab.

Ein Schulfreund (und Nichtsegler) gab mir schließlich den einfachen, aber ungemein erfolgreichen Tipp, der die Harmonie an Bord in genialer Weise herstellte: "Schreib doch die Einteilung der Köchinnen (und natürlich erst recht der Köche) auf einen Stundenplan, wie wir ihn in der Schule verwendet haben, und häng den Plan deutlich sichtbar in die Pantry und in die Navigation.

Was soll ich sagen! Nicht ein einziges Mal auf allen unseren Törns, selbst unter rauen Bedingungen, wurde es ab diesem Zeitpunkt auch nur notwendig, stumm mit dem Finger auf den Stundenplan zu deuten. Denn Diskussionen gegen das geschriebene Wort gehen ins Leere, sind überflüssige Liebesmühe. Niemals gab es irgendwelche Schwierigkeiten. Dass die Mädchen willig immer mit bestem Essen aufwarteten, ist ja fast normal, aber dass sich alsbald auch die Männer (beraten von ihren Partnerinnen) mit der Qualität ihrer (oder ihrer Frauen) Kochfertigkeiten gegenseitig übertrafen, trug zur Begeisterung über die rauschende, 20 Tage währende Atlantiküberquerung wesentlich bei. Ja, es kam zu regelmäßigen Kochwettbewerben, die gelegentlich sogar die Männer (manchmal) gewannen.

Und das alles dank eines geschriebenen Zettels.

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