1998 bis 2000 unternahmen Torsten
(geb. 1957 in Hannover) und Silke (geb. 1956 in Bremen) mit ihrem neuen Schiff KAVENGA
eine Rundreise durch den Pazifik, die auch Gegenstand des neuen Buches
von Silke und Torsten Hartmann PACIFIC HIGH (gerade erschienen im Delius Klasing
Verlag).
Die beiden lernten sich schon in
der Schule kennen. Zusammen reisten sie zum Nordkap, nach Australien, Neuseeland
und Fernost. Silke wurde veterinär-medizinisch-technische Assistentin, Torsten
promovierte in den Fächern Germanistik, Anglistik und Pädagogik. 1984 brachen
sie mit ihrem 1981 geborenen Sohn Klaas auf ihrer 20 Jahre alten Segelyacht
SEETEUFEL zu neuen Zielen auf.
Heute lebt die
Familie in Townsville, Queensland. Torsten arbeitet als Verwaltungsmanager einer
Werft und Silke hat zur Buchbinderin umgeschult. Torsten hatte schon nach seinem
Studium Kinderbücher geschrieben und diese auch illustriert, jetzt geben beide
zusammen im Selbstverlag Kinderbücher über die Natur Australiens heraus.
Die
Kinder: Klaas studiert heute
Mathematik, Physik und Informatik. Britta besucht das Gymnasium und
arbeitet ehrenamtlich in dem großen Riff-Aquarium in Townsville; sie möchte
Zoologie studieren.
Bering-See, das Revier von
Tundra, Schnee und Eis
Unser letzter
Reisebericht endete südöstlich Petropavslovsks mitten im Nordpazifik, als wir
unter vollen Segeln in ein grosses Treibnetz liefen, mit einem Schreck
davonkamen, und weiter nach Nordosten zogen. Attu, die westlichste Insel der
Aleuten lag irgendwo weit voraus.
Der
Nordpazifik hier ist ein einsames Meer, Nebelbänke, fast keine Schiffe, und
wenn doch mal eines auftaucht, dann ist es ein rostiger russischer Frachter,
dessen gesamte Besatzung an der Reling steht und uns anstarrt, als wären wir
der fliegende Holländer selbst. Ein komisches Gefühl in der Magengegend, sich
hier mit der Familie herumzutreiben.
Wir schleichen dahin,
setzen Genua und oft den Spinnaker, wechselnde Winde, 15 Knoten und weniger, ölig
ruhiges Meer. Der große Schwell der Passatregionen fehlt ganz. Eine kleine
Windwelle auf glattem Meer, das ist alles. Die ersten Tiere des Norden begleiten
uns, Seelöwen tauchen neben dem Schiff auf, Unmengen von Vögeln schwimmen auf
dem Meer, Dall's Delfine ziehen ihre Bahnen zum ersten Mal, tief schwarz und
hell weiß ihre Körper. Sonnentage und Nebeltage wechseln, wir frieren, können
uns einfach nicht an die Kälte gewöhnen, haben alle dicken Sachen auf einmal
an und verschwinden auf Freiwache unter Schichten von Bettdecken.
26. Juni 1999 Voraus
liegt Attu. Sonne auf 1200 Meter hohen Bergen, Schneefelder überall, wir segeln
in eine Winterwelt, tasten uns in die Casco Cove der Massacre Bay hinein und
ankern am Ende der Bucht auf sechs Metern Wasser, glasklar, Kelpfelder am Ufer
(52° 22' N, 173° 10' O). 1300 Seemeilen im Nordpazifik von Hokkaido, Japan
nach Attu, Einfahrt in die Bering See, in elf Tagen leichten Windes. Glück
gehabt!
Kavenga liegt vor der
Kulisse der Schneeberge. Bäume gibt es hier auf den Aleuten nicht, auch keine Büsche.
Wir wandern über die Tundra, vorbei an den Ruinen der
amerikanischen
Militärbasis aus dem Zweiten Weltkrieg.
So richtig haben wir es noch nicht verarbeitet: Wir sind in Alaska!
Klaas wandert am nächsten
Tag, steigt auf die Berge, Tundra und Schnee und Eis, Blick über Massacre Bay,
die Ruinen, riesige hölzerne Landungsbrücken halb zerfallen, überall Felsen
im Meer, weisse Brandung darüber, die braunen Streifen der Kelpfelder. Der Wind
hat zugelegt, treibt die Gischt zu langen Bahnen.
Abends kommt ein Schiff
in die Ankerbucht, die 35 Meter lange Tiglax des US Departments of Fisheries and
Wildlife. Sie laden uns zu sich an Bord ein, ein warmer Salon, Kaffee und
Kuchen, was für eine rauhe und freundliche Truppe, die uns aufnimmt wie alte
Freunde. Marcia, zweiter Offizier erzählt uns über die Tiglax. Sie bringen
Fallensteller auf die Inseln hier, und die haben die Füchse schon weitgehend
ausgerottet, die von russischen Pelzzüchtern vor zweihundert Jahren hier
ausgesetzt wurden und die Vögel stark dezimiert hatten. Von der Tiglax werden
auch Camps auf den Inseln versorgt, in denen Ornithologen leben, denn die
Aleuten sind weitgehend Vogelschutzgebiet und Vogelparadies.
Es
ist taghell, als wir um Mitternacht wieder an Kavenga festmachen. Es ist
windstill geworden, der Himmel ist tiefblau, die späte Sonne strahlt die Wolken
rot an. Schneeberge, Schiff und Himmel spiegeln sich auf dem glatten Wasser, und
erst um ein Uhr morgens fängt es an, dunkel zu werden. Unbeschreibliche
Nacht...
Alaska ist Alaska, heute
am 28. Juni ist der Himmel bleigrau, tiefe Wolken verdecken die Bergspitzen, es
weht mit 25 bis 30 Knoten aus Nordost. Zwanzig Meilen bis zur Ankerbucht
Chichakof Harbour und wir motoren gegenan, bolzen um die Ostecke Attus herum,
tasten uns bei dichtem Nebel in die Bucht (52° 56'N, 173° 15'O). Von Attu nach
Osten bis zur Einfahrt in die Inside Passage sind es 2000 Seemeilen. Nach dem
15. August, haben wir immer wieder gelesen und auch von Marcia gehört, sollten
wir möglichst aus dem Golf von Alaska heraus sein. Keine Zeit immer auf gutes
Wetter zu warten. Alaska ist riesig und die Zeit so kurz!
In Chichakof Harbour war
eine große japanische Basis im Zweiten Weltkrieg, Am Ufer stecken überall die
Pfosten, an denen der Stacheldraht befestigt war, Klaas findet beim Wandern
"Foxholes" überall an den Berghängen, oft mit großen Haufen von
Munition daneben, ein paar Reste rostiger Maschinen, sonst hat die Tundra alle
anderen Erinnerungen an die letzte Bansai Charge der Japaner, den letzten Kampf
auf den Aleuten wieder überwuchert. Wir fahren mit dem Dingi aufs Meer hinaus
zu der kleinen Felsinsel, auf der Tausende von Papageientauchern
nisten.
Überall auf den Hängen sitzen die bunten Kerlchen, heben plump und mit den Flügeln
zappelnd ab, scheinen ständig in Gefahr zu sein, vom Himmel herabzufallen.
Von
hier bis zur Glacier Bay werden sie uns immer wieder begegnen. See-Otter
schwimmen im Kelp auf dem Rücken liegend, die Mütter mit den Babys auf dem
Bauch. Harbor Seals stecken ihre Köpfe aus dem Wasser, und eine große Kolonie
von Stellar Seelöwen finden wir auf einer Klippe am Rande der Insel. Alaska,
das Tierparadies.
Der Wetterbericht ist
gut. Wir empfangen noch immer das Wetterfax von Japan und hören den Radio
Wetterbericht aus Alaska. 105 Seemeilen bis Buldir, der berühmtesten Vogelinsel
der Aleuten. In einer weiten offenen Bucht ankern wir (52° 22'N, 175° 53'O)
gehen an Land und wandern durch die Tundra. Rauchende Vulkane im Osten der
Insel. Abends geht es weiter nach Kiska, nur 80 Seemeilen. Herrliches
Segelwetter und mit dem ersten Tageslicht stehen wir vor Sirius Point (52°
08'N, 177° 35'O). Millionen von Vögeln über einem erstarrten Lavafluss,
dahinter der eisbedeckte Kiska Vulkan. Später ankern wir in der weiten Bucht
von Kiska (51° 58'N, 177° 33'O). Hier liegen wir zwei Tage im Sturm fest. Es
bläst konstant mit gut vierzig Knoten, wir liegen nur hundert Meter vom Ufer
entfernt, und doch hat sich schon eine steile kurze Welle aufgebaut. Klaas fährt
mit dem Dingi an Land, dabei bringen die Böen das Schlauchboot fast zum
Kentern. Drinnen bullert unser Petroleumofen und wir braten frisch gefangene
Flundern.
Die 235 Seemeilen nach
Adak fahren wir in einem Stück. Zu schade, dieser Zeitdruck. Auf den Inseln um
Adak herum gibt es Dutzende kleiner geschützter Buchten, völlig einsames Land
zum Erforschen. Wir segeln in der Bering See, halten uns nördlich der Inseln.
In diesen Tagen kommt der Wind meist aus Süd, 25 bis 30 Knoten. Eine
Vulkaninsel nach der nächsten taucht vor uns auf, perfekte Kegel unter Schnee,
oft steigt Rauch auf aus Felsspalten. Die Vulkane sind 1500 Meter hoch. Dicht
unterhalb des Tanaga Vulkanes ziehen wir an der Küste ostwärts. Eisfelder,
Schnee, Täler und Wasserfälle. Die Vulkane spielen verrückt mit dem Wind.
Erst halber Wind, dann achterlich, hoch auf über vierzig Knoten, dann
Windstille, dann Wind von vorne.
Bei Flaute und
Nieselregen laufen wir in Sweeper Cove auf Adak ein (51° 52'N, 176° 38' W).
Unser erster bewohnter Hafen auf den Aleuten. Sweeper Cove ist eine alte US Navy
Basis aus der Zeit des kalten Krieges. Der Port Captain ist freundlich, aber
bestimmt. Wir konnten noch nicht in den USA einklarieren und können das hier
auch
nicht.
Also dürfen wir nur ankern, nicht längsseits gehen, dürfen das Schiff nicht
verlassen. An Land gibt es einen kleinen Laden. Die Tiglax ist auch hier, und
unsere Freunde wollen für uns einkaufen gehen. Sie kommen mit fast leeren Händen
zurück, denn im Laden gibt es nicht viel, und was es gibt ist rationiert.
Marcia verwöhnt uns mit Proviant aus dem Bestand der Tiglax. Wir duschen dort
und können Wäsche waschen, was für ein Luxus!
410 Seemeilen liegen
zwischen Adak und Dutch Harbour. Blauer Himmel und herrliches Segelwetter, wir
machen Ost. Ein Sturm auf dem Wetterfax folgt uns in gebührendem Abstand. Keine
Zeit zum Anhalten, weiter Richtung Dutch Harbour, bevor der Wind auf Ost dreht
und vielleicht für viele Tage so bleibt. Blauer Himmel, Wale nicht weit von
uns, immer wieder Papageientaucher auf dem Wasser, abends liegen die vier
perfekten Vulkankegel der ‘Islands of the Four Mountains’ direkt voraus.
Obwohl noch fünfzig Meilen entfernt, sind sie zum Greifen nah. Am nächsten
Morgen fahren wir durch den Pass zwischen den Inseln. Nur ein paar Meilen breit
ist er, doch vom Land sehen wir nichts, denn dichter Nebel hat uns eingehüllt.
Schaut man genau nach oben, ist der Himmel fast blau, hoch ist die Nebelschicht
nicht, aber dick. Radar muss schon sein in diesen Gebieten. Noch ein Tag auf See
und nachmittags lichtet sich der Nebel. Umnak liegt an Steuerbord, schroffe
Schneeberge und wieder ein Vulkan, perfekter Eiskegel, Killer Wale zwischen uns
und der Insel, dann Dall's Delphine in der Bugwelle.
Am 11. Juli morgens um
sechs Uhr laufen wir
ein
in Dutch Harbour (53° 53'N, 166° 25'W). Bunte Holzhäuschen am Strand, die
alte russische Kirche dazwischen, Canneries und Fischkutter am Ufer. Man weist
uns einen Platz im kleinen Sportboothafen zu. Etwas nervös sind wir schon, wir
haben ja in den letzten zwei Wochen auf all den unbewohnten Inseln mehrmals
amerikanisches Land betreten, ohne einklariert zu haben. Aber Customs und
Immigration fragen nicht danach und fertigen uns in Rekordzeit ab. Die Beamten
sind so hilfsbereit und freundlich, wie wir es selten erlebt haben. Visa für
sechs Monate, ein Cruising Permit für zwölf, darf es sonst noch etwas sein?
Wir bleiben drei Nächte hier in Dutch Harbour. Der Ort ist berühmt für den
Regen, und meist laufen wir in Ölzeug durch die Stadt. Zwei riesige Supermärkte
gibt es hier, und billig. Aber nur, wenn man aus Japan kommt!
Wir
tanken im Fischereihafen für US$1.05 pro Gallone, gehen mehrmals zur Bücherei
und e-mailen. Ein Ort mit Charakter, wir fühlen uns wohl hier in dieser rauhen
Atmosphäre. Dann verlegen wir uns in die Constantine Bay, acht Seemeilen östlich,
sind hier für einen Abend wieder ganz alleine vor dieser Schneebergkulisse.
Klaas fängt seinen ersten Halibut. Durch Wolkenfetzen scheint die Abendsonne
auf Dutch Harbour und seine Kette von Bergen.
Wieder haben wir Glück
mit dem Wetter, wieder bläst es aus Südwest mit gut 25 Knoten, und wieder ist
ein Tiefdruckgebiet im Anzug, kommt aus Westen hinter uns her, und überredet
uns, die 140 Seemeilen nach King Cove in einem Sprung zu machen. Unter Vollzeug
verlassen wir die Insel Unalaska. Die Strömungen zwischen den Inseln hier können
gross sein, denn die Aleuten bilden eine Barriere zwischen der Bering See und
dem Nord Pazifik. Jetzt geraten wir zum ersten Mal hinein in so einen Mälstrom,
hatten in der weiten offenen Passage östlich von Unalaska gar nicht mehr damit
gerechnet. Sieben, acht Knoten laufen wir unter Vollzeug, dann Brecher voraus,
Tiderips, umdrehen ist nicht mehr möglich. Kavenga steckt die Nase tief in die
Brecher, das Vorschiff bis zum Mast ist mehr unter Wasser als über Wasser. Auf
dem GPS laufen wir 15 Knoten! Ob wir das jemals wieder erleben werden? 25 Knoten
Wind gegen diese Strömung, da sind die Wellen schon nicht Ohne. Nach lange
scheinender Zeit sind wir durch, und sind so durchgeschüttelt, dass uns
schlecht ist. Auf dem ganzen Weg bis nach King Cove erholen wir uns nicht so
recht. Am nächsten Mittag stehen wir vor King Cove, als der Wind auf Ost dreht,
genau auf die Nase. Das Tief hat uns eingeholt. Zeit den Hafen anzulaufen. King
Cove (55° 04'N, 162° 20'W) ist winzig, ein Becken voller Fischkutter, ein
Laden, ein paar Häuschen auf den Hängen an den Seiten der Bucht. Der erste
Hafen auf dem Festland von Alaska, der Alaska Peninsula. Fast genau tausend
Seemeilen von Attu. Der einsamste Teil unserer Fahrt liegt hinter uns. Was für
faszinierende Landschaften und Tiere...
Ende
Hier
geht's zum ersten Teil der Reise, nach Mikronesien
Hier
geht's zum zweiten Teil der Reise, nach Japan
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