Das lag nicht an den paar Atlantik-Rallies, die auch die Kapverden
"besuchten". Eine neue Spezies Segler sucht hier die Ankerplätze heim, wie wir
sie so nicht kannten. Nur soviel: Die berüchtigten Herrentörn-Mannschaften auf
Charterschiffen sind harmlose Seewanderer im Vergleich zu vielen Teilnehmern
dieser Rallies. Am schlimmsten waren dieses Mal die Bestzungen englischer
Yachten, die - neben der Totenkopfflagge - zwar stolz die Marineflagge Ihrer
Majestät jeden Abend einholten, aber zum Thema Seemannschaft nicht nur ein
gestörtes sondern gar kein Verhältnis hatten. Im übrigen wollen wir über
das Verhalten dieser offensichtlich ständig in Alkoholschwaden wabernden Sailors so charakterisieren: Hooligans auf dem Wasser.
Nein das war nicht das Problem. Auch nicht der junge Franzose, der
mit seinem Eisenkübel von 10 Metern Länge bei Windstärke eins und bestem
Ankergrund auf vier Metern Tiefe nachts in unsere vor 2 Ankern liegende THALASSA
trieb. Er hatte circa 5 Meter Kette gesteckt.
Erst recht spielt für meine Beurteilung von Mindelo keine Rolle,
dass hier während unserer Anwesenheit ein 52 Jahre alter deutscher Segler, mit deutscher
Charteryacht unterwegs, von einem Hai zerfleischt wurde, als er nach dem Anker
blicken wollte. Solche tödlichen Unfälle passieren halt.
Was nicht zu verkraften war, war die kriminelle Energie, die auf
diesem Ankerplatz seitens der Einheimischen zu Hause ist. Als man schon vor 40
Jahren die hohe Kriminalitätsrate auf den Kapverden beklagte, entschuldigte
man sie mit der bitteren Armut. Inzwischen sind die Capverdischen Inseln
unabhängig und mittels
Entwicklungshilfe zwar nicht zu einem reichen Land hochgemästet worden, doch
von Armut ist nicht mehr viel zu sehen. Man denkt über die Streichung dieser
Hilfen nach.
Mindelo, einer der wenigen guten Ankerplätze mit bescheidenen
Einkaufsmöglichkeiten auf den Kapverden, ist für zahlreiche Yachten zum
Sprungbrett für die Atlantiküberquerung geworden.
Ich rate jeder Yacht ganz dringend davon ab, jetzt und in
naher Zukunft
Mindelo anzulaufen.
Der drastische Hinweis ist notwendig, denn, wie sich
herausgestellt hat, waren die bisherigen Berichte über diesen Platz einfach
nicht deutlich genug, stattdessen schön gefärbt, was zur Folge hatte, dass
viele (dazu gehören auch wir) den Ernst der Situation nicht erkennen haben
können - und bitter dafür bezahlen mussten.
Das ganze Unglück fing damit an, dass wir am helllichten Tag von
einer Horde von 12 bis 14 Jahre alten Kindern am Beibootsteg
überfallen wurden. Die Kids erleichterten uns mit Hilfe ihrer Eisenhaken um ein
paar hundert Dolar und um unsere Kreditkarte. Es war kein Trost für uns, dass
die Polizei bestätigte: "The children are very dangerous!"
Keine Kreditkarten, kein Bargeld! Anruf zu Hause: "Lieber Nicolai,
bring uns Cash mit!"
Nicolai kam abends um 9 Uhr auf unsere Yacht, fünf Stunden später war er 3000
Dollar ärmer. Ein Dieb war bei verschlossener Niedergangstüre durch die
geschlossene, aber nicht verschlossene Luke eingestiegen, hatte sich seelenruhig unten in der
Achterkabine aus der Hose des daneben schlafenden
Nicolais bedient.
Okay, bitter, haben wir(!) halt doppeltes Pech gehabt. Könnte
man noch sagen.
Wie sich am nächsten Morgen herausgestellt hat, waren von den
vorhandenen 20 Yachten immerhin sechs, also 30 Prozent, ziemlich zur gleichen
Zeit überfallen worden. Eine Belgierin ertappte einen Dieb, wurde aber von ihm mit
Fußtritten im Gesicht verletzt. Jetzt plötzlich wurden auch andere
Fälle aus jüngster Zeit bekannt, wonach solche "Unfälle" von Zeit
zu Zeit auf der Tagesordnung waren.
Ab da verließen wir die Yacht kaum noch. Carla bekam schon Angstzustände, wenn ihr auf der Straße ein Kind folgte. Normalerweise essen
wir abends praktisch immer am Ankerplatz im Restaurant, aber in Mindelo wagten
wir es nicht ein einziges Mal, abends von Bord zu gehen. Über nacht wurden
Außenborder
und Beiboot immer an Deck gelagert.
Nun sollte man meinen, dass nach einer solchen Nacht Ruhe
einkehrt, also die Überfälle nachlassen. Schon in der nächsten Nacht ging es
wieder auf. Täter wurden fotografiert, zum Teil als Schwimmer in der
Navigationsecke erwischt und so fort.
Wir hätten den Ankerplatz schon längst verlassen, wenn wir nicht
auf die Ankunft von Freunden warten hätten müssen. Endlich - am Mittwoch kam
Wolfgang aus Linz. In der Nacht dann wieder die üblichen Schreiereien am Ankerplatz.
Aber
dieses Mal hatte sich einer der Ganoven verrechnet. Er hatte schwimmend mit
einem langen Messer, eine neue Dimension, sich als Opfer den Katamaran KATHAIS
(Bild) ausgesucht, der unter anderem mit 10 sportlichen Franzosen bemannt war.
Zwar brachte der Räuber zwei von ihnen Schnittverletzungen bei, doch konnte er
schließlich überwältigt werden. Der Räuber war so stark, dass die Segler
die Winschen zu Hilfe nehmen mussten, um den "Verbrecher" (politisch
korrekt: "Intensivkriminellen") zu fesseln. Die weithin zu
hörenden Schmerzensschreie deuteten darauf hin, dass die Franzosen nicht besonders rücksichtsvoll vorgegangen sind. Dann kam die Polizei. Sie
musste,
mangels eigenem Boot, mit Beiboot auf den Katamaran gebracht werden, wo sie ein
wohlverschnürtes Paket in Empfang nahm.
Selbstverständlich gibt es in Mindelo auch Segler, die noch nicht
überfallen worden waren und die vielleicht sagen - was sie nicht böse meinen:
"Also, so schlimm ist das nicht, uns hat man nichts getan." Deren
Meinung!
Tatsache ist, dass jedenfalls zur Zeit unseres Aufenthalts, jeder Segel eine Fifty-Fifty-Chance hatte, ausgeraubt,
überfallen oder bestohlen zu werden. Von den üblichen Schutzgeldzahlungen an junge Männer
wegen "Beiboot bewachen" oder "Schiff aufpassen" mal gar
nicht zu reden.
Noch ein Punkt: Wie uns zahlreiche Leute auf den Kapverden
versicherten, sei die Kriminalität in den letzten Jahren stark
zurückgegangen...
Endlich, endlich kam Claude aus Luxemburg an, wir konnten aus
Mindelo flüchten.Das
Schönste an den Kapverden war für uns das Absegeln. Fast schon zu sehen vom
Ankerplatz war der Horizont, der den Weg nach Amerika, nach Trinidad wies.
Keine Untiefe, keine Insel liegt dazwischen. Deshalb Segel hoch, der Passat
blies schon im Kanal Sao Vicente zwischen der gleichnamigen Inseln und dem
gegenüberliegenden San Antao, wo der unglückliche Jockel Lehmann beim Versuch
einer Non-Stop-Weltumsegelung strandete (und später in Mindelo - logisch -
ausgeraubt) wurde. Obwohl jeder vor dieser Düse wegen des Venturieffektes vor
den starken Winden gewarnt hatte, konnte sich der Passat nicht entschließen,
mehr als 3 Bft in die Schmetterlingsbesegelung zu blasen.
Bald lag die letzte Huk hinter uns, und wir konnten den Kurs auf
Trinidad absetzen - 265 Grad. Bei dieser Art von Segeln ist keine Seekarte
nötig, sie würde ja nichts als Wasser zeigen:
Wegen der hektischen Abreise aus Mindelo wurden erst jetzt die
Rollenverteilung auf der THALASSA besprochen: Jeder -ausser Skipper - ist
abwechselnd einen Tag Koch. Der "Koch von morgen" ist Abspüler.
Wacheinteilung gibt es nur für die Nacht. Alle zweieinhalb Stunden wechseln die
beiden Wachen Carla und Wolfgang/Claude. Wachbeginn 22 Uhr OZ.
Jetzt sind wir seit zwei Tagen unterwegs, marschieren unter
Spinnaker mit fünf bis acht Knoten bei exakt achterlichem Wind. Eine
Wettervorhersage haben wir über Iridium erhalten. Unsere Freunde Hanspeter und
Nathalie von der NATHAPE aus Gibraltar sandten uns ein SMS übers Iridium:
"NW 20 Knoten für die nächsten drei Tage!"
Was will man mehr? Die traumatischen Erlebnisse in Mindelo liegen
350 Meilen achteraus.
27.11.01 - Traum-Spinnaker-Segeln im Passat
Welch ein Segeln! Seit drei vollen Tagen rauschen wir unter
Spinnaker dahin. Der Passat weht ständig mit 15 bis 20 Knoten - entsprechend
der Vorhersage (was beim Passat nicht schwierig ist) - dahin. Wir haben
zwei Spinnaker an Bord, einmal unseren bewährten konventionellen
Premio-Spinnaker und einen Parasail-Spinnaker zum Testen. Letzterer ist eine
Neukonstruktion, die behauptet, dem herkömmlichen Spinnaker vor allem beim
Fahrtensegeln überlegen zu sein. Durch seinen zusätzlichen Auftriebsflügel -
abgeschaut bei der Gleitschirmfliegerei - soll er auch das Vorschiff entlasten
und vor allem die Schaukelei vor dem Wind abmildern. Mal sehen...
Letzteres ist bei einem Kat nicht sehr
ausschlaggebend, denn die Rollerei entfällt. Liest man übrigens in den
älteren Segelbüchern nach, war da immer ein Gejammere beim Passatsegeln -
wegen des Rollens. Hier sind die Vorteile des Katamarans besonders augenfällig.
Mittags kommt keiner auf die Idee, beispielsweise die Getränkeflaschen etwa
nicht auf den Tisch zu stellen. Keine fällt um.
Das Speedometer fasziniert. Vorwindskurse sind nicht die Domäne
des Kats. Wenn man aber gemütlich zu Tisch sitzt und die Speedonadel zwischen 6
und 11 Knoten schwankt, dann hat man das Gefühl etwas geschenkt zu bekommen.
Und tatsächlich - in den ersten drei Tagen haben wir schon 450 Seemeilen
zurückgelegt, in den letzten 24 Stunden 180 Meilen.
Dank
unserer Spinnaker! Ein ungewohnter Job ist es schon, die Riesenmenge Tuch
auf dem Vorschiff fürs Setzen vorzubereiten. Nach oben bringen wir die Spis
sicherlich, ein Alptraum aber wäre es, die paar hundert Quadratmeter nicht mehr
runterholen zu können. Bis jetzt ist das noch nicht passiert. Mit jeder Stunde
fühlen wir uns mit den Tüchern wohler. Andere Segel ziehen wir erst gar nicht
hoch. Inzwischen haben wir auch ein paar Tricks gefunden, den Spi, der auf einem
Katamaran ohne Baum gefahren wird, zu shiften, ohne das Segel runterholen zu
müssen. Trotzdem landet es einmal am Tag an Deck, um Beschläge und Tuch auf
Schamfilen etc zu überprüfen.
Im übrigen fühlen wir uns mit den Riesentüchern wohler,
nachdem zusätzlich 2starke Männer, Wolfgang und Claude, an Bord sind.
Noch 1700 Meilen nach Trinidad!
28.11.01 - Vier Tage Spinnaker oben
Claude
(links) hat Geburtstag, was ihn aber nicht vom Fron des Kochdienstes befreit.
Das Sirloin kann sich dann auch sehen - und schmecken - lassen. Es ist für mich
als ehemaligem Monosegler noch immer ein ungewohntes Gefühl, unter Spinnaker
mit acht, neun Knoten dahinzurauschen und dabei an einem voll gedeckten Tisch
gemütlich zu Mittag essen. Nichts fliegt davon!
Gegen abend brist
der Wind deutlich auf. Gelegentlich tauchen auf dem Windmesser schon mal
"20 Knoten" (scheinbar) auf. Wenn dann der Kat die Wellenhügel
runterrutscht, klettert das Speedo bis auf 12 Knoten. Noch kein Grund, den Spi
wegzunehmen, zumal der nächste Schritt Genua hieße! Und unter Genua allein
sind nicht mehr als 6 Knoten drin. Wir wollen nicht undankbar sein, immerhin
haben wir seit der Abfahrt stetigen Wind.
Logisch
bleibt der Spi auch nachts stehen. Wolfgang (rechts) ist trotz seiner
eingeschränkten Segelerfahrung ein Meister im Trimmen. Immer wieder findet er
eine Möglichkeit, den baumlosen Spinnaker noch ein bisschen besser stehen zu
lassen. Er hat Riesenspaß am Segeln. Kein Kunststück, zählt Segeln im Passat
doch zu den schönsten Naturerlebnissen.
Schiffsverkehr ist nicht
mehr. Am ersten Tag hatten wir noch ein paar Yachten passiert, darunter den
ausgeraubten Katamaran KATHAIS. Am zweiten und am dritten Tag wurde dann noch
nachts weit weg jeweils ein Schiff ausgemacht. Das war es dann. Trotzdem wird
aufmerksam Wache gegangen, man weiß ja nie...
Am Morgen wird der
Wind heftiger. Es ist Zeit, den Spi einzuholen - nach vier Tagen. Dank
Bergeschlauch holen Wolfgang und ich das Riesensegel problemlos runter. Gut so.
Dann, wie erwartet, geht unsere Geschwindigkeit unter der Genua auf sechs Knoten
zurück. Vorbei ist es mit einem Rekordetmal (mein bestes war bisher auf der dem
Mono THALASSA II 193 sm), aber immerhin springen noch 173 Meilen raus -
über 620 Meilen in vier Tagen macht mehr als 150 Meilen pro Tag. Nicht schlecht
für den Kurs platt vor dem Laken.
Obwohl wir am Nachmittag den Spi wieder raufziehen, entscheiden wir uns für die Nacht wiederum für die bvlanke Genua. Man weiß ja nie, was in den Böen drin ist, die sich mit dunklen Wolken am Horizont abzeichnen. Der Gedanke, nachts die Bergeleinen des Spinnakerschlauchs nicht entwirren zu können, beunruhigt uns. Denn das Salinglicht geht - wie der Name sagt - nur bis zur Saling, darüber sieht man nur noch ein finsteres Loch und keine Leinen.
Es wird, jedenfalls bis jetzt, zwei Uhr morgens, eine ruhige Nacht.
29.11.01 - Unser Wohnzimmer ist 14
Knoten schnell
Nur ein Etmal von 130 Seemeilen. Das ist die "Strafe"
dafür, dass wir den Spinnaker über Nacht unten gelassen haben. Stattdessen
hatten wir eine geruhsame Nacht. Nicht ganz, weil drei(!) Schiffe ziemlich mit
uns auf Kollisionskurs waren. Gegen neun Uhr zogen wir den Spinnaker wieder hoch
und rauschten vor dem aufbrisenden Wind dahin. Bei "25 Knoten auf dem
Windmesser ist Schluss für den Spinnaker", setzten wir uns selbst das
Limit. Das entspricht einem wahren Wind von rund 35 Knoten. 20, 21, einmal 23
Knoten zeigte der Windmesser. Das Speedo ging kaum noch unter 10 Knoten.
"Dreizehn komma acht" rief Carla triumphierend, die den Automaten
immer so nachstellte, dass der Wind schön achterlich blieb.
Nicht, weil uns das zu schnell wurde, sondern, weil der Wind die
THALASSA langsam vom Sollkurs wegdrehte, holten wir den Spi runter. Mit
Bergeschlauch kein Problem für 2 Leute - wenn sich die Bergeleinen nicht
vertörnen. Trotzdem waren wir etwas erleichtert, als die gute Fahrtenbesegelung
- Groß und Genua - wieder oben waren. Und die Geschwindigkeit stimmte immer
noch, wenn auch nicht mehr zweistelligen.
Apropos Speed: Jeder zweite, mindestens, der sich nach unserem Kat
erkundigt, stellt als erstes die Frage, wie schnell so eine PRIVILEGE sei. Als
ob das wirklich interessant wäre? Für uns ist die THALASSA unser schwimmendes
Zuhause, also Schlafzimmer, Küche, Wohnzimmer in Einem. Wollte ich schon mal
von jemanden wissen, wie schnell sein Wohnzimmer ist?
Viel interessanter ist doch die Aussicht vom "Balkon" -
beim Sundowner!

30.11.01 - was kommt in die Rettungsinsel,
wenn?
Klar macht man sich auf so einem Atlantiktörn Gedanken: Wie das
aussieht, wenn man aussteigen müsste. Was allerdings auf einem Katamaran und
erst recht auf einer angeblich "unsinkbaren" Privilege nicht sehr
wahrscheinlich ist. In der Segelliteratur wimmelt es geradezu von Beispielen, wo
eine Yacht voreilig zugunsten der Rettungsinsel verlassen worden ist. Diese
lehren, dass die Rettungsinsel wirklich die allerletzte Alternative ist. Auf
einem Kat schon gar. Denn selbst wenn beispielsweise ein Rumpf leckgeschlagen
ist und richtig Wasser macht, bedeutet das ja noch lange nicht, dass das ganze
Schiff untergeht.
Immerhin ist ein Schreckensszenario vorstellbar, wo auch bei einem
Zweirümpfer definitiv "Ende" ist: Feuer!
Dann bleiben nur Beiboote und die Rettungsinsel. Logisch, das
erste, was mitkommt ist Wasser. Daran hat die ganze Überlebenstechnik der
letzten Jahre nichts geändert. Der Mensch kann einen Monat ohne Essen
auskommen, ohne Trinkwasser überlebt er nur ein paar Tage. Deshalb sind auf der
THALASSA rund um die Rettungsinsel im Cockpitboden zahlreiche Wasserflaschen
griffbereit gestaut. Doch was kommt dann?
Wir vier auf der THALASSA haben es diskutiert und wie so oft bei
solchen Trockenübungen kommen doch ganz überraschende Gedankengänge heraus:
Das zweitwichtigste Ding - soviel war klar - ist die Epirb, die nach Auslösung
noch für 48 Stunden Notrufe gut ist. Denn was hilft die beste NAVTEC GLOBAL 3,
die die Retter ruft, wenn sie sie nach dem falschen Ort, nämlich der
Untergangsstelle, lockt und nicht zur längst abgetriebenen Rettungsinsel.
Selbstverständlich ist es reines Wunschdenken, wenn man glaubt, sofort nach
Auslösen der GLOBAL 3 würde irgendwo ein Suchflugzeug aufsteigen, um die
Schiffbrüchigen rauszufischen. Aber Handelsschiffe in der Nähe - und hier
geistern ein Menge rum, wie wir nachts gesehen haben - werden umgeleitet.
Dann kommt ein Hand-Watermaker in die Rettungsinsel. Ich habe so
ein Ding mal getestet. Ohne große Anstrengung war es damit möglich, in 10
Minuten aus dem Meerwasser einen Becher Trinkwasser zu machen.
Was sonst noch? Wolfgang hatte eine tolle Idee, an die wir nicht
gedacht hatten, die aber doch sehr naheliegend ist. In die Rettungsinsel
muss(!!!) das Iridium, das Satellitenhandy. Als wir vor Jahren von Tahiti um Kap
Horn ins Mittelmeer (mit einem Stop) 14 Tausend Meilen gesegelt waren, hatte ich
in einem Überlebenscontainer einen kleinen (wie ich meinte)
Kurzwellen-(Amateur-) Sender eingepackt. Mit diesem wäre es - vielleicht -
möglich gewesen, Verbindung zum Land aufzunehmen. Was für ein Aufwand! Eine
Motorrad-Batterie sollte den Strom liefern, 10 Meter Draht wollte ich
"irgendwo" als Antenne befestigen und mit einer Matchbox sollte diese
Notantenne abgestimmt werden. War ich froh, dass ich das nie in der Praxis
ausprobieren hab müssen. Mit dem (trockenen) Handy wäre es eine Sache von
Sekunden, jemand vom Seenotfall zu benachrichtigen oder die Art des Unglücks
exakt an die Außenwelt zu übermitteln.
Mit dem Iridium (mit dem übrigens auch diese Seite ins Internet
übertragen wird) geht es wie mit jedem normalen Handy: Einschalten und wählen!
Wenn das Ding mit 4000.- DM nur nicht so teuer wäre! Dann könnte man
vielleicht die Idee weiterverfolgen, zum Beispiel, es gleich mit in die
Rettungsinsel einpacken lassen. Die Lithiumbatterien halten ein paar Jahre die
Ladung. Oder mit einem kleinen Solarlader im Falle des Falles aufladen... Und so
weiter...
Aber lassen wir diese Gedanken, der Passat bläst immer noch
stetig, wenn auch leiser. Gestern waren es noch fast 150 Seemeilen Etmal und
voraus - 1260 Seemeilen weit - liegt Trinidad.
3.12.01 - Spinnaker
überlebt 40-Knoten-Böe!
Das
Wetter im Passat, soweit keine Störung vorliegt, stellt kein Problem dar. Und
so nahm es noch vor 20 Jahren niemand tragisch, dass es kaum eine Möglichkeit
gab, an "das Wetter"
bei einer Passat-Atlantik-Überquerung ranzukommen. Es gab es schlicht nirgends.
Denn die gefunkten Wetterberichte deckten ja nur die Gebiete ab, wo Schifffahrt
stattfand und das war sicher nicht die Passatroute, wo sich im November ein paar
Dutzend - höchstens - Yachten rumtrieben. So kümmerte man sich an Bord auch
wenig ums Wetter. Einer der wenigen Hilfen hierbei war der
Barograph. Nicht der Barometer, denn der kann die für den Passat typische
Druckwelle höchstens dann anzeigen, wenn man in regelmäßigen Intervallen die
Werte mitschreibt und aufzeichnet. Wenn allerdings der Seegang zu heftig wurde,
dann schrieben viele Barographen derart tintenfette Linien aufs Papier, dass die
Kurven kaum zu erkennen waren - trotz der viel gerühmten Öldämpfung, was
nichts anderes war als ein Blech am Schreibarm in einem mit Öl gefüllten
Döschen.
Anders heute die elektronische Aufzeichnung: So zeichnet der
Meteoliner das gleichmäßige Auf und Ab des Luftdrucks im Passat. Würde man
nicht die Kurve überblicken, dann würde man über den steilen Druckverlauf
gelegentlich erschrecken. Mit dem Barografen hingegen lässt sich so
einigermaßen sicher feststellen, dass der Passat "ungestört" ist.
Gelegentlichen Passatstörungen, die ein paar Mal pro Saison
vorkommen, können damit schnell erkannt werden. Das ist wichtig, denn aus
Passatstörungen können sich, selbst außerhalb der "Hurricanzeit"
selten tropische Depressionen und dann folgerichtig - noch seltener - Stürme
oder gar Hurrikans entstehen. Was wir nicht hoffen, denn ein tropischer Orkan
ist auf offener See für jede Yacht eine Sache auf Tod oder Leben.
Es
gibt eine Regel, die besagt, wenn der Luftdruck nur um drei Hectopascal von der
Sollkurve abweicht, dann ist dies ein ernstes Warnzeichen im Hinblick drohender
tropischer Depression. Als wir einst in einen der schwersten Hurricans, die je
in der Südsee verzeichnet worden waren, gerieten, hätte dieses Warnzeichen
allerdings nichts genutzt. Denn zu diesem Zeitpunkt wäre es wegen der steilen
Dünung längst zu spät
gewesen, um zu flüchten. Hurricane BEBE überraschte damals mit seinen 150 Knoten
den ganzen Ankerplatz in Suva.
Betrachten wir den Druckverlauf am Barografen über mehrere Tage
(rechts),
dann sieht man, wie gleichmäßig die Passat-Wellen durchziehen - ein Zeichen,
dass Passatstörungen nicht in Sicht sind.
Trotz der "einfachen" Wettersituation freut man sich,
dass man zusätzlich metereologische Informationen auf das Schiff bekommt. Ganz
bequem kriegen wir auf der THALASSA das neueste Wetter. Da
klingelt es auf dem Satelliten-Handy zum Zeichen, dass eine Message eingegangen
ist: