Segelrevier: Westpazifik (1) - Micronesien


Der Pazifik rückt näher. Noch vor wenigen Jahren war die Karibik ein exotisches Segelrevier. Inzwischen gehört sie, gelegentlich überlaufen, fast schon zu den Hausrevieren deutscher Segler.  Im Urlaub macht es nur noch wenig Unterschied, ob man ein paar Stunden mehr im Flugzeugsessel verbringt. Und ist man mit dem eigenen Schiff unterwegs, rentiert es sich, nach der Karibik nicht die große Atlantikschleife einzuschlagen, sondern weiter nach Westen zu segeln. Hinter dem Panama-Kanal wartet nämlich das größte Segelrevier der Welt, der Pazifik. Fast unendlich groß wäre Platz für alle Yachten der Welt und der Stille Ozean wäre noch lange nicht überlaufen. Grund genug, mehr von diesem gigantischen Traumrevier zu erfahren! 

Torsten (geb. 1957 in Hannover) und Silke (geb. 1956 in Bremen) lernten sich schon in der Schule kennen. Zusammen reisten sie zum Nordkap, nach Australien, Neuseeland und Fernost. Silke wurde veterinär-medizinisch-technische Assistentin, Torsten promovierte in den Fächern Germanistik, Anglistik und Pädagogik. 1984 brachen sie mit ihrem 1981 geborenen Sohn Klaas auf ihrer 20 Jahre alten Segelyacht SEETEUFEL zu neuen Zielen auf. 

1998 bis 2000 unternahmen sie mit ihrem neuen Schiff KAVENGA die in diesem dreiteiligen Bericht beschriebene Reise, die auch Gegenstand des neuen Buches von Silke und Torsten Hartmann PACIFIC HIGH (gerade erschienen im Delius Klasing Verlag).

Heute lebt die Familie in Townsville, Queensland. Torsten arbeitet als Verwaltungsmanager einer Werft und Silke hat zur Buchbinderin umgeschult. Torsten hatte schon nach seinem Studium Kinderbücher geschrieben und diese auch illustriert, jetzt geben beide zusammen im Selbstverlag Kinderbücher über die Natur Australiens heraus. 


 Bilderbuchatolle im Westpazifik

Am 11. Dezember 1998 klarierten wir aus Kavieng aus und verließen Neu Guinea. Mit einem überraschend hilfreichen Südwest (zumindest für die ersten zwölf Stunden) ging es in zwei Tagen zum Atoll Kapingamarangi. Die Einfahrt hat jetzt ein Blinkfeuer, ist S-förmig gewunden und unproblematisch trotz manchmal starker Strömung. Wir ankerten vor dem Dorf und bekamen problemlos vom Chief Magistrate die Erlaubnis dort zu bleiben solange wir wollten. Zum ersten Mal machten wir hier die Bekanntschaft der recht stillen Mikronesier. Während in New Guinea oft Kanus zum Schiff kamen, blieb es hier um uns herum recht ruhig. Bis hin nach Palau machten wir immer wieder die gleiche Erfahrung: am ersten Tag bleibt es still ums Schiff, am zweiten auch, und oft auch am dritten Tag. Danach tauen die Menschen auf, und wenn man lange genug bleibt, kann man die allerengsten Freunde gewinnen. Kapingamarangi ist ein Bilderbuch-Atoll mit einer Kette von Motus, einem traditionellen Dorf, vielen Fischen, Langusten auf dem Riff, und als wir dort waren, prima Wetter.  

Unser nächster Stop war das Atoll Satawan, ein großes Atoll, zwanzig Meilen von Süd nach Nord. Der Hauptort von Satawan ist sehr westlich. Die Häuser sind aus Beton gebaut, es gibt Elektrizität - und Müll. Wir wurden freundlich aufgenommen und erhielten auch hier vom Chief Magistrate problemlos die Aufenthaltsgenehmigung. Weihnachten feierten wir dann ankernd vor einer paradiesischen Palmeninsel, unbewohnt, ganz für uns allein. 

Ende Dezember liefen wir in Truk ein, Einklarierung im Hafen von Weno. Man braucht für die FSM, Federated States of Micronesia, kein Visum aber ein Yacht Entry Permit. Dieses muss man sich besorgen, bevor man einreist. Wir taten das über Fax von Townsville aus und hatten in wenigen Tagen das Permit. Man darf sich dann auch vor der offiziellen Einklarierung auf all den kleinen Atollen aufhalten. Man sollte sich nur beim jeweiligen Chief Magistrate des Atolls die Erlaubnis holen. Eigentlich ein sehr einfaches System, das das Besuchen all dieser Atolle vor der offiziellen Einklarierung so problemlos erlaubt.  

Truk... In einem Monat dort, war nur ein anderes Schiff außer uns da. Das war das belgische Schiff Windekind mit Alfons und Clara Klöck. Von Truk hatten wir Schlimmes gehört, bevor wir dort waren. Viele Yachten machen einen großen Bogen drum herum. Kriminalität, Schmutz, was immer. Viele haben von jemand gehört, der von jemand gehört hatte, dass... Wir waren darum drei Wochen lang alleine auf Truk. Wir haben Truk ganz anders erlebt. Die Einklarierung war einfach. Man muss im Hafen an die Mauer gehen, was leider $50.- kostet. Aber die Beamten sind relativ freundlich und hilfsbereit. Dann fährt man zum Blue Lagoon Hotel, wo man auf fünf bis zehn Metern Wasser vor dem Steg ankert. Dort kann man das Dingi sicher liegen lassen und per Taxi in den Ort fahren. Das kostet 50 Cents pro Person. Im Ort gibt es gute Einkaufsmöglichkeiten, aber alles aus den USA und entsprechend teurer als auf dem US Festland. Ja, Weno ist schon ein wenig "rough around the edges", Autowracks am Strassenrand, riesige Löcher, und ein endloser Verkehrsstau auf der Hauptstraße des Ortes. Aber, die Menschen sind freundlich, die anderen Inseln des Atolls viel leerer, die Kulisse der bergigen Inseln ist spektakulär und... dann ist da noch das Tauchen. So wie in Truk hatten wir es noch nie erlebt.  

  Im Februar 1944 haben die Amerikaner in Truk eine große Flotte japanischer Schiffe versenkt. Es sind um die fünfzig Schiffe und etliche Flugzeuge dort versunken. Während an vielen anderen Orten die versunkenen Schiffe gleich nach dem Kriege von den Salvage Companies "ausgeräubert" wurden oder sogar komplett als Schrott zerlegt und geborgen wurden, geriet die "Geisterflotte von Truk" ganz einfach in Vergessenheit. Zum ersten Mal wurde in den späten Sechzigern wieder eines der Wracks "entdeckt", und die letzten dann erst in den 80ern. Das Tauchen an diesen Wracks ist wie ein Besuch in einem Museum. Viele der Schiffe stehen aufrecht auf dem Meeresboden. Man taucht durch die Laderäume und sieht Flugzeuge in zerlegter Form, Flügel, Motore, Munition, Ersatzteile, alte LKW's, Personenwagen, Panzer, die Liste ist endlos. Man taucht durch die Aufbauten, die Brücke, die Zimmer, Küche mit Kohleofen und oft noch Töpfen drauf, japanische Badezimmer... Ein vergessenes Geisterland, wenn der Grund für das Hiersein all dieser Schiffe auch ein sehr tragischer ist.                                    

In Truk darf niemand alleine bei den Wracks tauchen. Darum sind sie auch nicht ausgeplündert, sondern im Originalzustand, mit allen Artefakts an ihrem Platz. Man muss einen Guide an Bord haben. Unser Guide war ein netter Kerl namens Carlos, der uns von Sundance Tours and Dive, vermittelt wurde. Das kostete uns US 50.- pro Tag. Wir hatten den Guide für 13 Tage angeheuert, das waren $650.- die wir nie bereuten ausgegeben zu haben. Ein paar Worte der Warnung. Man ankert tief, meist um die 30 Meter, bei einigen Wracks aber auf bis zu 60 Metern. Wir gewöhnten uns eine sehr unkonventionelle Ankermethode an, nicht gerade traditionelle Seemanschaft, aber es klappte. Hätten wir an unsere 75 Meter Kette Tau gesteckt, hätten wir schwer zu ziehen gehabt, um gut 60 freihängende Meter hoch und dann auf das Kettenrad der Ankerwinsch zu bekommen. So ankerten wir quasi "rückwärts". Wir schlugen den Anker ab, machten 35 Meter Tau ans untere Ende der Kette plus zehn Meter Kette und Anker am Ende. Auf diese Weise konnten wir unsere 75 Meter 12mm Kette einfach durch die Winsch aufholen und hatten dann nur noch 35 Meter Tau plus 10m 10mm Kette und Anker unten hängen. Das war dann viel einfacher zu handhaben. Wir tauchten oft an der San Francisco Maru, einem etwa 120 Meter langen Frachter, gebaut in den Zwanzigern. Unsere tiefste Tauchtiefe dort war 56 Meter, extra Flaschen am Strick vom Boot hängend sind zur Dekompression notwendig. Was man unten sieht, ist aber kaum zu beschreiben. Das Wrack, aus dem tiefblauen Wasser auftauchend, ein fantastisch erhaltenes Museumsstück mit all der Fracht noch an Bord und der alten Dampfmaschine im Motorenraum. Auf einem Tauchgang stieß auf vierzig Metern Tiefe ein einzelner Delphin zu uns, der uns bis zum Schluss der Dekompressionszeit in Griffweite Gesellschaft leistete.  

Ende Januar verließen wir Truk und segelten nach Yap über Stops auf den unbewohnten Atollen West Fayu und Olimarao, und dann auch auf der Insel Ifalik. West Fayu und Olimarao sind Atolle, wie man sie sich vorstellt, unbewohnt und einfache weite Pässe ohne große Strömung, letzteres war für uns besonders günstig, da unser Motor leider den Geist aufgegeben hatte und wir ihn erst in Yap reparieren konnten. Wir blieben auf den unbewohnten Atollen für jeweils einige Tage, bevor es nach Ifalik weiterging.

Ifalik, hatten wir gehört, sollte das traditionellste Atoll sein. Früh morgens standen wir vor der Einfahrt in den Pass von Ifalik. Fünf große Segelkanus hatten draußen gefischt und waren jetzt auf dem Weg nachhause. Zusammen kreuzten wir gegen die Strömung durch den Pass, Bilder wie vor hundert Jahren. Der Chief von Ifalik begrüßte uns herzlich. Er brachte uns ein Buch für Yachten zum Sich-Eintragen. Das erste Schiff hatte sich 1992 eingetragen, wir waren das zwölfte in sieben Jahren - überrannt von Yachten wird die Insel nicht. Auch in Ifalik dauerte es wieder ein paar Tage, bis die Menschen ihre Scheu überwunden hatten. Dann wurden wir aber so richtig aufgenommen, fuhren mit den Segelkanus morgens zum Fischen raus und waren viel im Ort. Alles auf Ifalik ist heute noch so wie früher, dafür sorgt der Chief. Motoren, Generatoren, alles Neumodische ist verboten. Die Häuser sind nur aus traditionellen Materialien gebaut, ein Südseedorf wie im Bilderbuch, auch wenn es nicht gerade in der Südsee liegt.

Einziger kleiner (oder besser gesagt "großer") Minuspunkt: Ifalik ist Teil des Staates Yap. Alle Chiefs der kleinen Inseln von Yap kommen im Council of Tamol zusammen und machen Politik. Sie haben vor einiger Zeit bestimmt, dass jeder Besucher einer Insel $20.- zu zahlen hat, ohne Ausnahme. So kostete der Besuch von Ifalik für uns Vier $80.-. Und eigentlich hätten wir auch für West Fayu und Olimarao zu zahlen gehabt, hätten wir erzählt, dass wir dort waren. Drum herum kommt man nicht mehr. Früher tat es ein Sack Reis, oder man reparierte etwas auf der Insel. Heute gibt es keine Ausnahme mehr: US$20.- pro Person und Insel. Aber trotzdem – die ‘Outer Islands’ von Yap sind einen Besuch wert.  

Obwohl erst Mitte Februar entwickelte sich doch während unserer Fahrt von Ifalik nach Yap ein Taifun nur 200SM nordöstlich von Yap. Er zog nach Nordosten davon, ohne uns groß zu stören, aber war doch ein Beweis dafür, dass in dieser Gegend Taifune auch in der "Off Season" auftreten können. Ganz anders als wir das von zuhause in Queensland gewohnt sind.  

Yap war dann auf seine Weise ein weiterer Höhepunkt unserer Fahrt. Wir hatten von Townsville zum Council of Tamol in Yap gefaxt (691-350-4271), um Informationen über die ‘Outer Islands’ von Yap zu erhalten. Daraus hatte sich ein Freundschaftsverhältnis zu Joe Tiucheimal entwickelt, dem Sekretär des Councils of Tamol. Als wir einliefen stand Joe schon mit all den Offiziellen am Ufer bereit, und wir erledigten die Formalitäten in der Marina Bar am Tisch auf der Terrasse. Wenn das Einklarieren doch immer so wäre! Uns wurde auch gleich erklärt, dass wir erst nach dem 1.März wieder lossegeln dürften, denn 1.März ist Yap Day und das sollten wir uns unbedingt ansehen.  

Wir blieben zwei Wochen auf Yap, wanderten auf den alten Steinpfaden durch die Berge, genossen die traditionelle Gastfreundschaft und Aufnahme von Joe und seiner Familie und erlebten den Yap Day. An diesem Feiertag wird traditionell getanzt, nicht für Touristen - von denen es nicht sehr viele gibt -, sondern als Wettbewerb zwischen den einzelnen Dörfern. Das sieht man nicht mehr so oft. Yap ist auch berühmt für die Manta Rochen im M'Il Kanal. Dort tauchten wir auf 20 Metern und "standen" regungslos an der Seite des Kanals, als sich ein, zwei Meter vor uns sechs große Mantas an einer "Cleaning Station" von den "cleaner fish" säubern ließen. Langsam schwebten sie um uns herum, berührten uns fast, verdunkelten über uns das Wasser. Britta schrieb ins Bordbuch: "my best dive ever!"

 

Fortsetzung folgt....

Hier geht's zum zweiten Teil der Reise, ins Reich der aufgehenden Sonne

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