Trick-Siebzehn an Bord
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Crewführung
mit dem Stundenplantrick - oder die Macht des geschriebenen Wortes
Erpobt
und bewährt auf den Atlantiküberquerungen mit der Thalassa, der
SARITA und dem Katamaran THALASSA auf den Atlantiküberquerungen mit
Skipper Bobby Schenk.
Man mag über den folgenden Trick-Siebzehn lächeln, aber
tatsächlich hat er sich in der Bordpraxis auf mehreren Atlantiküberquerungen
mit bis dahin unbekannter Crew bestens bewährt. Was die Crewführung
betrifft, waren die Bedingungen von Anfang an besonders schwierig.
Denn bis zum Beginn des weiten, fast 3000 Seemeilen langen Törns
kannten wir die Mitsegler nur dem Namen nach oder lediglich von einem
Treffen "auf dem Trockenen" in einer Wirtschaft in München.
Per Inserat hatten wir die Crew "ausgewählt",
was nicht so ganz der passende Ausdruck ist. Denn wir hatten die
Interessenten an dem Törn, für den wir mit "Zahlender Crew" im
Inserat geworben hatten, der Reihe nach akzeptiert, getreu dem
Motto "wer zuerst kommt...Oft sind wir später gefragt worden, ob
es nicht sehr riskant sei, wildfremde Menschen einfach auf einen
Atlantiktörn mitzunehmen, also ohne ihre Segelkenntnisse, ihre Teamfähigkeit,
ihre Seefestigkeit und vor allem ihre Verträglichkeit zu kennen. Dass
sich dieses System jedoch aufs Beste bewährt hat, zeigt die Tatsache,
dass ich von den 100 Mitseglern lediglich zwei nicht mehr mitnehmen würde.
Der eine war Voll-Alkoholiker, der andere benahm sich psychisch so
auffällig, dass ich ihn eher als medizinisches Problem ansah.
Dieses moderne, jedoch dümmliche Gerede vom
Ausdiskutieren der Probleme, von harmonischer Zusammenarbeit, vom
gemeinsamen Ringen um einvernehmliches Zusammenwirken ist zu Beginn
eines extremen Hochseetörns nonsense. Bei solchen Vorschlägen wird
übersehen, dass der Skipper der zukünftigen Crew persönlich in der
Regel völlig unbekannt ist, und es sich umgekehrt genauso verhält.
Im Normalfall ist es doch so, dass die zukünftigen Crewmitglieder übermüdet
von der langen Anreise auf einem unbekannten Schiff plus unbekanntem
Skipper in einem fremden Land ankommen, und zwar in einer Umgebung, die
sie von zu Hause nicht kennen. Auch das Bewusstsein, sich einem
fremden Menschen, dem Skipper, die nächsten Wochen anzuvertrauen,
beziehungsweise anvertrauen zu müssen trägt zwangsläufig zur
inneren Unsicherheit bei. Hinzu kommt die bange Erwartung, vor bis
dahin fremden Menschen und dem Profi-Skipper die eigenen
Segelkenntnisse und Fertigkeiten präsentieren zu müssen, wobei
zumindest im Unterbewusstsein der letzte Rest von Selbstsicherheit
schwindet.
Das heißt, die Neuankömmlinge sind naturgemäß
mindestens verunsichert, befinden sich in einer Art psychische n
Ausnahmezustands, während der Skipper auf seinem Schiff, in diesem
Land, oft auch Erdteil, auf diesem Ankerplatz oder in dieser Marina zu
Hause ist. Er ist sich logischerweise dessen bewusst, dass er, der ja
auf seinem Schiff in der Segelwelt seit langem lebt, seiner Crew
in allen Segelfertigkeiten weit überlegen ist.
Um von der, zumindest am Anfang, definitiv
vorhandenen Überlegenheit des Skippers zu Gunsten eines gelungenen Törns
zu profitieren, wird der gute Skipper diplomatisch genug sein, seine
Autorität nicht gerade offen auszuspielen. Es gilt, einerseits der
verunsicherten Crew über ihre Ängste hinweg zu helfen, ihr
andererseits aber auch die Opfer abzuringen, die von der Seemannschaft
her nötig sind, um einen sicheren Törn mit zusätzlichem
Erlebnisgewinn für die Gäste zu absolvieren.
Jeder Skipper hat dazu seine eigenen Tricks, mehr oder
weniger clevere. Ein Beispiel, das wohl jeder Schiffseigner kennt: Der
beliebteste Platz für Mitsegler, die einerseits nicht der Crew bei
der Segelarbeit im Wege stehen, andererseits aber, was menschlich ist,
vor den Unbilden der Natur und vor der aufkommenden Seekrankheit geschützt
sein wollen, ist genau im Niedergang. Gemütsathleten ertragen es ohne
weiteres, geduldig xmal am Tag anzuhören: "Bitte, kann ich mal
durch?" oder so ähnlich. Bis dann der Skipper nicht mehr anders
kann, als den Wegversperrer, zunächst sicher noch sehr höflich oder
zumindest verständnisvoll lächelnd, aufzuklären, dass dieser
Niedergang frei bleiben sollte. Der nächste Schritt (in der
Eskalation) wird wohl sein, dass der Skipper im Wiederholungsfall
etwas deutlicher wird, je nach Temperament. Wenn das dann so
weitergeht, kommt vielleicht der Moment, wo sich der Gescholtene
schmollend zurückzieht. Nicht gut für die Stimmung an Bord!
Ich musste mich zu Beginn der Törns regelmäßig mit
diesem Crewproblem (das leicht zu einem des Skippers werden kann)
rumschlagen, bis ich einen Zettel am Niedergang vor den Augen des
potentiellen Wegversperreres anbrachte:
"Wer hier steht, steht im Weg!"
Nie mehr musste ich anschließend auch nur einen von mehr
als hundert Mitseglern kritisieren, weil er im Niedergang herumstand.
Noch wertvoller erwies sich der Tipp mit dem Stundenplan:
Wie jedem Hochseesegler bekannt ist, ist das Kochen an Bord, die
Backschaft , eines der kritischsten Themen für das Gelingen eines für
alle befriedigenden Hochseetörns über mehrere Wochen. Bei uns galt
die Regelung, dass jedes Crewmitglied, boy oder girl, auch Carla,
abwechselnd kochen oder sich um den Abwasch kümmern muss. Die
Reaktion unter den neu angekommenen Mitseglern auf diese Mitteilung
war eigentlich auf allen Törns die Gleiche. Die Männer meinten fast
unisono, sie könnten gar nicht kochen und, scheinheilig, sie wollten
das der übrigen Besatzung auch gar nicht antun, während die Mädchen,
oft bleich im Gesicht, nickten und sich ihrem durch die scheinbar bewährte
klassische Rollenverteilung ("Frauen gehören an den
Herd") auferlegten Schicksal fügten, wenn auch ohne
Begeisterung.
Der unausgesprochene Widerstand gegen den Skipper seitens
der Crew, vor allem der Männer, war immer zum Greifen. Nun ist es die
eine Sache, der Crew die Regel zu verklickern, die andere ist es, die
Herren eine solche Maßnahme, von der sie unverkennbar wenig hielten,
auch durchführen zu lassen. Da zeichnet sich schnell Unfrieden ab.
Ein Schulfreund (und Nichtsegler) gab mir schließlich den
einfachen, aber ungemein erfolgreichen Tipp, der die Harmonie an Bord
in genialer Weise herstellte: "Schreib doch die Einteilung der Köchinnen
(und natürlich erst recht der Köche) auf einen Stundenplan, wie wir
ihn in der Schule verwendet haben, und häng den Plan deutlich
sichtbar in die Pantry und in die Navigation.
Was soll ich sagen! Nicht ein einziges Mal auf allen
unseren Törns, selbst unter rauen Bedingungen, wurde es ab diesem
Zeitpunkt auch nur notwendig, stumm mit dem Finger auf den Stundenplan
zu deuten. Denn Diskussionen gegen das geschriebene
Wort gehen ins
Leere, sind überflüssige Liebesmühe. Niemals gab es irgendwelche
Schwierigkeiten. Dass die Mädchen willig immer mit bestem Essen
aufwarteten, ist ja fast normal, aber dass sich alsbald auch die Männer
(beraten von ihren Partnerinnen) mit der Qualität ihrer (oder ihrer
Frauen) Kochfertigkeiten gegenseitig übertrafen, trug zur
Begeisterung über die rauschende, 20 Tage währende Atlantiküberquerung
wesentlich bei. Ja, es kam zu regelmäßigen Kochwettbewerben, die
gelegentlich sogar die Männer (manchmal) gewannen.
Und das alles dank eines geschriebenen Zettels.
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