Trick-Siebzehn an Bord (99)
Bullenstander
- Lebensretter für Null Euro
auf
allen Langfahrtschiffen verwendet, wenn sie ein paar Monate unterwegs waren.
Jeder,
der schon länger mit einer Yacht unterwegs ist, hat in der Backskiste
einen Tampen rumliegen, zum Beispiel von einer ausgedienten Schot oder auch von der
Ankertrosse. Und dieser Abfall kann sein Leben retten. Natürlich kann
für einen Bullenstander auch eine neue Leine in Schotstärke verwendet werden.
Aber ein Muss ist das nicht, zumal nur ein paar Meter benötigt werden.
Der
Bullenstander, auch als Bullentalje verwendet, hat nichts weiter zu tun, als zu
verhindern, dass im Wind oder in der Dünung der Baum unkontrolliert
umherschlägt und damit zu einem hochgefährlichen Instrument wird, das - man
braucht da gar nicht übertreiben, für den Tod zahlreicher Segler
verantwortlich ist. Deshalb der sehr plastische Ausdruck "Widowmaker"
(Witwenmacher) mit dem die amerikanischen Yachtsleute oder die Besatzungen von
Rahseglern Spieren genannt haben, die ausser Kontrolle geraten können(!). Erst kürzlich
ist wieder ein deutscher Segler nach Patenthalse vom überkommenden Großbaum
erschlagen worden (siehe hier!).
Ich selbst war auf dem Begleitschiff, als ein Segler beim Ecker-Cup von einem
überkommenden Baum am Kopf getroffen wurde. Erwähnenswert die
Begleitumstände: Sieben Stunden lang wartete die gestandene Regattacrew,
darunter ein Ärztin, auf den von der griechischen Küstenwache zugesicherten
Rettungshubschrauber. Vergeblich! Die Amerikanische Navy hatte die verzweifelten
Hilferufe der Schiffsbesatzung am Funk mitgehört, ein paar Minuten später
waren die Amis da und im Nu war der Unglückliche im OP-Saal auf dem
US-Flugzeugträger, wo ihm allerdings nicht mehr geholfen werden konnte.
Von
den Besuchern dieser Webseite ist sicher niemand so einfältig, zu glauben, dass
er vor einer Patenthalse, also dem unbeabsichtigten Schiften des Großbaums
sicher ist. Das kann jedem passieren; man klopfe sich an die eigene Brust. Wem
sind nicht schon mal nach ein paar ermüdenden Stunden am Ruder die Augen
zugefallen? Wer hat nicht schon mal erlebt, dass der Wind plötzlich einschläft
und gleich danach aus der "falschen" Richtung kommt? Wobei letzteres
gar nicht nötig ist, denn schon, wenn der Winddruck im Großsegel auf Null
zurückgeht, kann der Baum in der zurückgebliebenen Dünung wild umherschlagen.
Auch am Wind, wo naturgemäß der Großbaum dichtgeholt ist. Und selbst wenn er
den Mann nicht trifft, können leicht der Großblock oder andere Beschläge durch
das wiederholte heftige Einrucken beschädigt werden. Und wenn hier trotzdem
jemand meint, er könne auf diesem oder jenem Kurs auf den "Bullen"
verzichten, dann ist dies nichts anderes, als wenn ein einfältiger Autofahrer
meint, in der Stadt bräuchte er den Sicherheitsgurt nicht anlegen.
Unter
Selbststeueranlage ist es noch wahrscheinlicher, dass der Großbaum
ohne Bullen zu schlagen beginnt, und zwar dann, wenn dieser eine Winddrehung nicht
verarbeitet und aus dem Ruder läuft oder bei einer anderen Fehlreaktion. All
das kann auf jedem Kurs geschehen. Auch dem besten Skipper. Man beachte die
Fotos von Weltumsegleryachten, bei denen sogar am Wind ein Bullenstander (roter
Pfeil) gesetzt ist. Ich glaube nicht, dass es viele Langfahrtsegler gibt, die
nach den Erfahrungen des ersten Jahr auf der Yacht noch ohne dieses primitive, aber enorm
leistungsfähige Rettungsmittel unterwegs sind - siehe wiederum die beiden
Fotos.
Ist
ein Bullenstander gesetzt, verläuft eine Patenthalse ohne große Folgen. Das
Großsegel steht halt back, so wie wir den Großbaum beim Beidrehen festzurren würden.
Die
Bedinung des Großbaums kann man einfachst gestalten. Man verbindet die
Großbaumnock mittels eines kräftigen Tampens (mindestens so dick wie die
Goßschot) mit einem Block, einem Holepunkt oder ähnlichem auf dem Deck
möglichst weit auf der Seite. Dann wird die Großschot etwas gefiert, der
Stander dichtgeholt und nachfolgend die Großschot ebenfalls. Dadurch ist
dann auch der Bullenstander ohne jede Lose. So hätte der Großbaum bei einer Patenthalse Null
Spiel, die Folge wäre lediglich ein harmloses Überflappen der Segeltuchs über dem
Großbaum. Das ist gerade der Reiz dieses Tricks, dass sowohl die Anschaffung
kein Geld als auch die Bedienung kaum Umstände macht.
Es
geht aber auch eleganter, nämlich dann, wenn man den Lebensretter so installiert, dass
die Bedienung auch aus dem Cockpit möglich ist. Diese Lösung kann für
heimatliche Gewässer verwendet werden, wo es ja am Sonntagnachmittag
enorm wichtig ist, die Segelstellung im Minutentakt zu variieren. Die Zeichnung
zeigt hierzu eine Möglichkeit, der Aufwand ist ebenfalls gering. Ein paar
Blöcke und zwei Schiffslängen Schot-Materialen - das war's dann schon!
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