Trick-Siebzehn an Bord (92)
Überleben
auf See - der Ausstieg
für die Praxis geplant von Bobby
Schenk
Es
muss nicht eigens betont werden, weil es so selbstverständlich ist: In die
Rettungsinsel steigt man nur, und zwar ausschließlich, wenn unmittelbare Gefahr
für Leben und Gesundheit besteht, die eigene Yacht aus Seenotgründen also
aufgegeben werden muss, zum Beispiel, wenn sie sinkt oder brennt. Der Hinweis
ist nicht so überflüssig, denn immer wieder kommt Derartiges vor: Da
wurde die äußerst bequeme 50-Fuß-Fahrtenyacht SERENA im Juni 2013 an
der Küste Nordwest-Spaniens von Ihrer Besatzung, einem finnischen Ehepaar, aufgegeben. Sechs Monate später traf dann die unbemannte Yacht wohlbehalten in
Westindien ein. Die Crew war zwar nicht in die Rettungsinsel gegangen, sondern
ließ sich von einem Berufsschiff abbergen, was an der Tatsache, dass die
Aufgabe des Schiffes offensichtlich überflüssig war, nichts ändert. Oft haben
Menschen, die in ihrer Verzweiflung in die Rettungsinsel gegangen sind,
vielleicht einem Fluchtreflex gefolgt sind, berichtet, dass die Hölle
erst dann angegangen
ist, nachdem sie die vermeintlich rettende Insel besetzt hatten. Die Lehre
hieraus: Die Rettungsinsel ist der allerletzte Ausweg. Wenn aber...dann soll sie
auch retten!
Die
handelsüblichen Rettungsinseln sind heute in der Regel bestens verarbeitete und
zuverlässige Retter, wenn das Schiff aufgegeben werden muss und die Rettung
innerhalb von ein paar Tagen durchgeführt werden kann. Das ist in unseren
heimischen Gewässern (Ostsee, Nordsee und Mittelmeer) wohl die Regel, nicht aber
auf Langfahrt, wo wir uns meistens in Seegebieten herumtreiben, die oft
hunderte, ja tausende Seemeilen abseits von den Hauptschifffahrtslinien befinden. Trotzdem können sie uns auch dort das Leben retten, wie ein paar
Beispiele beweisen: Am 5. April 1971 sinkt in der Nähe von Galapagos die deutsche 10-Meter-Yacht
BEACHCOMBER, worauf sich ihre Besatzung, Erich Neidhart, Siegfried Schweighöfer und Wolfgang Stölting in die Rettungsinsel und in eine "kleine Plastiknussschale aus dem Kaufhaus" flüchten.
Nach 24 Tagen werden die Segler von einem russischen Passagierschiff gerettet.
Getoppt wird diese "Leistung" von den englischen Yachtsleuten Maralyn
und Maurice Bailey, die ebenfalls Anfang der Siebziger in dieser Gegend
Schiffbruch erlitten hatten, in die Rettungsinsel geflüchtet waren und nach
sagenhaften 118 Tagen lebend gerettet wurden. Beiden Vorkommnissen ist
gemeinsam, dass die Crews noch Gelegenheit hatten, zusätzlich zur Rettungsinsel
weitere Rettungsmittel rechtzeitig von Bord zu nehmen. Die Baileys haben ein
Buch über Ihre Leidensfahrt geschrieben, das als Anleitung zum Überleben in
der Rettungsinsel sich für jeden als außerordentlich wertvoll erweisen
könnte. "Maralyn & Maurice Bailey : 118 Tage den Tod vor Augen - Schiffbruch im Pazifik"
ist zwar nicht mehr auf dem Markt, aber antiquarisch übers Internet (Ebay)
sicher aufzutreiben.
Ganz
eindeutig: So wie die handelsüblichen Rettungsinsel ausgerüstet sind, taugen
sie nicht fürs Überleben auf einsamer See über einige wenige Tage hinaus. Das
in den Inseln enthaltene Trinkwasser reicht nur für ein paar Tage und dann ist
Schluss. Der Mensch kann lange Zeit ohne feste Nahrung auskommen, aber nicht
ohne Flüssigkeit. Es muss in erster 'Linie dafür gesorgt werden, dass die
Rettung innerhalb weniger Tage sichergestellt ist, oder dass über ein längere
Zeitspanne der Körper mit Trinkwasser versorgt werden kann.
Aber
es ist nicht zu aufwendig, unsere Rettungsmittel langfahrttauglich zu machen.
Wir können von einer Wartungsstation in die Rettungsinsel weitere Gegenstände
einpacken lassen, was erfahrungsgemäß auch gemacht wird. Allerdings: Zuviel
Platz dürfen die zusätzlichen Rettungsmittel nicht beanspruchen. Es heißt
also Kompromisse schließen zwischen Notwendigkeit, Wirksamkeit, Größe und
Wartungsfreiheit.
Der
letzte Punkt scheint wichtig. Denn mit Bordmitteln kann eine Rettungsinsel nicht
gewartet werden. Sie könnte zwar geöffnet werden, aber ohne weitere
Hilfsmittel sie dann wieder in den Container oder Tasche zu pressen, ist
aussichtslos. Die Wartung einer Rettungsinsel auf Langfahrt ist ohnehin
problematisch: Denn die vorgeschriebenen Wartungsintervalle können auf
Langfahrt oft nicht eingehalten werden, weil es vor Ort gar keine
Servicestationen gibt. Hierzu ein Trost für diejenigen, die gleich
durchdrehen, wenn das Service-Intervall überschritten wird. Im Zuge von
Sicherheitsvorführungen auf einer großen Bootsausstellung habe ich ausschließlich Rettungsinseln verwendet, deren Wartung längst überfällig war
- in einem Fall sogar um fünf Jahre. Im Laufe der Zeit wurden circa 50 Rettungsinseln
aktiviert. Alle funktionierten einwandfrei - bis auf eine einzige, bei der eine
der beiden Kammern nicht aufgeblasen wurde - im echten Notfall hätte man auch
diese zum Funktionieren gebracht.
Welche
Gegenstände also in die Rettungsinsel einpacken lassen?
Wenn
nicht schon ohnehin vorhanden:
• eine Plastikfolie
•Nagelschere, Leatherman oder Schweizer Offiziersmesser (Klappmesser)
• Schlafsäcke aus Silberfolie
• ein sehr feinmaschiges kleines Netz (Planktonnetz)
• Angelhaken, Blinker, Perlonleine (0,25 mm)
• Taschenspiegel
• Tabletten gegen Seekrankheit
Die Tabletten gegen die Seekrankheit sind zu Beginn sehr wichtig, denn der Körper ist an die viel heftigeren Bewegungen in der Rettungsinsel nicht gewöhnt, so dass auch seefeste Personen sich leicht übergeben, wobei gerade in diesem Fall Flüssigkeitsverlust gefährlich ist.
Die
Plastikfolie kann dazu verwendet werden, in geringem Maße Süßwasser durch
kondensieren im Sonnenlicht zu gewinnen, der Spiegel, um vorbeifahrende Schiffe
zu alarmieren.
Zusätzlich würde ich einpacken lassen:
"Handfunke",
mit der auf Kanal 16 gesendet werden kann
und
GPS-Gerät
Der
VHF-Sender muss nicht zugelassen sein, denn er ist ja in der Rettungsinsel
nicht betriebsbereit und damit nicht strafbewehrt. Beide Geräte müssen mit
Batterien (z.B.AA) betrieben werden können, die nicht eingelegt sein dürfen,
denn durch Selbstentladung sind sie im Notfall unter Umständen
"leer". Das GPs kann das billigste sein, das die Position nach Länge
und Breite anzeigen kann.
Was
eine so ausgerüstete Rettungsinsel nicht gewähren kann, ist die
überlebenswichtige Trinkwasserversorgung. Da drängt sich ein
handbetriebener
Watermaker auf, z.B. der Survivor von PUR. Eigentlich ideal: 15 Minuten per Hand
pumpen und schon hat man ein Glas Trinkwasser bester Qualität, ich habe es
ausprobiert. Er ist auch
kompakt genug für eine Vier-Personen-Rettungsinsel. Aber: Ohne Wartung
besteht
nach mehr als eineinhalb Jahren die Gefahr, dass die empfindliche Membrane
zugewachsen ist und damit kein Süßwasser mehr erzeugt werden kann.
Eindeutig:
Mit der Rettungsinsel allein, sind wir nach einer Woche oder so nicht mehr
überlebensfähig. Wir brauchen einen weiteren - wasserdichten -
Container, der
im Notfall mit in die Rettungsinsel kommen muss(!). Solche Behälter mit einem Fassungsvermögen von
5 bis 20 Liter gibt es preiswert beim
Yacht-Zubehör-Händler oder im Baumarkt.
Was
gehört in den Zusatzrettungscontainer?
1.Handbetriebener
und gewarteter Watermaker
2.Handfunke,
wenn nicht schon in der Rettungsinsel
3.
kleiner einfacher GPS-Empfänger, wenn nicht schon in der Rettungsinsel
4.
Iridium-Handy - ein Satellitentelefon mit gültiger Sim-Karte, mit dem man jede
Telefonnummer auf der Welt anrufen und auch Telefonate empfangen kann.
Was
sollte man sonst noch nach Möglichkeit beim Aufgeben der Yacht mitnehmen?
1.
Beiboot
Nicht
nur die beiden obengenannten Fälle haben gezeigt, dass die Überlebenschancen
drastisch erhöht werden, wenn neben der Rettungsinsel ein zweiter
schwimmfähiger Untersatz vorhanden ist.
2.
Epirb
Sie
gehört heute zur Standardausrüstung einer Fahrtenyacht und garantiert fast,
dass in vergleichsweise kurzer Zeit Rettungskräfte an ihrem Ort auftauchen
können. Auch, wenn der Alarm rechtzeitig ausgelöst wurde und damit der
Unfallort bekannt ist, gehört sie mit in die Rettungsinsel, denn nach längerer
Zeit wird die Insel trotz Wassersäcke als Seeanker vom Unfallort abgetrieben sein. Ist die (mehrere Tage
sendende) Epirb in der Rettungsinsel, ist damit der Aufenthaltsort der
Überlebenden bekannt. Nebenstehende Epirb hat Ihre Daseinsberechtigung schon
bewiesen, weil sie östlich von Malaysien ausgelöst wurde und der Notruf
innerhalb weniger Minuten in Bremen bekannt war.
3.
Wasser
Auch,
wenn die Möglichkeit besteht, in der Rettungsinsel Süßwasser zu fabrizieren,
sollte die restliche Kapazität von Insel und Beiboot genutzt werden,
zusätzliches Trinkwasser mitzunehmen. Am besten in den supermarktüblichen
Plastikflaschen (siehe Foto oben), wo sich das Trinkwasser praktisch unbegrenzt hält, solange die
Flaschen nicht geöffnet werden. Frisch in Kanister abgefülltes Wasser kann
ziemlich schnell verderben oder durch Algen fast unbrauchbar werden.
Was
- nach meinem Empfinden - in einer solchen Notsituation überflüssig ist, wären
Geld und Pässe. Primär geht es nur ums eigene Überleben.
Was
zum Retten noch erforderlich ist, ist eine am Niedergang angebrachte Checkliste
für den Fall des Verlassens der Yacht. Was im Trockenen selbstverständlich
ist, geht bei Panik häufig nicht in den verwirrten Kopf der Mannschaft. Eine
solche Checkliste könnte so lauten:
Wenn
Yacht sinkt oder unlöschbares Feuer an Bord, dann
1.Rettungsinsel
aktivieren
2.Beiboot
wassern
3.Seenotcontainer
in Rettungsinsel
4.Epirb
auslösen und in Rettungsinsel
Tröstlich:
Führt eine Yacht eine wie oben empfohlene ausgerüstete Rettungsinsel und eine
Epirb mit, ist heute - im Gegensatz zur Zeit des letzten Jahrtausends - die
Wahrscheinlichkeit sehr hoch, nach dem Verlassen einer Yacht rechtzeitig
abgeborgen zu werden. Man ist fast versucht zu fragen: "Was soll da schon
noch passieren?"
Aber das wäre hochmütig und fordert Neptun geradezu heraus.
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