Trick-Siebzehn (145)


Ankertricks vom Profi

Es ist auffällig, wie wenig im deutschen Schrifttum übers "richtige" Ankern zu finden ist. Das mag daran liegen, dass sich ein großer Teil des deutschen Yachtsegelns in der Ostsee abspielt, wo an unseren Küsten lauschige Ankerplätze selten sind, oder nicht zum Verweilen einladen, andererseits aber jede Menge Yachthäfen die Küste säumen, in denen am Steg sozusagen das Zuhause der Yacht ist.

Ganz anders verhält es sich in den beliebten Blauwassergegenden in der Passatzone rund um die Welt oder auch in den beliebten Mittelmeerregionen. Dort lässt sich anlässlich eines Chartertörns das Ankern kaum vermeiden, und die Mannschaft wird meist durch schöne Tage vor Anker belohnt. Allerdings kann man auf diesen malerischen, jedoch fast immer überbelegten Plätzen manches Ankermanöver von Chartercrews beobachten, bei denen das Ankern nicht nur kaum klappt, aber die andern Ankerlieger erheblich beunruhigt. Meist ließe sich das vermeiden, wenn man ein paar grundsätzliche Dinge beachtet, oder auch mit einfachen Tricks arbeitet, die hier im nachfolgenden von Hans-Christian Vogt dieser Webseite beigesteuert werden.

Nun findet man, vor allem in diesen zum Teil unsäglichen Segel-Foren gelegentlich gescheite Tipps fürs Ankern, wobei aber Vorsicht geboten ist, denn dort kann jedermann seine Meinung kundtun, so dass man nicht erkennen kann, wieviel Sachwissen und Praxis dahinter steckt. Bei Hans-Christian Vogt ist das ganz anders, deshalb ist seine seglerische Vita wert, wiedergegeben zu werden: Hans-Christian Vogt hat Elektrotechnik studiert und besitzt ein nautisches Patent als Kapitän ohne Einschränkungen (STCW). Bei der Deutschen Marine ist er 2001 als Kapitänleutnant und Uboot-Kommandant ausgeschieden und hat danach als Kapitän bei HDW gearbeitet und dort die Neubauten in der Erprobung gefahren.

Hans-Christian Vogt ist schon in seiner Marinezeit aktiv Hochseeregatten gesegelt. Seit 2000 ist er erst nebenberuflich und jetzt seit 2016 hauptberuflich als Skipper auf Segelyachten weltweit für Eigner und Chartercrews unterwegs und führt Skipper-Trainings für angehende Hobby- oder Profi-Skipper durch. Er schreibt:

Lieber Bobby Schenk, mit Begeisterung, großem Interesse und absoluter Hochachtung lese ich regelmäßig Ihre Homepage und verfolge Ihre Artikel und Berichte.

Über einen Hinweis von einem Teilnehmer meines Skipper Training Kurses bin ich auf Ihr Buch „Ankern“ gestoßen, welches Sie großzügigerweise kostenlos zur Verfügung stellen (kann hier heruntergeladen werden!) und das uns damit bestimmt einen nicht unerheblichen Teil dazu beitragen, die schönen Ankerplätze unserer Welt noch ein Stückchen sicherer zu machen. Vielen Dank dafür!

Viele meiner in den letzten Jahrzehnten angewöhnten Ankertechniken habe ich in diesem Buch bestätigt gefunden und auch noch den ein oder anderen guten Tipp oder Kniff gelernt, es besser zu machen. Denn wie Sie selber so treffend beschrieben haben, es gibt weder den „perfekten“ Anker, noch die (einzig) „richtige“ Ankertechnik, sondern es ist immer eine Kombination aus vielen einzelnen Faktoren, was gepaart mit dem richtigen Fachwissen und Erfahrung dann zu der bestmöglichen Entscheidung führt. Deswegen möchte ich meine folgenden Anregungen auf gar keinen Fall als Kritik verstanden wissen, sondern als zusätzliche eigene Erfahrungen.

Vorschlag 1 (Ausbringen des 2. Ankers per Dinghy):

Ich benutze einen Kettenvorlauf am 2. Anker bzw. finde diesen auf vielen Schiffen, die ich skippere, vor. Meist ist es ein Danforth Anker mit ca. 20m 10/12mm Kette, der 20 bis 30 kg wiegt. Mit dem Dinghy bringe ich diesen Anker aus, indem ich das gesamte Ankergeschirr inklusive Kette, Leine und Reserveleine mit ins Dinghy nehme. Dann kann ich mit den Rudern aber auch dem Außenborder bequem zur Ankerposition fahren, ohne dass die Leine zum Schiff (oder sogar die Kette) stört. Dann bringe ich den Anker Hand über Hand aus, wobei ich wieder zurück in Richtung Schiff fahre. Das geht zu zweit natürlich noch einfacher. Beim häufigsten Einsatz des 2. Ankers (ca. 30 Grad zum Hauptanker) hilft mir dabei sogar der Wind und ich kann mich fast zurück zum Schiff treiben lassen. Die Reserveleine benutze ich, sollte ich mich beim Abstand des Ankers (mal wieder) verschätzt haben und die Standard Ankerleine nicht ausreichen. Auch macht es die Rückfahrt zum Schiff (zum Heck) deutlich einfacher. Oft kann ich die Reserveleine wieder abknoten, sobald ich die Ankerleine vom Schiff aus eingefahren und steifgeholt habe.

Einen kleinen Trick bei sehr schweren Ankern benutze ich noch: Ich bändsel den Anker am Bug des Dinghys außenbords an, so dass er schon zum größten Teil im Wasser hängt, die Fahreigenschaften des Dinghys aber kaum stört. Dann kann ich den Anker auf Position durch Lösen des Slipsteks bequem fallen lassen, ohne ihn aus dem Boot „wuchten“ zu müssen.

Vorschlag 2 (Höhere Leerlaufdrehzahl bei elektrischer Ankerwinsch):

Wie Sie richtig schreiben, sollte beim Benutzen der elektrischen Ankerwinsch die Maschine mitlaufen. Bei vielen Schiffen ist dies durch eine elektrische Verblockung sogar zwingend erforderlich, da die Winsch nur bei laufender Maschine funktioniert (was man übrigens auch noch mal aus Sicherheitsaspekten diskutieren könnte).

Fast alle Yachtmaschinen kann man auskuppeln und dann ausgekuppelt in höherer Leerlaufdrehzahl laufen lassen, womit eine höhere Leistung der Lichtmaschine erreicht wird. Allerdings lässt sich dann kein Vortrieb mit dem Propeller mehr erreichen.

Ich nutze deshalb eine Kombination aus den beiden Optionen:

Bei wenig Wind kuppel ich die Maschine aus und lasse sie mit ca. 1500 bis 2000 Umdrehungen laufen, um die maximale Leistung der Lichtmaschine zu erreichen. Eine Ankerwinsch mit 1200 W Leistung kann dann in der Regel mit weniger als 50% der Nennleistung die Ankerkette einnehmen und dabei das Schiff zur Ankerposition ziehen, ohne diese zu überlaufen. Die Batterien und auch die Winsch werden dabei immer im unteren Nennlastbereich betrieben.

Bei viel Wind und/ oder Strom beschleunige ich das Schiff mit einem kurzen Pull auf voraus in Richtung des Ankers, schalte dann in die hohe Leerlaufdrehzahl und gebe das Kommando zum Ankeraufgehen. Meistens schafft es eine gute Ankerwinsch dann ausreichend Fahrt im Schiff zu halten und ohne die Nennlast zu überschreiten die Kette einzunehmen. Andernfalls gebe ich bei zu viel Last auf der Winsch eben wieder einen Pull voraus.

Die Batterien und auch die Winsch haben mir diese Technik bisher immer gedankt!

Zum technischen Hintergrund: Im Leerlauf der Maschine (bei 500 bis 700 U/min) erzeugt z.B. eine Standard Lichtmaschinen mit 80 A maximalem Ladestrom nur 15 A. Bei 1000 U/min sind das dann schon 40 A und bei 2000 U/min die Nennleistung von 80 A. Eine Standard elektrische Ankerwinsch braucht bei Nennleistung ca. 100 A und kann bei (kurzfristiger) Überlast schon mal bis zu 200 A ziehen. Bei 600 U/min Leerlaufdrehzahl wird die Batterie durch die Ankerwinsch also immer noch extrem belastet. Andererseits ist es überhaupt kein Problem, eine Ankerwinsch einige Minuten (dann sind in der Regel selbst 80m Kette eingeholt) im Bereich bis zur Nennlast zu betreiben. Dafür ist diese elektrische Maschine ausgelegt und wird weder überlastet noch überhitzt.

Vorschlag 3 (Beim Ankermanöver schon vorher rückwärts fahren):

Wie Sie auch beschreiben, fahren viele Langkieler sehr „störrisch“ rückwärts. Die meisten modernen Kurzkiel Yachten lassen sich dagegen aber bereits mit sehr wenig Fahrt ausgezeichnet rückwärts steuern, sind aber sehr windanfällig (am Bug) und reagieren (besonders bei Schiffen mit starrer Welle statt mit Saildrive) stark auf den Radeffekt beim Umsteuern von voraus auf zurück. Das führt dann zu dem häufig beobachteten Ankermanöver, dass das Schiff beim Aufstoppen und Anker fallen lassen sich quer zum Wind legt und die Ankerkette damit zur Freude der anderen Ankerlieger quer zur Windrichtung ausgelegt wird.

Deswegen fahre ich wann immer der Ankerplatz es zulässt, schon rückwärts (mit minimaler Fahr aber steuerfähig) auf die geplante Ankerposition zu und lasse den Anker dann auf Position aus der Bremse fallen. Beim Ankern im Hafen (römisch-katholisch) ist dieses Verfahren besonders bei Seitenwind von großem Vorteil. So kann ich schon vor Erreichen der Ankerposition die Ankerketten der Schiffe neben meinem geplanten Liegeplatz peilen, mich durch leichte Kurskorrekturen genau zwischen diese beiden Ketten manövrieren und damit recht gut vermeiden, meine Kette über eine andere Kette zu legen. Das Schiff bleibt im Ankermanöver immer steuerfähig und der Liegeplatz lässt sich einfach und sicher erreichen.

Ist in Luv der Ankerposition nicht ausreichend Platz, dann fahre ich diese rückwärts mit Seitenwind an – möglichst natürlich mit der Schokoladenseite nach Lee. Damit lässt sich in einem Ankerfeld auch sehr gut der Abstand zu den benachbarten Schiffen schätzen. Wenn ich den späteren „Nachbar“ in Luv in Lage Null passiert habe, brauche ich nur ca. 3-4 Schiffslänger weiter zu fahren, dann mit Hartruder (rückwärts fahrend!) in den Wind zu drehen und den Anker fallen zu lassen und habe ausreichend Abstand zu ihm.

Vorschlag 4 (Vermuren mit 2 Ankern):

Beim Verkatten bin ich absolut Ihrer Meinung und habe es mir oft erlaubt, Ihre Aussage meinen Segelschülern gegenüber zu zitieren, dass Verkatten sich wahrscheinlich als Witz einmal in die Fachliteratur eingeschlichen hat und sich seitdem kaum ein Autor traut, diese Methode nicht zu erwähnen.

Beim Vermuren bin ich allerdings anderer Meinung. Ähnlich wie beim 2. Anker lässt sich das Vermuren relativ einfach herstellen und auch wieder auflösen und bietet auf Ankerplätzen mit wechselndem Wind/ (Gezeiten-) Strom erhebliche Vorteile. Auch ist es manchmal in engen Ankerplätzen die einzige Option, um dort überhaupt sicher ankern zu können. So habe ich mich z.B. auf den Kapverden oder der Karibik oft vermurt knapp in oder neben die (geschützten) Bojenfelder gelegt, anstatt weiter draußen mit viel Platz aber auch erheblichem Schwell und Wind zu ankern.

Das Vermuren mache ich (auf einer modernen Kurzkiel Yacht mit breitem Heck und Badeplattform) folgendermaßen:

Der 2. Anker liegt vorbereitet mit Kettenvorlauf auf der Badeplattform. Die Ankerleine sowie 50m Extra-Leine sind angeschlagen und liegen in langen Buchten ablaufbereit im Cockpit. Das Ende ist z.B. am Achterstag befestigt. Dann laufe ich langsam aber steuerfähig gegen den Wind auf die Ankerposition zu und lasse ca. 120m vor der Ankerposition den 2. Anker Hand über Hand ins Wasser. Ab ca. 30m Leine lasse ich die Ankerleine mit etwas Zug über eine Winsch oder Klampe laufen und grabe damit den Anker schon etwas ein und ziehe Kette/ Leine straff. Kurz vor Ende der Extra Leine belege ich diese und fahre den 2. Anker ein. Dadurch wird das Schiff natürlich aufgestoppt, lässt sich aber durch die recht-achteraus zeigende Ankerleine bei Ein-Ruder (Blatt) Schiffen gut im Wind halten. Hat man ein Doppelruder oder zu viel Wind muss der Anker später über den Hauptanker eingefahren (eingezogen) werden.

Ist der 2.Anker eingefahren, lasse ich den Hauptanker fallen und hole die extra Leine ein. Lässt sich der Anker nicht einfahren, also fasst er nicht, nehme ich ihn wieder ein und wiederhole das Manöver solange bis es klappt (oder ich diese Ankerposition aufgebe).

Je nach Platz stecke ich die gesamte Kette des Hauptankers abzüglich ca. 10m, bis sich das Ende der Standard Ankerleine bis zum Bug ziehen lässt. Dort belege ich dann die Leine des 2. Ankers auf der Bug Klampe und bin für ein „einfaches Vermuren“ fertig. Möchte ich auch noch vermeiden, dass die Ankerleine beim Schwojen gegen das Ruder/ den Kiel kommt, dann schäkel ich das Ende der Ankerleine des 2. Ankers in die Ankertrosse des Hauptankers und fiere diese dann ca. 5m, lege die Ankerkralle oder Ankerkettenleine an, fiere noch mal 2m und kann ruhig schlafen.

Natürlich lässt sich dieses Manöver auch mit dem Dinghy fahren, nachdem man mit dem Hauptanker geankert hat, aber 2, 3 mal geübt läuft es selbst mit einer vorher unerfahrenen Crew ganz ausgezeichnet.

Anker auf geht das Ganze genau andersrum, Ankerkette hieven, Kalle abnehmen, weiter hieven, Ankerleine abschäkeln und Extra Leine anschäkeln, Hauptanker einnehmen, dabei Reserveleine fieren, dann 2. Anker über Badeplattform einnehmen – fertig.

Im Notfall werden – wie immer – der 2. Anker oder beide Anker mit einer Boje markiert geslippt.

Hans-Christian Vogt

Hinweis: Der Autor bietetUrlaubsreisen auf Charteryachten oder Eigneryachten als Skipper an. Auskünfte hier: h-christian.vogt@web.de

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