1998 bis 2000 unternahmen Torsten und Silke mit ihrem neuen Schiff KAVENGA die in diesem
dreiteiligen Bericht beschriebene Reise, die auch Gegenstand des neuen Buches
von Silke und Torsten Hartmann PACIFIC HIGH (gerade erschienen im Delius Klasing
Verlag) ist. Im ersten Teil dieses Berichtes besuchten sie selten angelaufene
Bilderbuchatolle in Mikronesien.
Heute geht es
weiter in Richtung Japan, sicher einer der interessantesten Reviere der Welt.
Doch selten von europäischen Fahrtenyachten angelaufen.
Nach
diesem Bericht muss die Gastfreundschaft in Japan grenzenlos sein, allerdings
auch die Behörden-Umstandskrämereien. Von ihnen und vom
Slalomfahren durch die zahlreichen Fischernetze berichten heute Silke und
Torsten.
Torsten
(geb. 1957 in Hannover) und Silke (geb. 1956 in Bremen) lernten sich schon in
der Schule kennen. Zusammen reisten sie zum Nordkap, nach Australien, Neuseeland
und Fernost. Silke wurde veterinär-medizinisch-technische Assistentin, Torsten
promovierte in den Fächern Germanistik, Anglistik und Pädagogik. 1984 brachen
sie mit ihrem 1981 geborenen Sohn Klaas auf ihrer 20 Jahre alten Segelyacht
SEETEUFEL zu neuen Zielen auf.
Heute lebt die
Familie in Townsville, Queensland. Torsten arbeitet als Verwaltungsmanager einer
Werft und Silke hat zur Buchbinderin umgeschult. Torsten hatte schon nach seinem
Studium Kinderbücher geschrieben und diese auch illustriert, jetzt geben beide
zusammen im Selbstverlag Kinderbücher über die Natur Australiens heraus.
An den
Gestaden Japans
Irgendwo
zwischen Japan und den Aleuten, Nordpazifik, Juni 1999:
Japan liegt weit hinter uns im Kielwasser, fast tausend Seemeilen seit
Kushiro sind es. Wir sind auf dem Wege nach Alaska, erster Landfall geplant auf
der westlichsten Insel der Aleuten, Attu. Im Moment läuft der Motor. Das Meer
ist bis auf einen langen Schwell aus Südwest ruhig, grauer Himmel, Nebelfelder.
Es ist kalt geworden. Bis runter auf nur ein Grad über Null. Noch gestern
liefen wir unter Vollzeug mit rauschender Fahrt genau vor dem Wind. Bis es
rumpelte und polterte und das Schiff zum Stehen kam, als hätte jemand die
Notbremse gezogen. Gross und Fock auf Schmetterling, gut zwanzig Knoten Wind in
den Segeln, und der elektrische Autopilot arbeitete, drehte das Rad nach
backbord, nach Steuerbord, doch vergeblich, denn Kavenga stand auf der Stelle,
der lange Pazifikschwell gegen das Heck schlagend. Auf 49 Grad Nord und 161 Grad
Ost lag Kamchatka gut zweihundert Meilen nordwestlich von uns, das Meer unter
uns 5000 Meter tief. Womit wir nicht gerechnet hatten, waren die großen
Treibnetze der russischen Fischer aus Petropavlovsk. Einige hundert Meter neben
uns eine kleine Funkboje, das war die einzige Markierung des Netzes. Wir hatten
Glück. Die Segel kamen runter, der Wind und die Wellen trieben uns frei. Das
war gestern.
Noch ist es erst wenige Tage her, dass unsere zwei
Monate in Japan zu Ende gingen.
Zwei
Monate in Japan... Fahrtenyachten kommen fast nie nach Japan. Was für ein
faszinierendes Land, Land der Widersprüche und Ungereimtheiten. Auch zwei
Monate sind nur ein Kurzbesuch. Genug Zeit, um Eindrücke zu sammeln, viel zu
wenig Zeit, um sich ein Bild zu machen, um wirklich Einblick zu gewinnen. So
muss Fahrtensegeln früher einmal gewesen sein, nur eine andere Fahrtenyacht
trafen wir in Japan und die Gastfreundschaft der Menschen dort war so überwältigend,
dass ich mit einem Bericht Seiten und Seiten füllen könnte. Einmal schon haben
wir es ähnlich erlebt. Das war vor 12 Jahren mit SEETEUFEL in Peru und Chile.
Bleibende Erinnerungen an Japan, das sind die Fischer, die uns abends eine Kiste
Fisch schenken, das junge Paar, das uns heißen Kaffee bringt, als wir abends an
der Hafenmauer anlegen, heiße japanische Bäder, grüne Berge über großen Städten,
kleine Fischerdörfer, Tempel und Pagoden, dichter Großstadtverkehr und volle
Eisenbahnen und das weite einsame Marschland in Hokkaido mit den
Vulkanen
in der Ferne.
Palau hatten wir am 29.März verlassen und hatten die 1350 SM nach Okinawa in
neuneinhalb Tagen geschafft. Eigentlich sollte es direkt nach Kagoshima auf
Kyushu gehen, aber dreihundert Meilen vor diesem Ziel liefen wir in starke
Nordwinde. Statt gegenan zu knüppeln drehten wir auf Westkurs und liefen die
hundert Meilen nach Okinawa. Wir waren nicht mehr in den Passatregionen, sondern
im Gebiet der veränderlichen Winde. Ab jetzt war das Wetterfax noch wichtiger,
Hochs und Tiefs mit ihrem vorhersagbaren Wechsel der Windrichtungen bestimmten
ab jetzt unsere Pläne.
Naha
auf Okinawa, Riesenstadt weit südlich vom Zentrum Japans, war schon ein
Kulturschock nach den einsamen Pazifikinseln. Die Einklarierung war unser erster
Vorgeschmack auf japanische Bürokratie: Zoll, Immigration, Quarantäne,
Hafenbehörde, Coastguard. Es gibt in Japan für Fahrtenschiffe keine
gesonderten Regeln, man geht durch dieselben Formalitäten wie die Großschiffahrt.
Die Beamten sind freundlich, ziehen sich sogar die Schuhe aus, aber gehen erst
dann wieder, wenn auch das letzte Formular bis zum letzten Punkt hin sauber und
ordentlich ausgefüllt, nachgeprüft, korrigiert, unterzeichnet und abgestempelt
ist. Wir konnten KAVENGA hier im Industriehafen Nahas an der Mole fast im
Ortszentrum für zwei Nächte liegen lassen und stürzten uns in das Gewühl und
die Exotik von Naha. Unser erster japanischer Ort! Märkte mit allem nur
denkbaren Meeresgetier und den ungewöhnlichsten Speisen, japanische
Schriftzeichen, blauer Himmel und warmes Wetter, Okinawa im April.
Der
erste Abend in Japan kam, und er war so typisch für die nächsten zwei Monate.
Kenji, ein Pilot einer 767 von All Nippon Airways hatte beim Landeanflug unser
Schiff im Hafen gesehen, und kam vorbei um Hallo zu sagen. Er hatte eine Flasche
traditionellen Okinawa-Schnapps dabei, und erzählte uns viel über Japan. Kurz
nachdem er gegangen war, kam er schon wieder. Er hatte gesehen, dass unsere
Tochter Britta erst 12 Jahre alt war und keinen Schnapps trank. Also brachte er
Kuchen und Eis für die ganze Familie.
Preise in Japan, eine komplizierte Kiste. In unserem sehr guten Reiseführer (Lonely
Planet Guide, Japan) hatten wir gelesen, dass Japan das teuerste Reiseland der
Welt sein soll. Für den Segler ist ja vieles einfacher. Hotelkosten haben wir
nicht, unsere Küche haben wir an Bord (samt jeder Menge an Vorräten vom
letzten guten Supermarkt in Australien), und Sightseeing mit teuren
Eintrittsgeldern und Transportkosten müssen wir eben auf ein Minimum beschränken.
Was kostet es dann in Japan zu segeln? Ehrlich schwer zu sagen. Wenn man will,
kann man in Japan die teuersten und besten Lebensmittel der Welt kaufen. Aber
man muss ja nicht. Klar, Fleisch kann man kaufen für 80 US$ das Kilo, aber
manchmal findet man Angebote, die nicht teurer sind als im Supermarkt in
Australien. In keinem Land haben wir es bis jetzt so erlebt, dass das gleiche
Produkt in zwei Geschäften nahe beieinander für so drastisch verschiedene
Preise verkauft wird. Fazit: Japan ist teuer, aber wenn man aufpasst, nicht so
teuer, dass man es von der Reiseroute streichen muss. Noch zum Thema Geld:
Diesel kostet um 90 Yen an der Tankstelle, aber wir haben nur zweimal getankt,
beide Male zollfrei für 38 Yen, bzw. 45 Yen. Was für ein Preisunterschied.
Will man zollfrei tanken, muss man sich einen Zollagenten suchen (der Zoll kann
die Telefonnummer heraussuchen), der es dann arrangiert, meist per kleinem
Tankschiff, das längsseits geht. Landausflüge sind eine andere Möglichkeit
das Bordkonto zu entleeren. Wir sind meist zu Fuß herumgezogen oder von
Bekannten gefahren worden. Ein Tagesausflug nach Kyoto und seinen Tempeln per
Bahn von Kobe aus kostete dann allerdings für uns vier 28,000Yen für Bus und
Bahn, Eintrittsgelder und ein paar Snacks.
Zweite angelaufene Insel: Amami O Sima, eine große Insel mit hohen grünen
Bergen und wenig besiedelten Ufern. Am Ende eines kleinen Fjordes liegen zwei Häfen,
der Fischerhafen Daikumo Ko und die Stadt Naze mit ihrem Großschiffshafen. Wir
waren es ja noch von Südamerika her gewohnt, einfach in das Stadtzentrum zu
fahren und an der Kaimauer längseits zu gehen. Das taten wir hier auch, aber
was für ein Fehler! In Naze machten wir so richtig Bekanntschaft mit der
japanischen Bürokratie. Kaum waren wir längseits, da kam auch schon der Zoll.
Wir hatten gelesen, dass man eigentlich in Japan in jedem Hafen ein- und
ausklarieren soll, also waren wir nicht überrascht. Dann aber kam die
Coastguard mit sechs Mann an Bord. Und nun ging es richtig los. Mit nur ein paar
Brocken Englisch machten sie uns klar, dass Yachten wie alle ausländischen
Schiffe auch, nur in Open Ports einlaufen dürften, also nur die wenigen großen
Einklarierungshäfen in Japan für uns erlaubt seien. Dann mussten wir einen
Grund angeben für das "Notanlaufen" Nazes, technische Probleme oder
so. Und dann mussten wir zum Department of Transport in Naze gehen und uns eine
Sondergenehmigung für den Aufenthalt in Naze ausstellen lassen. Eine Stunde später
hatten wir dieses eindrucksvolle Dokument in der Hand, hatten versprochen
niemals mehr in Japan andere Häfen als Open Ports anzulaufen und waren ziemlich
mit den Nerven fertig. Wenn wir das gewußt hätten, dann wären wir nie nach
Japan gekommen! Wir schliefen erst einmal eine Nacht drüber.
Am
nächsten Tag verlegten wir uns in den kleinen Fischerhafen Daikumo-Ko (28
24.1N, 129 31.2 E), Buganker und Heckleinen zur Pier, so wie wir es jetzt so oft
machen würden. Ein kleiner Hafen ohne Immigration oder Zoll und ohne Coast
Guard. Ok, dachten wir, ab jetzt wissen wir Bescheid. Wo immer ein großer Hafen
mit Behörden ist, segeln wir dran vorbei. Soll uns doch erstmal einer finden in
den kleinen Fischerhäfen. So machten wir es dann auch, hielten uns an die
kleinen Häfen und sahen Zoll und Coastguard erst wieder in Hiroshima, einige
Wochen später.
Überall an den Küsten Japans gibt es diese kleinen Häfen mit ihren Dutzenden
von Fischerbooten. Meist sind es künstliche Häfen mit großen Molen aus
Betonklötzen und oft riesigen vorgelagerten Wellenbrechern. Meist ist die
Einfahrt markiert durch einen roten Turm auf Steuerbord einlaufend und einen weißen
auf Backbord. Diese Seezeichen sind auch bei gutem Küstenabstand auf einige
Meilen weit erkennbar. Immer schien für uns ein solcher Hafen in der Nähe zu
sein, und das Liegen hier ist kostenlos, die Fischer sind hilfsbereit und
machten uns auch ohne Englisch sprechen zu können immer gleich klar, wo im
Hafen wir am besten liegen konnten. Ankermöglichkeiten in Japan gibt es -
zumindest auf der von uns befahrenen Route- nicht so viele, denn die Küsten
sind recht offen und die Windrichtung wenig stabil.
Die
Inseln sind traumhaft mit Bäumen wie auf japanischen Tuschezeichnungen in
verschiedenen Grüntönen, kleinen Orten mit engen verwinkelten Gassen, Häusern
mit hölzernen Schiebetüren, geschwungenen Dachpfannen und Drachenköpfen an
den Giebeln.
Dann
die Inland Sea: Großstadt-Japan. In Hiroshima liefen wir erst eine Marina am
Hafeneingang an. Dort sollte es 100 US$ für eine Nacht kosten. Wir verlegten
uns in den Fischerhafen (34 21N, 132 28E) und blieben hier für zwei Nächte
kostenlos. Auch in den stark bevölkerten Gebieten Japans konnten wir weiterhin
in den Fischereihäfen festmachen, ab und zu gab es auch mal Luxus in einem der
Yachtklubs, manche lassen Ausländer für ein paar Tage umsonst dort liegen, uns
wurde das angeboten in Kiba, Akashi, Suma, Nisinomeya und Hokko. Und in der
Werft Kaze No Ko, nur ca. 15 SM südlich von Hiroshima gelegen (34 07N, 132
28E), wo wir ein paar kleinere Schweissarbeiten zu erledigen hatten.

Ein Höhepunkt in Japan war der Aufenthalt in Akashi beim Leiter des Trans-Ocean Stützpunktes. Unvergeßlich werden für uns auch die zwei Abende bleiben,
die wir alle zusammen mit Fusakos Eltern, Schwester und Großmutter verbrachten.
Unser letzter Hafen in Japan war Kushiro auf Hokkaido, einer Insel, die
verglichen mit dem südlichen Japan direkt einsam und nur wenig bevölkert ist.
Am
15.Juni klarierten wir aus und verliessen Kushiro so, wie wir gekommen waren,
bei Nebel. Und hier noch ein paar Warnungen. Zwanzig Meilen östlich von Kushiro
gerieten wir bei dickem Nebel und spät am Tag immer wieder in Gruppen von
Netzen. Diese Netze sind mal an Bojen befestigt, mal sieht man nur die Schwimmkörper
der Netze selber. Es dauerte zwei Stunden lang und bis zum letzten Licht, um aus
diesem Gewirr von Netzen herauszukommen. Glücklicherweise war der Wind sehr
leicht, sonst wäre es viel schwerer gewesen. Auch in großen Teilen der Inland
Sea gibt es solche Verkehrshindernisse. Mal sind es große Flösse, an denen
Austern gezüchtet werden, mal sind es große Felder von Netzen und Bojen, an
denen Seetang wächst.
Und jetzt liegt Japan hinter uns. Ein phantastisches Land voller netter
Menschen, Fahrtensegeln, so wie vor vielen Jahren. Japan, ein kaum von Seglern
besuchtes Land, ganz bestimmt eine Reise wert.
Fortsetzung
folgt....
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